derspecht

CoroNews 02.04.2020

Ich kann heute nahezu nur in Stichworten den Tag zusammenfassen. Mir sind in verschiedenen Foren einige Dinge aufgefallen, die ich hier zusammenfassen möchte:

Die sogenannte „Seehofer-Million“ macht die Runde und die löst Panik aus. Es ist eigentlich die „Spahn-Million“, denn er hat die Studien beauftragt, deren Grundlagen ich in meinen Quellen schon vor einigen Wochen gesehen habe. In UK gibt es eine ähnlich Simulation, durch die Johnson gestoppt wurde. Diese Simulationen sind in der Wissenschaft nicht „beliebt“, wenn ich es mal so ausdrücke. Mit mathematischen Modellen in dynamischen Umfeldern kenne ich mich ganz gut aus und die sind wie ein Formel 1 Wagen: Die fahren rasend schnell und super gut, aber sie brechen plötzlich auch gerne mal auseinander. Deshalb schreibe ich hier auch immer von einem anfänglichen Modell, das ich nutze bzw. dessen Auswertungen ich empfehle.

So ein Modell wird nach meiner festen Überzeugung nicht mal in den Ländern „durchlaufen“, deren Regierungen nichts tun können oder wollen. Und zwar aus einem einfachen Grund: Anfangs kennt bekanntlich jeder einen, der einen kennt, der Mediziner ist und der von Grippe spricht. Es ist aber ab einer gewissen Phase der Epidemie, vermutlich auch abhängig von der Informationsqualität in den Ländern, klar, dass die meisten irgendwann jemanden kennen, der jemanden kennt, der an „Husten“ gestorben ist. Das ändert das Verhalten der Menschen – und dann fängt der Zusammenbruch des Modells an.

Wir sollten wirklich froh sein, dass unser Staat uns diese Selbstorganisation abgenommen hat – und konstruktiv daran mitwirken, diese in neue Bahnen zu lenken. Es ist jedem klar, kein Wissenschaftler bestreitet das: So geht es nicht weiter. Dass wir alle nur noch zu Hause sitzen, ist eine viel zu drastische Maßnahme. Sie hat aber viel mit Uneinsichtigkeit zu tun und auch mit der fehlenden Erkenntnis über die tatsächlichen Infektionsrisiken. Daran wird gearbeitet und das ist gut so.

Ich kann mir übrigens sehr gut vorstellen, dass sich in dieser Pandemie möglicherweise das Internet als segensreich herausstellt und dass die Pandemie weltweit alleine durch das Gut „Information“ anders verläuft, als die Spanische Grippe.

Was nun als nächstes in den Medien die Welle machen wird, ist auch schon klar: Die Finanzexperten und Ökonomen rüsten sich. Dazu habe ich heute schon ein paar Dinge kommentiert. Das geht wirklich nur sehr kurz: Auch hier sehe ich leider denselben quälenden Erkenntnisprozess wie in der Medizin. Wer als Ökonom mit Blick auf Italien, Spanien, UK und vor allem die USA noch fragt, was so ein Lockdown kostet, stellt die falsche Frage. Es ist ja nun offensichtlich, dass der Lockdown umso teurer wird, je später er kommt. Ich habe das in den letzten Tagen immer wieder mit Blick auf die Opferzahlen und die Dauer der Eindämmung der ersten Welle dieser Epidemie erläutert. Das scheint in der Medizin so ganz langsam anzukommen. Ich bin traurig zu sehen, dass die Ökonomen nun gerade mal damit anfangen.

Dass die meisten Kollegen meiner Zunft nun sehr laut nach Auflockerung und Normalität rufen, macht mich traurig. Ich muss ehrlich gesagt explizit als Ökonom sagen: Macht mal nicht zu viel und bitte auch nur Dinge, die klappen, das wird sonst sehr teuer, richtig teuer!

Was ich hier auch nur kurz einwerfen kann: Angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Pandemie handelt, hatte ich stereotyp darauf hingewiesen, dass diese nationalen Betrachtungen zweitrangig sind, weil es überall dieselbe Krankheit ist. Nun sehe ich in der Ökonomie denselben Anfang der Diskussion – und kann es kaum glauben. Mit Hinweis auf das Geschäftsmodell Deutschlands möchte ich folgende Wirkungskette nennen: Die wichtigsten Handelspartner Europas sind die USA und China, die wichtigsten Handelspartner Deutschlands sind Europa, die USA und China. Für ökonomische Bewertungen interessiert mich momentan vor allem die Entwicklung in den USA, gefolgt von Süd- und Zentraleuropa, gefolgt von China. Modellierungen des Deutschen BIP finde ich sehr „interessant“, wenn die ohne diese äußeren Wirkungsketten erfolgen. Per Definition ist das BIP zwar inländisch, wer aber nicht nur in einer Hütte im dunklen Harz forscht, weiß, dass es von außen „finanziert“ wird. Das auch als erster vorsichtiger Hinweis in Richtung Solidarität und Europa und so.

Damit zu den Zahlen und wie ich erwähnte schaue ich momentan sogar mehr auf die USA als alles andere. Trump läuft der Entwicklung leider immer noch hinterher. Inzwischen redet er nicht mehr von Ostern als Party-Time sondern von 100.000 bis 200.000 Opfern und zwei sehr harten Wochen. Nach meiner Einschätzung kann er froh sein, wenn es nicht zwei harte Monate werden. Ich sehe weder in den Infektionsverläufen, noch bei den Opferzahlen auch nur den kleinsten Indikator für eine Abschwächung der Epidemie. Zudem habe ich Studien gelesen, denen zufolge das Virus in den USA bereits seit Mitte Januar kursiert. Wenn das stimmt, sind die USA in einem epidemischen Stadium wie Italien – und das mit einer Reaktion, die viele Wochen langsamer war. Das rechne ich gar nicht hoch und ich hoffe wirklich, dass die Epidemie sich dort aufgrund klimatischer Verhältnisse und vielleicht auch anfangs abweichender Kohorten anders als in Italien entwickelt hat. Die Kurven sprechen dafür, aber die haben leider kaum getestet – es wird noch lange ein Blindflug bleiben.

Bei uns weiterhin Bestätigung der guten Trends: Die Kurven der Neuinfektionen sinken stabil weiter, erstmals kann man das auch für UK und NL hoffen – zu früh, um das zu sagen, aber erste Anzeichen gibt es. Die Todesraten zeigen unverändert nur in Italien, dass dort die erste Welle der Infektionen ihren Höhepunkt überschritten hat, in Spanien deutet sich das aber auch an. In Frankreich und Deutschland steht das immer noch aus, so dass wir auch hier nicht wissen, was auf unsere Krankenhäuser zukommt. Wie gestern bereits erwähnt: Vorher wissen auch wir in Deutschland nicht, wie unsere Dunkelziffer aussieht.

Die Kurven heute sind wieder die Infektionen, vorgestern hatte ich die Todesraten genutzt. Es ist schrecklich, wie selbstverständlich die Finger diese Begriffe inzwischen runtertippen.

Trotzdem: In zwei bis drei Wochen wird es besser, auf welchem Niveau sehen wir, aber es wird besser. Leider nicht in den USA, die Trump´schen zwei Wochen sind komplett daneben.

 

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