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CoroNews 29.04.2020

Heute nach Online-Vorlesung nur etwas böse Chronistenpflicht.

Bitte Beiträge der letzten Tage verfolgen, in den Kommentaren sehr viele Stränge zu verschiedensten Themen, ich kann hier nur ein paar kurz aufgreifen.

Nur in Stichworten zu den Themen des Tages:

Unser Außenminister wollte auch mal wieder was sagen, er verkündet auf einer PK die Verlängerung der Reisewarnungen bis in den Juni. Macht absolut Sinn, weil es Verbrauchern Rechte zur Stornierung gibt. Aber als PK und „Breaking News“? Parallel quoll nach der wertvollen Oktoberfest- nun die wertvolle Urlaubs-Diskussion hoch. Das muss Christian Lindner irgendwie geschnuppert haben, denn als führender Lockerungstrainer spricht er sich dafür aus, den Urlaubszielen im Mittelmeer eine Chance zu geben. Er tut mir leid, der Lindner. Opposition ist hart in Krisenzeiten, wenn man dann auch noch Trüffelschwein mit Gendefekt ist und leider statt Edelpilzen nur die ganz tief vergrabene Dinosaurierkacke schnuppert – da passiert so was schon mal. Ein anderer hat auch die Chance gesehen, sich schnell noch vor den gerade abfahrenden Covid-19-Zug zu werfen: Herr Merz meinte, man müsse so langsam mal, die Wirtschaft und so. Merkwürdig, er sollte eigentlich wissen, dass er gerade von „Rettung“ des BIPs in Höhe von 0,2% spricht? War er bei Blackrock nicht für größere Zusammenhänge verantwortlich? An solche Zahlen arbeiten sich bei uns doch normalerweise Professores ab.

Komischer Tag heute. Genug mit böse, bin ich eigentlich nicht. Oder liegt es an einem anderen Thema, nämlich Brasilien? Könnte sein, denn da schlägt die erste Welle gerade besonders zu. Sie ist aber noch längst nicht auf ihrem Höhepunkt, trotzdem kollabiert das Land gerade. Patienten liegen in Krankenhäusern neben Leichensäcken, Massengräber werden ausgehoben. Der Präsident hat versucht, die Polizeigewalt in den Griff zu bekommen, ein Verfahren gegen ihn läuft. Die Strategie dort war Herdenimmunität, maximal ökonomisch orientiert, die Wirtschaft muss laufen. Berührt mich etwas, weil der Bruder eines Freundes dort ein größeres Hotel betreibt. Wir haben ihm einen Kredit besorgt, den er brauchte, um das Haus schließen zu können. Ja schließen! Ja freiwillig! Er hätte weiter machen können, wie viele seiner Kollegen. Aber er meinte, tote Gäste seien einfach kein nachhaltiges Geschäftsmodell – naja, er hat das weit empathischer ausgedrückt, aber mir ist heute nicht danach.

So ist das nämlich, wenn Covid-19 ran darf. Passiert auch bei uns. Vorgestern eine Siedlung in NRW, gestern eine Schule, heute ein Schlachthof. Siedlung und Schule wurden vorsorglich geschlossen, keine Opfer, der Schlachthof hat es zu spät gemerkt, ein Drittel krank. Das sehen die „Exitiers“ eben genauso wenig wie die Herdenimmunisierer. Die große Statistik von Covid-19 auf 0,5% Tote und davon 80% in Altenheimen zu reduzieren, ist ohnehin nicht nur widerlich, sondern auch noch falsch, wie wir hier immer wieder diskutiert haben. Nein, auch in solchen „Biotopen“ gilt das: Rasend schnell ein Drittel bis zur Hälfte krank, Schule dicht, Heim dicht, Krankenhaus dicht, Fabrik dicht, Firma dicht, Kneipe dicht, Hotel dicht, Kaufhaus dicht. Soll ich fortsetzen? Wie soll das funktionieren, wozu soll das führen, welchen ökonomischen Wert soll das haben?

Dass das bei uns bisher nur Einzelfälle sind, liegt natürlich an dem zurück gekommenen Infiziertenstand und den immerhin noch geltenden Einschränkungen. In Brasilien können sie froh sein, wenn die Grundversorgung nicht zusammenbricht, denn zu meiner Liste oben können auch Kraftwerke, Wasserwerke, Polizei- und Feuerwehrstationen etc. zählen. Covid-19 lähmt nicht globalstatistisch, es legt Einheiten lahm – binnen eines Tages, wenn man sie präventiv schließt, binnen zwei Wochen, wenn man es nicht tut. Dieser Biowelle mit der Arroganz der Kontrolle zu begegnen, setzt einen Krankenstand voraus, bei dem wir nicht sind und es setzt Frühwarnsysteme und Containment-Strategien voraus, die wir noch nicht haben. Wenn man es ohne macht, geht auch die Wirtschaft zugrunde, Chart zu Brasilien anbei.

Es macht mich heute ausnahmsweise mal böse, parallel diese ebenfalls immer härter vorgetragenen Debattenbeiträge zu ertragen, so „Leute wie dieser Herr Specht“ wüssten ja alles besser, hätten aber keine Ahnung über die wirtschaftlichen Folgen. Die mehr oder weniger ausführlichen Beleidigungen sind mir herzlich egal, aber diese Dummheit dahinter, die macht mich böse – denn es führt natürlich dazu, dass wir im Sommer so weit wie im März sind. Das lässt sich doch gar nicht mehr verhindern, denn die Hirn-Quote unter den Entscheidungsträgern scheint auch nicht besser zu sein. Keine Sorge, es wird bei uns nicht zu einer großen Epidemie führen, dem stehen Vernunft, Anstand und eine gesunde Intuition gegenüber. Ich sehe keine große Covid-19 Welle bei uns, sehr wohl aber eine Insolvenzwelle und zwar explizit wegen dieser Dummheit, die die Sache um Monate verlängern wird. Dazu eine Ifo-Statistik anbei.

Damit das verhindert oder zumindest abgemildert werden kann, wünsche ich mir rasch strategisch und strukturell nachhaltige Maßnahmen bei den Scholzmaiers, die sich gerade mit leicht geneigtem Kopf im Fernsehen gedankenschwer zur einer möglicherweise doch etwas schwierigeren Rezession äußern.

Was aber tun sie: Das alte Programm, Schulden mit Schulden bekämpfen, sich schön aus den schwierigen Themen raus halten und mehr Investoren als Firmen retten. Das geht so nicht gut, dafür ist selbst die Druckerpresse zu erschöpflich und es stellt uns am Ende vor ökonomisch noch größere Verwerfungen als wir sie vor Covid-19 schon hatten.

Zwei wichtige Beispiele: Man hat Verbrauchern die Aussetzung von Kreditzahlungen ermöglicht. Dazu mussten diese aber zuerst mit ihren Banken streiten. Nun streitet man bereits hinter den Kulissen, wie man die Verbraucher dafür später zur Kasse bitten kann. Für Mieter wurde der Kündigungsschutz erweitert, so dass man sie nicht so schnell aus dem Vertrag bekommt. Die dürfen nun mit ihren Vermietern streiten, wie man damit umgeht. Dass sie für einbehaltene Miete Verzugszinsen zu zahlen haben, ist bereits klar.

Was soll das? Es ist nicht anders, als im Schulsystem. Unklare Lösung, nichts systematisches, nichts nachhaltiges, das Problem wegdelegiert in den Streit von Millionen Vertragsparteien. Die Zeche werden am Ende die zahlen, die keinen Verband mit Starjuristen um sich haben – Artikel anbei.

Hier zwei Gegenvorschläge: Moratorium im gesamten Finanzsektor für Privatkunden, Soloselbständige, KMUs. Fristentransformation ALLER Kreditverträge um sechs Monate – Verlängerungsoption gleich ins Gesetz. Heißt: Per Gesetz wird kein Kredit aus dieser Gruppe mehr bedient. Nach dem Moratorium läuft der Kredit normal weiter, er verlängert sich um die sechs Monate. Keine Verzugszinsen, keine Zinsen für die Zeit des Moratoriums, in der Tat exakt eine Fristentransformation des gesamten Systems ohne dass es eines Vorsprechens eines einzigen Kundens bedarf.

Kosten? Die Banken haben die Kosten für die Bereitstellung der Kredite in den kommenden sechs Monaten ohne Gegenleistung zu tragen. Die Höhe dieser Kosten hat die EZB festgelegt: Null! Schaden? Die Banken haben für die Dauer des Moratoriums keine Einnahmen aus der Zinsdifferenz zwischen Kosten (=Null) und Ertrag (=Kreditzinsen). Das ist aber kein entgangener Ertrag, sondern ein verschobener. Kann zu Liquiditätsengpässen führen. Wegen der hier in Rede stehenden Kreditvolumina? Nachkommastelle in den EZB-Liquiditätshilfen für den Finanzsektor. Wenn die das von zwei Billionen um ein paar Milliarden erhöhen müssen, ist es viel, zumal bei uns die Banken vor Liquidität platzen, die wissen nicht, wohin damit und zahlen Strafzinsen dafür. Die könnte man ihnen beispielsweise im Gegenzug streichen, dann verdienen die sogar an der Sache.

Zweiter Vorschlag: Stundung aller Mietzahlungen, per Gesetz, keine Ausnahme – Nebenkosten werden weiter gezahlt. Ebenfalls für sechs Monate. Anschließend werden die gestundeten Mieten zu 1/12 Monatsraten nachgezahlt. Kosten? Bei solventen Vermietern der Zinsverlust (nahe Null) sowie langfristig die Abschreibung auf die Nutzungsdauer der Immobilie (bei 30 Jahren gering). Mögliche Schäden? Liquiditätsprobleme bei Vermietern. Daher Gegenfinanzieriung: Vermieter können optieren, ob sie 1/12% Sonderabschreibung für die Dauer der Stundung von der Steuer absetzen können oder ob sie für die Dauer ein zinsloses Darlehen erhalten, das sie aus der später nachgezahlten Miete wieder tilgen. Zu organisieren über die Finanzverwaltung in Form von Steuergutschriften – keine einzige Bank erforderlich.

Kosten und Schäden des Gesamtpakets? Gering. Schuldenstand? Allenfalls sehr kurz durch Liquiditäts-Darlehen der klammen Banken und der Vermieter zu erwarten. Nachkommastelle! Vor allem tilgen sich diese Schulden nach dem Moratorium rasch und definiert – gänzlich anders als diese KFW-Pakete mit der Schuldengießkanne von oben. Organisatorischer Aufwand? Gering. Vermieter, die Liquidität brauchen, verhandeln das mit ihren Finanzämtern. Sonst redet keiner mit keinem. Kein Streit, keine offenen Punkte, keine Unklarheiten.

Nutzen? Maximal, unmittelbare massive Liquiditätshilfe für Haushalte und kleine Unternehmen. Kredite und Mieten sind die Hauptsorgen derzeit. Billiger und effizienter lassen die sich nicht aus der Herde nehmen. Macht die auch nicht klüger, aber vielleicht demütiger, wenn sie wieder zuhause bleiben müssen.

Das ist übrigens die rein wirtschaftliche Bewertung, juristisch ist das vollkommen anders. Eingriffe in Vertragsrechte, Eigentumsrechte etc. Da könnten Scholzmaiers sich mal verdient machen, ist aber harte Arbeit und man kassiert viel Streit!

Abschließend zu den Zahlen: Anbei die Infiziertenverläufe aus verschiedenen Ländern. Wir sehen inzwischen bei den meisten eine Abflachung der Kurve auf ein deutlich zu hohes Niveau. Das heißt: Die Front der Krankenhäuser wird bald Entspannung sehen, das Krankheitsgeschehen aber weiter so stark sein, dass jederzeit ein Neustart der Epidemie passieren kann. Zu den USA der Hinweis: Kann man eigentlich nicht mehr als Land sehen, die Kurve bildet fast nur New York ab, wo das Hauptgeschehen war und ist. Leider bricht Covid-19 aber in immer mehr anderen Ballungsräumen aus, teilweise ist es dort bereits sehr fortgeschritten, teilweise am Anfang. Die Kurve wird daher noch viel länger auf dem Niveau verbleiben und wenn Trump sich mit Lockerungen durchsetzt deutlich heftiger ausbrechen, als es bei uns droht.

Schlimm ist Brasilien, weil es hier keinerlei Trendwechsel gibt. Nicht davon irritieren lassen, dass die Kurve optisch scheinbar flacher verläuft, das ist schlicht „gelogen“, weil die Testkapazitäten dort nicht passen. Wichtig ist zur Bewertung immer die Kombination aus dem Infizierten- und dem Sterbe-Verlauf sowie die Änderung der Kurve in sich. Wenn ich also die Bilder aus Rio sehe und diese Kurve ohne Abflachen muss ich leider sagen: Das wird noch eine ganze Weile schlimmer als es jetzt bereits ist. Ecuador habe ich dazu getan, weil es dort vollkommen unkontrolliert durch Land grassiert, es trifft immer mal wieder größere Besiedlungsbereiche, daher dieser zackige Verlauf. Für uns leider keine gute Nachricht, weil es dort sehr heiß ist – Covid-19 wird durch unser Sommerklima vermutlich nicht wesentlich gebremst.

Soweit mal wieder mit dem Diagonalbericht durch alles Mögliche.

 

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