word-image

CoroNews 04.05.2020

Heute mal viel zu lesen, eher unterdurchschnittlich viel zu schreiben.

Es kommt einiges zusammen, Übersicht wird schwieriger, aber wichtiger. Schon die vielen Ebenen sind komplex ineinander zu bringen. Innenpolitisch passiert derzeit etwas merkwürdiges, wenn man den vielen Echokammern und den Kommentarfeeds hier auf Facebook eine indikativen Charakter geben darf. Die Anzahl der Aluhüte, deren Subforen, das Auftreten, die Lautstärke – es ist binnen weniger Tage geradezu epidemisch. Ich kann das kaum greifen, es kommt so plötzlich und zahlreich, dass ich mich frage, welche Faktoren das gerade jetzt befeuern?

Ich weiß es nicht, aber es macht große Sorge, zumal mit einer Hemmungslosigkeit Verschwörungsthesen oder lächerlicher Irrsinn herumgereicht – und weitergereicht! – werden, die in sich schon so „fantasievoll“ sind, dass man sich fassungslos fragt, wie es sein kann, dass viele mit eigenem Namen und Profil – wovon ich oft mal ausgehe – so unanständig, dumm, verwirrt, irrlichternd und vieles mehr sein können, so was abzusondern.

Kann es gar sein, dass wir rasch die Biergärten öffnen müssen, um unsere Demokratie zu stabilisieren?

Parallel nimmt das Gezänk im föderalen Staat zu. Nun tauchen von Landesministern bis zu lokalen Größen alle möglichen Figuren auf, um sich mit irgendwelchen Öffnungsangeboten gegenseitig zu überbieten. Das ist ein nicht unnormaler politischer Prozess bei uns, aber die Lautstärke ist bedenklich und das Thema erlaubt es keineswegs. Ist das eine Reaktion auf diese Masse an grausamem Unfug, die einem hier begegnet – und was fördert hier was? Ich fürchte, das ist fast egal, weil es nach einem sich aufschauckelnden Prozess aussieht. Das letzte, was wir brauchen!

Ist denn immer noch unklar, dass wir Covid-19 nur mit eiserner Disziplin eingrenzen können, solange es keinen Impfstoff gibt? War das nicht mal eine Tugend dieses Landes? Werfen wir gerade anderen, vor allem in Südeuropa vor, daran gescheitert zu sein? Anbei dazu auch ein paar Berichte aus anderen Ländern, wo Themen wir Kitas oder große Freiheitsgedanken bei weitem keine Rolle spielen. Italien geht jetzt ungefähr auf eine Stufe, die sich bei uns (übertriebenen) (harter) (unzumutbarer) Lockdown nannte.

Diese innenpolitische Debatte macht größte Sorge, denn sie ist ein krasser Kontrast zu allen, aber auch wirklich allen Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen. Schaut man sich das Meckern über Einschränkungen lange erkämpfter Freiheitsrechte oder diese lächerlichen Sachfragen auf der politischen Bühne an, mag man fragen, ob dieses Land als Covid-19 Gegenmittel kollektiv zum Konsum einschlägiger Drogen, Alkoholika oder gleich Sedativa gegriffen hat.

Werdet mal wach, Leute. Es ist Pandemie, da passiert etwas mehr als die Frage von größer oder kleiner 800qm oder der bitteren Pille, den Biergarten immer noch nicht aufsuchen zu können.

Zunächst mal zur Virenfront: Herr Streeck hat geliefert. Alleine wie seine Studie jetzt interpretiert wird, macht mal wieder fassungslos. Von „noch harmloser als gedacht“ (wegen „nur „0,37% Sterberate) bis zu „wir sind ja schon fast durch“ (wegen „schon“ 1,8 Millionen hochgerechte Infizierter in ganz Deutschland) habe ich so gut wie jeden Blödsinn irgendwo gefunden – auch in den Medien. Anbei ein wirklich „braves“ Interview von Streeck, in dem er sich übrigens so gut wie vollständig von seinen PR-Aussagen verabschiedet – wie überraschend. Die Studie bringt uns genau gar nicht weiter. Ebenfalls überraschend. Ob nun 1,8 Millionen, die er hoch rechnet und die ich mal mit Blick auf andere, m.E. diesbezüglich wesentlich komplexere Berechnungen, bezweifle oder eben die 600-800.000, die andere Autoren ermitteln: Es sind halt +/-1% unserer Bevölkerung und das war ja auch das Ziel des Lockdowns. Weshalb man parallel so heftig streitet, ob man „Immunausweise“ ausstellen kann oder soll, wozu die berechtigen – mir fehlt die Vorstellung, was in solchen leeren Hirnen vorgehen mag. Ist das jetzt ein relevanter Punkt?

So ganz nebenbei erwähnt Streeck (neben Karneval, sehr „lustig“), dass auch er in Gangelt wohl keinen Unterschied zum Infektionsgeschehen bei Kindern feststellen konnte. Anbei eine Zusammenfassung der Drosten-Studie dazu. Ferner eine gute Übersicht erster erschreckender Krankheitsbilder bei Kindern. Die sind sehr selten, Gottseidank. Ebenso sterben Menschen selten, ggf. sogar weniger als an einer schweren Influenza. Alles kein Problem … wäre das Mistvieh nicht so fürchterlich schnell, dass man halt einen Millionenfaktor vor „selten“ schreiben muss und dann ist das mit dem Empfinden und dem Wahrnehmen von „selten“ in einer Gesellschaft anders. Gottseidank. Aber bitte vorher!

Das scheint auch bei vielen Ärzten und Medizinern immer noch nicht angekommen, die sich auf solche Quoten zurückziehen und von einer harmlosen Erkrankung schwafeln. Nein, ein Virus, dass 1.000 Mal schneller als Influenza ist und bis in jede Ecke seine Opfer findet, ist nicht harmlos. Von immer noch unklaren, aber ebenfalls zunehmend dokumentierten Folgeschäden mal abgesehen!

So ist es leider auch mit der „Kontrolle“ dieses Formel1-Renners. Wir haben dazu schlicht keinerlei geeignete Instrumente. Es gibt keine pro-aktive Teststrategie, um lokale Ausbrüche frühzeitig zu erkennen. Es gibt keine qualifizierten Tracking- und Tracing-Mechanismen, um individuelle Infektionsketten rasch einzudämmen. Wir stehen vollkommen blind vor einem Infektionsstand von mehreren Zehntausend bekannten und einer Dunkelziffer von Faktor 3-4, oder wenn Streeck recht hat, sogar bis zu 7. Wie soll das gehen? Was kann da anderes passieren, als dass es Heinsberg II irgendwann gibt und vorher halt die bereits heute feststellbaren singulären Ereignisse in Schulen, Firmen, Siedlungen etc.

Was uns ebenfalls fehlt, ist endlich eine offene und ehrliche Debatte über die Regionalität der Entwicklung. Ich kann Menschen an der Ostsee sehr gut verstehen, wenn sie sich vor Ort Infiziertenzahlen von fünf anschauen und dann nicht an den Strand dürfen – nicht mal mit Abstand. Einiges an Unmut im Land ist durchaus berechtigt. Die Zahlen, die ich hier immer nutze, sind national, ich hatte mehrfach erwähnt, dass man damit nur einen Hubschrauber-Blick hat. Wir brauchen aber regional wesentlich bessere und einheitlich zu bewertende Daten. Wenn ich jetzt die politische Diskussion über „R“ höre, frage ich mich, was tun die da?

Die Ausbreitung der Krankheit ist national dermaßen unterschiedlich, dass man über EINE Zahl überhaupt nicht reden kann. Es scheint sich aber niemand zu trauen, Menschen in einem Landkreis in Bayern richtig hart mit einer Ausgangssperre in die Wohnungen zu sperren, während man vielleicht in Ostdeutschland die Strände öffnet. Aber warum nicht? Das wären nämlich tatsächlich Chancen, das Virus dort auszutreten, wo es unkontrollierbar ist und dort, wo es de fakto kaum auftritt, die Menschen nicht mit Beschränkungen zu belästigen, die nachvollziehbar übertrieben sind. Genau so ist es in allen asiatischen Ländern gemacht worden. Auch dazu zwei Studien anbei zu Kontakt- und Reisebeschränkungen in China.

Ich hänge hier ein Bild von einer Seite an, die ich heute entdeckt habe. Kann es nur empfehlen, sie nutzt leider mit starker Verzögerung alte Daten, aber die wissenschaftliche Aufbereitung gefällt mir gut. Zwei wesentliche Thesen: Erstens die regionale Ausbreitung erkennen und dort das Virus mit aller Härte austreten und zweitens als Gesamtstrategie: „Crush the curve“!

Aus meiner Sicht inzwischen die einzig valide Option, ich hatte „Flatten the curve“ anfangs ebenfalls bevorzugt, aber diese Strategie hat zu viele Nachteile: Sie dauert zu lang, sie ist zu teuer, sie ist zu schwer kontrollierbar. Mit unseren „Instrumenten“ geht das schon gar nicht.

Damit zur Wirtschaft: Es gibt erste konkretere Zahlen aus Deutschland. Hotels und Reisebüros melden ca. 11 Milliarden weniger Umsatz. Die Gastronomie kommt teilweise noch dazu. Problem 1: Bis zu 60 Prozent der Unternehmen werden das nicht mehr lange überleben. Problem 2: Das ist Kleingeld! Natürlich können wir es nicht zulassen, so eine Insolvenzwelle zu erzeugen, zumal das überwiegend Betriebe sind, die nach Corona ein sinnvolles Geschäftsmodell haben. Die Zahl 60% muss hier zählen, der volkswirtschaftliche Schaden ist klein. Ein guter Beleg, dass diese Gießkannenrettung aus Berlin dringend enden muss, wir brauchen tiefere und strukturellere Eingriffe, dringend!!

So geht das nicht weiter, denn: Die Autobranche weiß noch gar nicht, wie schlimm es wird, der Branchenindex ist von -13 auf -85 zusammengebrochen. Dahinter stehen nun primär Unternehmen, die in den letzten Jahrzehnten mit Milliardengewinnen Substanz aufgebaut haben und sehr lange durchhalten können. Aber der Sektor macht mindestens 30 Prozent unserer Volkswirtschaft aus – und das ist ein Sektor, der eben kein wirklich gesundes Geschäftsmodell für die Zeit nach Corona hat.

Ferner: Dieser Einbruch hat selbstverständlich mit unserem Lockdown nur am Rande zu tun, der Deutsche Automarkt ist zwar recht groß, aber auch international kompetitiv, hier sind viele im Wettbewerb und es wird nicht besonders gut verdient. Das Geld verdienen die Deutschen Autobauer und mit ihnen die gigantische Zulieferindustrie in China, den USA und zunehmend in Schwellenländern. Woran aber arbeitet sich unser Führungspersonal im Kleinkrieg mit den Lobbyfuzzys aus den Verbänden ab: Man könnte doch mal wieder eine Abwrackprämie machen. Das passt zu Faxsendungen bei Covid-19 Fällen. Die Autoindustrie war schon vor Covid-19 unser Sorgenkind, jetzt ist sie uns auf die Füße gefallen. Sie braucht Akuthilfe UND ein neues Geschäftsmodell.

Ganz so irrlichternd sind die klügeren Leute in den Unternehmen nicht. Vom BASF-Chef heute ein Beitrag, in dem er auf die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes – wie es altdeutsch heißt – in Deutschland hinweist und mahnt, man brauche bessere Vorgaben sowie Strategien, um Produktionsstätten sicherer zu machen. Ich will das etwas deutlicher sagen: Traditionell wird in Deutschland das Geld in der Fabrik verdient und im Biergarten ausgegeben. Was wir aktuell diskutieren würde nicht mal zum konsumorientierten Geschäftsmodell in den USA passen.

Schaut man auch hier mal über den eigene Vorgarten: Apple, Google, Microsoft, Amazon: Bauen alle eigene Labore für eigene Teststrategien auf, kaufen Schutzkleidung, erarbeiten Hygienekonzepte für sicheren Betrieb, errichten eigene Schulen und Kitas für die Kinder ihrer Mitarbeiter, damit die in Ruhe zur Arbeit können, weiten Homeoffice noch weiter aus. Gemeinsame Strategie: Was unsere Präsident macht, was Covid-19 macht, wird unsere Agenda nicht tangieren. Die stellen Ärzte und Lehrer ein, die würden auch keine Sekunde zögern, eigene Krankenhäuser aufzustellen. Die Auslese hat begonnen!

Sehe ich irgendeinen Europäer oder gar Deutschen Politiker auf der Weltbühne? Sehe ich einen, der sowohl dem Volk hier als auch woanders signalisiert: Lasst uns das Virus gemeinsam austreten, lasst uns koordiniert die Welt wieder in Gang bringen, lasst uns über die Finanzierung des Plans sprechen und dann schrittweise gemeinsam alles wieder ans Laufen bringen, soweit wir es vor einem Impfstoff tun können?

Denn: Es passieren auch ganz andere Dinge. Der US-Präsident stichelt gegen die Chinesen, er muss mit seinem eigenen Versagen irgendwo hin. Wird ihm medial vielleicht mal wieder gelingen. China findet das nicht so witzig, reagiert gereizt. Covid-19 war eine Chance, diese Handelsstreitigkeiten los zu werden – sieht aber nicht gut aus, eine Vermittlerrolle wäre vielleicht gar nicht so verkehrt, vor allem aus europäischer Sicht. Gut oder böse gibt es da ohnehin nicht, denn China greift mit militärischen Mitteln gegen Nachbarländer durch, um im Südchinesischen Meer seine Macht auszubauen. Mehr oder weniger offen erpressen sie die Australier und wollen dort im Rahmen der Krise ihren ohnehin bereits starken Einfluss ausbauen. Was sie in Afrika und Südamerika tun – warten wir´s ab, denn: Die kümmern sich um mehr als ihre Biergärten.

Heute andere Zahlen, anbei das Chart von „endcoronavirus.org“, der Name ist Programm. Auf der Seite wird sehr gut dokumentiert, wie und wie vielen Ländern „Cursh the curve“ gelungen ist, Neuseeland, mein Beispiel von vorgestern, war nur eines.

Die Seite ist unten verlinkt, ebenso diverse Leseempfehlungen – sogar mein Bierdeckel von heute Morgen verdient Aufmerksamkeit, wie immer wegen der Kommentare darunter.

 

Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge