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CoroNews 19.04.2020

Mein Schwerpunkt gestern galt dem Wissen, das möchte ich heute fokussiert vertiefen. Zugleich besondere Leseempfehlung für die Kommentare und Quellen unter den letzten Beiträgen. Gestern war es aus meiner Sicht besonders wertvoll. Es findet sich auch die eine oder andere nette Plauderei, aber stets mit Tiefe. Meine Bitte beim Teilen: Gerne weiter geben, selbst kommentieren, zitieren, alles gut – aber bitte einen Link auf die Kommentare verfügbar machen, die sind oft auch nach Tagen erhellend. Für mich immer wieder eine Informationsquelle, die jede Newssuche oder Nachrichten-App locker hinter sich lässt. Mein Dank an alle, die mitwirken!!

Zum Wissen heute noch mal zu dem Zahlenspielchen mit der Sterbewahrscheinlichkeit von Altersgruppen. Das wird in Kreisen mit Grundhaltungen wie Herdenimmunität, Durchseuchung, „lass uns das Virus mal schnell durchlaufen lassen“, „betrifft nur die Alten“, „Kitas auf“, „für ein 0,5% Risiko maßlos überzogener Freiheitsentzug“, „die Wirtschaft wird auch Opfer fordern“ herumgereicht. Gut so, Ziel erreicht.

In diesen Kreisen wird interessanterweise auch – oft unbewusst oder unerkannt – das Trump-Narrativ verfolgt: Chinesisches Virus, die lügen sowieso, denen kann man nicht trauen, wir müssen jetzt an die Wirtschaft denken, sonst erzeugt das Virus viel mehr Schaden. Es läuft aber auch in Kreisen, die von unser aller Wunsch nach Normalität getrieben sind, von eigenen Existenzängsten, von familiären Spannungen mit Kindern, Großeltern usw. Ich kann das alles sehr gut nachvollziehen, ich denke und fühle nicht anders.

Bevor man aber Wunsch und Wissen verwechselt, hier der böse Hinweis: Diese Sterbedaten stammen aus China. Wer also die eine oder andere Variante der Herdenimmunität für richtig hält, zugleich aber den Chinesen nicht trauen mag, sollte erkennen, dass er genau das tut – und zwar nicht im Vertrauen auf ein schickes Smartphone, nein es geht um das Leben von Kindern, dem eigenen und dem weiteren Familienkreis.

Dabei ist etwas mehr Wissen nicht so verkehrt – auch wenn es weh tut. Meine Empfehlung nochmals: Bitte Wunsch und Wissen trennen!

Ich hatte zu diesen Daten geschrieben, dass ich ihnen nicht von Silvester bis Neujahr traue – bitte keine Debatten mehr, man könne das so nicht machen. Es geht hier nicht um mich, es passiert gerade massenhaft, dass genau mit diesen Daten gedacht, gehandelt und entschieden wird: Diese Daten sind Grundlage für „jung gegen alt“, für den Wunsch, man könne Normalität leben und das Virus mal durchlaufen lassen, während halt 0,5% Opfer übrig bleiben, die „Pech“ hatten.

Es sind diese Daten, die ausgehend von der WHO auch beim RKI genutzt wurden, die immer noch Maßgabe zur Einschätzung der Erkrankung sind. Ich vermute, dass man sich in Berlin deswegen inzwischen auf die Finger beißt. Es gab wohl anfangs Befürchtungen vor einer Massenpanik. Dass man so eine gefährliche Erkrankung wie Covid-19 hingegen maßlos unterschätzen würde, konnten sich die Mediziner und Virologen wohl gar nicht vorstellen.

Wenn ich dem einen oder anderen hier, im Laden oder auf der Straße folge, muss ich folgendes klarstellen: Covid-19 ist kein Impfstoff! Darauf sollten wir uns vielleicht einigen, es ist immer noch eine gefährlich Krankheit – OK?

Um das deutlich zu machen, will ich die 0,2% Sterblichkeitsrate bei Kindern und Jugendlichen in folgendes Szenario übersetzen: Für eine Schule mit 500 Schülern heißt die Devise „schnell durch mit Covid-19“, dass einer sterben wird. Nun sucht sich Covid-19 dieses Kind aus. Aber nehmen wir mal an, Covid-19 würde es uns überlassen. Wie würden wir vorgehen? Elternrat und Schulleitung? Was wären die Kriterien? Gemeine Fragen ich weiß, Covid-19 ist gemein, kein Impfstoff!

Nun bleibt es aber nicht bei dem toten Kind. Covid-19 läuft nicht so still und easy durch, wie es hier viele wohl annehmen. Es ist nicht so, dass keiner was merkt und halt einer tot umfällt. So funktionieren Krankheiten nicht!

Covid-19 erzeugt auf jeden Sterbefall zehn schwere und zehn stationär behandlungspflichtige Erkrankungen. Dann hätten wir also zehn weitere Schüler, die mit einer Erkrankung zwischen zwei und sechs Wochen zuhause sind, Fieber haben, Muskelschmerzen, Schüttelfrost – und nebenbei bemerkt eine Heidenangst, zu sterben. Zehn weitere Kinder müssten ins Krankenhaus, eher vier Wochen aufwärts. Vier bis sechs würden auf der Intensivstation landen, zwei bis drei intubiert – also sediert und mit hoffentlich kompetent geregeltem Beatmungsdruck direkt in die Lunge beatmet, eine Tortur, ein Trauma, meine so oft zitierte Sauerstoffpumpe. Zwei bis drei Kinder könnten nach der „Genesung“ keine Treppe aus eigener Kraft gehen – wie lange, ist unbekannt. Vielleicht Monate, vielleicht ein Jahr, vielleicht für immer. Mindestens ein Kind hätte eine schwere Störung des Immunsystems, ähnlich einer Aidserkrankung. Vielleicht Monate, vielleicht ein Jahr, vielleicht für immer.

Soll ich aufhören? Oder wollen wir noch über Eltern, Geschwister, Großeltern reden? Ich lasse es mal, denn: Wir alle sollten das lassen! Kein Impfstoff! Keine Herdenimmunität! Nicht durchlaufen lassen!

Weiß ich, was ich da schreibe, es sind doch Zahlen aus China, komplett unglaubwürdig? Richtig, sehe ich auch so. Das sind Daten aus Wuhan und es ist recht unklar, welche Basis das ist – wer sind also die Infizierten und wie wurden die ermittelt – und wie wurden die Sterbefälle verifiziert. Gab es vielleicht mehr Infizierte, so dass die Quote zu hoch ist? Gab es vielleicht mehr Sterbefälle, so dass sie zu niedrig ist? Niemand weiß das.

Aber was heißt das für uns? Wollen wir das o.g. Szenario vielleicht eingehen, weil es nur für eine Schule mit 1.000 Schülern zutrifft? Oder lassen wir es mal laufen, um dann zu handeln, wenn wir bei der ersten Schule mit 100 Kindern so was sehen? Wohl wissend, dass es dann natürlich jede Schule trifft!

Besonders erfreut bin ich, wenn mir die ganz Schlauen nachrechnen, dass ich bei diesen Sterbefallüberlegungen natürlich auch die Gefahr einzuberechnen hätte, ob man Covid-19 überhaupt bekomme und die sei in der Heinsberg-Studie bekanntlich als minimal ermittelt worden. Das sind oft sehr intelligente Menschen, die gleich im nächsten Satz dann wieder von Herdenimmunität faseln, weil früher oder später alle an Covid-19 erkranken werden. Manchmal denke ich, dass solche Hirne sich wirklich nur darauf fokussieren, ein „normales“ Leben irgendwie zu begründen – dazu scheint jede Absurdität legitim.

Nun spekuliere ich auch nur mit Zahlen aus China, erlaubt das solche Szenarien? Damit sind wir wieder bei Wunsch versus Wissen bzw. dort, wo es weh tut: Dazwischen nämlich. Was tun wir nun aber mit Halbwissen, wenn uns eine finstere Gefahr entgegen kommt?

Denn es ist zweifellos richtig, diese Zahlen zu bezweifeln, aber wenn der Wunsch lautet, sie seien dann wohl zwingend zu hoch, ersetzt das kein Wissen. Wie gestern erläutert, gibt es dazu leider viel zu wenig Wissen. Aber es mehren sich Indikatoren, es mehren sich klinische Studien, es mehren sich auch singuläre Berichte. Aus Spanien melden sehr große Kliniken, dass die Fallzahlen bei ihnen komplett aus dem Wuhan-Schema herausfallen, dort sind teilweise bis zu einem Drittel der Patienten unter 30 Jahre alt – und die Quote von schweren Erkrankungen, Folgeschäden sowie Sterbefällen ist bei der Gruppe nicht anders als bei Älteren.

Wir haben inzwischen aus Wuhan und aus Italien valide Daten zur Übersterblichkeit von Klinikpersonal – das passt auch nicht in das Wuhan-Altersschema. Von Rückkehrern aus Ischgl-Gruppen wird ebenfalls bereits berichtet, dass Sterbefälle bei unter 30jährigen den Eindruck vermitteln, dass das Wuhan-Schema nicht zu halten ist. Es verdichtet sich, dass vor allem bei sehr intensivem Gruppenkontakt etwas passiert, das man noch nicht erklären kann. Vermutet wird, dass das Virus in solchen Umfeldern stärker über Aerosole statt Tröpfchen übertragen wird und dann das Risiko einer direkten Infektion der Lunge besteht. Ärzte berichten, dass Cvoid-19 Patienten sich im Anfangsstadium der Krankheit sehr gut fühlen, während die Sauerstoffwerte aber bereits so im Keller sind, dass man sie eigentlich schon auf intensiv legen müsste. Das wiederum kann sich dann in wenigen Stunden mit Atemnot einstellen.

Ich tue hier wieder etwas, dass ich nicht mag: Das alles stammt aus Studien, die ich nicht bewerten kann – es ist nicht mein Fachgebiet. Ich vermute nur, dass die vorgelegten Regeln zu Abstandswahrung, die sehr vorsichtigen Ladenöffnungen und die Zurückhaltung von Grundschulen sowie Kitas damit zusammenhängt. Richtig, schon wieder Vermutungen, Zahlenunsicherheiten, Unklarheiten – Covid-19 ist nicht nur gemein, es ist auch neu. Ich lese verdammt viele Studien dazu, jeden Tag. Ich lese aber verdammt noch mal keine einzige Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Krankheit leichter als vermutet sei oder dass die Wuhan-Altersdaten stimmen könnten. Keine, nicht eine einzige! Ich frage mich ernsthaft, woher dieses „easy going“ kommt? Immer noch aus der nicht vorliegenden Heinsberg-Studie? Oder ist das Wunschdenken so stark?

Was wollen wir mit dieser Unklarheit nun anfangen? Grundschulen und Kitas wieder aufmachen? Versammlungen in großen Gruppen wieder zulassen? Covid-19 mal durchlaufen lassen?

Besser nicht! Lasst uns mal der Medizin Zeit geben, Behandlungsmöglichkeiten zu finden und uns mit besseren Risikodaten zu versorgen. Ich bin für einen Exit, aber bitte einer, der funktioniert und nicht tötet.

Denn es gibt sie, die Art Studien, die sich ganz anders als Heinsberg seriös mit der Frage befassen, wie wieder mehr Normalität möglich werden könnte. Eine Harvard-Studie, die sich sogar bis zu Herrn Lindner gekämpft hat, ermittelt anhand von Simulationsrechnungen, dass entweder durch einen Impfstoff oder durch eine On-Off-Strategie von dauerndem Lockdown/Exit eine ausreichende Immunität möglich ist. Letzteres könnte aber Jahre dauern und sehr teuer sein. Was Herr Lindner wohl übersehen hat: Die Autoren empfehlen daher einen radikalem Lockdown, um das Virus auszutreten. Zugleich gibt es Studien aus Oxford und Wuhan, denen zu Folge das Virus zu 37% bzw. 44% von präsymptomatischen Patienten verbreitet wird – also von Personen, die bereits infektiös sind, aber selbst noch nichts von ihrer Erkrankung spüren. Das ist vermutlich der Grund für die hohe Ausbreitungsgeschwindigkeit von Covid-19 im Unterschied zu anderen Epidemien. Die Forscher leiten daraus schlüssig ab, dass nur eine hoch effiziente und schnelle Kontrolle von Infizierten sowie deren Kontakten eine qualifizierte Quarantäne ermöglicht – also eine Identifikation aller Ausbreitungswege bis zum Patienten Null sowie Quarantäne aller, die infiziert oder potenziell infiziert sind. Die Forscher zeigen auf, dass dies ohne konsequentes Testing, Tracking und voll automatisierte Meldesysteme nicht möglich ist.

Das ist genau die Strategie von Südkorea: Epidemie austreten (R=0) und dann jeden noch so kleinen Ausbruch im Keim ersticken durch blitzschnelle Identifikation/Quarantäne der gesamten Ansteckungskette. Dafür haben wir in Deutschland noch nicht die Mittel, die sind aber im Aufbau. Ich halte daher die jetzigen Lockerungen für verfrüht, zumal sich die Menschen wohl immer noch nach den „betrifft ja nur die Alten“- Zahlen aus Wuhan verhalten. Besser wäre die Strategie „Austreten“ und parallel Infrastruktur für ein effektives Containment aufbauen. Ferner – bitte Kommentare von gestern lesen – ein funktionierendes Konzept für Schulen, Kitas, Läden – öffentliches Leben. Mehr Erkenntnisse aus klinischen Studien, wer gefährdet ist, wie die Übertragungswege laufen, welche konkreten Maßnahmen in unserem Alltag funktionieren. Dann könn(t)en wir im Sommer wieder richtig raus und müssten im Winter nicht komplett drinnen sitzen. Für die Freunde der Wirtschaft wie immer: Billiger wäre das auch.

Mit Blick auf die Zahlen abschließend: So wird das nichts. Das RKI geht zwar von maßvollen Replikationszahlen aus, die regional zwischen 0,7 und 1,3 schwanken sollen, Sterbeminister Spahn nennt das kontrollierbar. Ich bin skeptisch, die Daten aus Oxford reagieren langsamer, ich hatte das oft erwähnt. Hier wird ein Trendwechsel erst bestätigt, wenn der über mehrere Tage stabil ist. Aus meiner Sicht seriöser und ich sehe sowohl Infiziertenverläufe als auch Opferverläufe noch viel zu steil, um jetzt schon in die andere Richtung etwas zuzulassen. Von einem Austreten kann ohnehin nicht die Rede sein, wir laufen in eine On-Off-Strategie hinein und ich frage mich, ob wir das wollen, wenn zugleich die individuellen Risiken der Krankheit noch so unklar sind?

Ansonsten zeigen sich überall in Europa unverändert zähe und zu steile Verläufe, weshalb um uns herum – Italien, Spanien, Frankreich – sogar eher über härtere Maßnahmen gesprochen wird. Belgien und Schweden sind auf dem besten Weg, in pro Kopf Werten ganz nach oben zu kommen. Belgien ist da schon, Schweden noch nicht, aber beide Länder haben außerhalb von UK die höchsten Wachstumsraten und schlechtesten Indikatoren.

Übrigens ist in Norwegen das Austreten fast gelungen, das Land hat es bald hinter sich bzw. kann wesentlich mehr öffentliches Leben gestatten als alle anderen in Europa. Wenn man schon nach Skandinavien als Vorbild schaut, dann bitte dort hin.

Japan hat seine jüngste Lockerung mit einem Aufflammen erkauft, dort bricht die Kurve wieder aus. Ein Austreten war auch dort nie Teil der Strategie, es mehren sich die Bestätigungen, dass die Forscher Recht haben:

Austreten der Epidemie und dann qualifiziertes Containment jeder singulären Quelle ist nicht nur die sicherste, es ist auch die billigste Strategie. Südkorea hat in Summe bisher 230 Tote, das „übertreffen“ wir pro Tag, immer noch.

 

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