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CoroNews 18.05.2020

Heute mal wieder ein paar gesammelte Nachrichten von der Viren- und Wirtschaftsfront.

Zunächst eine Neuigkeit in Sachen Impfstoff: Die Börsen feiern heute enthusiastisch die Meldung des Impfstoff-Spezialisten Moderna, der bereits an acht Menschen eine erste erfolgreiche klinische Erprobung durchgeführt hat. Der Firmenchef rechnet um den Jahreswechsel mit der Verfügbarkeit. Ich kann das nicht einschätzen, die Börsen können es eigentlich auch nicht, aber es ist nun eine Meldung mehr mit diesem Termin und das ist doch eine gute Nachricht. Zudem eine, die uns mahnen sollte, bis dahin nicht allen möglichen Unfug zu machen. https://www.nytimes.com/2020/05/18/health/coronavirus-vaccine-moderna.html?action=click&module=Spotlight&pgtype=Homepage

Zum föderalen Flickenteppich: In Sachsen sollte bekanntlich besonders mutig mit Schülern verfahren werden. Dem hat nun wieder wie in Hessen ein Gericht Einhalt geboten. Eltern, die das nicht mittragen wollen, haben sich vor Gericht durchgesetzt. https://www.spiegel.de/panorama/bildung/sachsen-fuer-grundschueler-ist-der-unterrichtsbesuch-freiwillig-a-cbdeb351-8560-410e-87b0-f49d3f7c7808

Zur extrem aggressiven Ausbreitung von Covid-19: Eine Darstellung aus der New York Times über die möglicherweise regional bestehende Gefahr von Überlastungen der Krankenhäuser zeigt sehr eindringlich, wie Covid-19 sich durch ein ganzes Land fressen kann, wenn man es nicht regional eingrenzen kann. In Asien ist mir kein Land bekannt, das ohne Reisebeschränkungen und harte regionale Abgrenzungen in der Epidemie-Bekämpfung unterwegs ist. In Europa und in Nordamerika wurden nur Außengrenzen geschlossen. Dabei wäre es viel effektiver und für die Wirtschaft eines Landes weniger schädlich, wenn man zu regional unterschiedlichen Maßnahmen käme – was aber auch Reisebeschränkungen voraussetzt. Daran scheinen sich auch die föderalen Lenker in Deutschland nicht zu trauen?

Dass die Sache keineswegs vorbei ist, sondern eine zweite Welle bevorsteht, bezweifelt in der Wissenschaft niemand. Es mehren sich die Stimmen, dass diese eher für den Herbst erwartet wird – so drückt sich heute auch Hans Kluge, WHO-Direktor für Europa aus. Man geht mehrheitlich davon aus, dass es über den Sommer wegen der eher seltenen Kontakte in geschlossenen Räumen möglicherweise gelingen kann, das Geschehen in einem Seitwärtstrend einigermaßen stabil zu halten. Die große Gefahr besteht dann aber darin, dass eine Kombination aus Sorglosigkeit der Bevölkerung und ein immer noch sehr hoher Infektionsstand im Herbst zu einer Welle führt, die deutlich höher als die erste ist. Daher mahnt Kluge zurecht, die Zeit jetzt endlich zu nutzen, um sich besser vorzubereiten. Das sollten wir auch in Deutschland zur Kenntnis nehmen, denn von den Plänen zu Beginn des Lockdowns – Digitalisierung des Meldewesens, Tracking- und Tracing-App, strategische pro-aktive Testszenarien, Früherkennungsmechanismen etc. – ist nichts mehr zu hören. An der Front dürfen wir keine Sekunde locker werden, denn bis zu einem Impfstoff ist es noch ein Weg!

Wie schnell Covid-19 seinen Weg findet, wenn es einmal in ein „Ökosystem“ eindringt, vor allem in geschlossenen Räumen, zeigen weitere Fälle in einem Fleischbetrieb sowie die Aufarbeitung des Falls bei DPD in Heinsberg. Dort werden inzwischen 80 Fälle gemeldet, vorgestern waren es 40. Ob inzwischen alle Mitarbeiter durchgetestet sind, ist noch nicht bekannt. Die Untersuchungen des weiteren Umfelds laufen. Aus Süd Korea kommen ebenfalls regelmäßig sehr gute Untersuchungen, vor einigen Tagen hatte ich eine Studie über ein Call Center gepostet, nun kam eine aus einem Fitness Club.

Man sieht an diesen Beispielen, weshalb viele Menschen Covid-19 leider falsch einschätzen: Viele haben damit gerade aufgrund unserer Maßnahmen gar nichts zu tun, aber dort, wo das Virus eindringt, befällt es in wenigen Tagen einen relevanten Teil der Menschen. Die Folgeerkrankungen in deren Familien und weiterem Umfeld sind in diesen Studien gar nicht erfassbar gewesen – darüber kann man nur spekulieren.

Ausbreitung in den USA: https://www.nytimes.com/interactive/2020/05/18/us/coronavirus-underlying-conditions.html?action=click&module=Spotlight&pgtype=Homepage
Drohende zweite Welle in Europa: https://www.telegraph.co.uk/news/2020/05/18/second-wave-winter-coronavirus-europe-uk/
Eine Fleischfabrik mehr: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Corona-Fleischfabrik-in-Dissen-wohl-14-Tage-dicht,schlachthof546.html
DPD-Fortsetzung: https://rp-online.de/nrw/staedte/hueckelhoven/corona-krise-in-heinsberg-dpd-verschaerft-hygiene-massnahmen-80-corona-infizierte_aid-51198539
Covid-19 und Fitness: https://wwwnc.cdc.gov/eid/article/26/8/20-0633_article?fbclid=IwAR0rgivwKzhNDIUqrm76Z79I7BLGyQSQZ4oLx2WaVB5nKyYFuxwkgG22Nhw

Zur Wirtschaft: Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel ist derzeit eine gut Quelle, weil man dort wie der Name es sagt besser in der Lage ist, die eigentlichen ökonomischen Probleme von Covid-19 trefflich zu untersuchen. Gabriel Felbermayr beschäftigt sich mit dem Welthandel und hat bereits einige gute Studien entwickelt. Die Forschung von Stefan Kooths ist aber momentan sogar eher bedeutsam, er beschäftigt sich mit Konjunkturprognosen. Heute lässt er sich zitieren mit dem Satz: „Deutschland wird aus der Krise deutlich geschwächt hervorgehen“. Er hatte für das erste Quartal einen BIP-Rückgang von -2,4% erwartet (es sind -2,2% geworden), für das zweite Quartal rechnet er nun mit -10% und zugleich mit dem Tiefpunkt der Krise. Ersteres halte ich für eine recht gute Einschätzung, letzteres ist mir leider viel zu optimistisch.
Denn: Er macht vollkommen zurecht die Lage auf den Weltmärkten als Hauptproblem aus („Der deutschen Wirtschaft wird dabei nicht zuletzt die weltweite Investitionsschwäche zu schaffen machen“) und hier vor allem die Situation in den USA. Das ist aber bereits etwas verkürzt, denn der Hautabsatzmarkt Deutschlands ist nicht die USA, sondern die EU. Das wird leider oft übersehen, weil die Handelspartner meist nach einzelnen Ländern aufgeschlüsselt werden. In diesen Aufstellungen liegt die USA als wichtigster Absatzmarkt Deutschlands immer noch vor China gefolgt von den EU-Staaten. Nimmt man die aber als einen Markt zusammen – wozu es gute Gründe gibt -, so liegt die EU deutlich vorne.

Schaue ich nun aber auf die aktuellen Lockdowns in den USA und in den größeren Ländern der EU sowie die anstehende zweite Welle von Covid-19, auf die man sich eher mit Lockerungsmaßnahmen vorbereitet, denn mit strategisch besseren Konzepten, so glaube ich leider nicht an den Tiefpunkt. Dazu müssten Europäer und Nordamerikaner recht bald nachweisen, dass sie mit der Epidemie so umgehen können, wie es die Asiaten schaffen. Zudem machen die wirtschaftlichen Daten aus diesen Absatzmärkten kaum Hoffnung. In Brüssel herrscht wohl so etwas wie Agonie, erklärbar aus der Situation in den Mitgliedsländern, die mit sich selbst beschäftigt sind. Prognosen über die Wirtschaftsleistung in Südeuropa und Frankreich sind kaum möglich, dort wird gerade eher mit der Frage gerungen, ob man sich irgendwelche Lockerungen leisten kann – leider zurecht!

In den USA sieht es deutlich schlimmer aus, obwohl dort keinesfalls flächendeckend ein Lockdown herrscht und die Maßnahmen zudem in betroffenen Regionen teilweise wesentlich lockerer als in Südeuropa waren. Daran erkennt man, dass diese Pandemie die Wirtschaft immer lähmt, egal, wie stark der Staat dies regelt. Der Fed-Vorsitzende Powell schockierte gestern Abend mit der Einschätzung eines BIP-Einbruchs in den USA im zweiten Quartal von -30%!! Die USA sind aufgrund der enorm starken Konsumabhängigkeit ihres Wirtschaftsmodells so stark betroffen. Aber deren Markt ist halt auch für die Deutsche Industrie sehr wichtig, daher betrifft dieser Einbruch uns unmittelbar. Die Stützungsmaßnahmen in den USA sind die bekannten: Powell druckt in nie gekanntem Ausmaß frisches Geld und pumpt das überwiegend in die Kapitalmärkte, in der Hoffnung, damit die Realwirtschaft zu stützen. Dass er diesem Instrument schon fast Allmacht zuspricht, drückt er durch die vergleichsweise moderate Kommentierung seiner Prognose aus: Das sei schon schlimm, das sei auch schlimmer als in den 30ern, aber das werde nicht sehr lange dauern.

Na denn. Ein anderer aus den USA, dem ich mehr Weitblick zutraue und der zudem auch nicht Geld druckt, sondern sein eigenes und das seiner Kunden verwaltet, liquidiert momentan nach seinen Beteiligungen an Fluggesellschaften nun auch im Finanzsektor eine größere: Warren Buffett hat fast die gesamte Beteiligung an Goldman Sachs veräußert. Das ist ein ziemlich hartes Signal, denn 2008 gehörte er noch zu den Stützen und Aufkäufern von Bankaktien. Dass er in dem Sektor nun ausgerechnet die Goldmänner versilbert, ist ein denkwürdiges Signal. Er rechnet wohl mit einer großen Pleitewelle in den USA und dieses Mal damit, dass die Banken nicht so leicht davon kommen. Wenn das passiert, dürfte die zeitliche Prognose von Powell ziemlich daneben liegen. Eine lahme Wirtschaft nach einem Lockdown wieder mit viel gedrucktem Geld in Konsumstimmung zu versetzen, mag noch funktionieren. Aber Schadenwellen aus Primärinsolvenzen und Folgeinsolvenzen, gar von Bankschieflagen begleitet – das ist hart und das dauert. Geld zu drucken und in die Kapitalmärkte zu kippen, führt dann leider eher zu weiteren Fehlentwicklungen als zur Heilung kaputter Strukturen.

Mein Fazit: Wenn die Geld- und Wirtschaftspolitik nicht sehr bald global zu strukturellen Gegenmaßnahmen kommt, sondern nur jede Notenbank für sich die jeweiligen Märkte mit frischem Geld flutet, wird die eigentliche Wirtschaftskrise keinesfalls in 2020 ihren Tiefpunkt erreichen. Dann wird 2020 das Jahr des Primärschadens und in 2021 der eigentliche Beginn zu sehen sein. By the way: Was wir hier jetzt lockern oder nicht lockern, hat auf dieses Geschehen ganz genau Null Komma Null Einfluss.

Kooths Kommentar: https://nachrichten.idw-online.de/2020/05/15/kommentar-bip-deutschland-wird-aus-der-krise-deutlich-geschwaecht-hervorgehen/
Powells nicht so schlimme -30%: https://www.cnbc.com/2020/05/17/powell-says-jobless-rate-could-top-30percent-but-he-doesnt-see-another-depression.html
Buffett und die Goldmänner: https://www.faz.net/aktuell/finanzen/warren-buffett-zieht-geld-ab-bye-bye-goldman-sachs-16772912.html
Die FAZ zu all dem: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/konjunktur/konjunktur-der-motor-der-weltwirtschaft-stottert-16775526.html

Zu den Covid-19 Daten: Heute mal ein Chart der Covid-19 Tagesdaten über sieben Tage statistisch geglättet, damit Einzeleffekte nicht durchschlagen. Zudem sind die Kurven nicht normiert auf den jeweiligen Beginn der Epidemie, sondern im zeitlichen Versatz dargestellt. Zu beachten ist, dass die Daten aus Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland mit sehr unterschiedlichen Dunkelziffern versehen sind. Die Daten der anderen Länder sind also tatsächlich wesentlich höher als unsere. Dennoch lassen sich die gemeinsamen Trends gut erkennen. Man sieht sehr eindrucksvoll, dass die Epidemie zunächst in Italien, dann in Spanien und danach fast zeitgleich in Frankreich und Deutschland anzog. Was man leider auch sieht: Auf einem Niveau, das wir jetzt gerade erst mühsam erreicht haben, ging es im März ersr richtig steil nach oben. Ebenfalls sieht man, wie zäh es danach zurück ging – deutlich langsamer als der Aufstieg vorher.

Es ist leider so, dass wir auf einem immer noch gefährlich hohen Niveau sind. Nun wird sich das nicht so wiederholen wie zu Beginn, denn es ist nun wärmer, die Menschen sind nicht so oft in geschlossenen Räumen, viele Dinge sind weiterhin verboten, es gelten Hygienemaßnahmen, die Mehrheit ist vorsichtiger. Die Voraussetzungen sind also vollkommen anders. Ob das reicht für einen Seitwärtstrend oder ob wir regional wieder solche Entwicklungen sehen müssen? Wir können es nur abwarten. Für den Herbst ist aber klar: Wenn das Leben wieder in Innenräumen stattfinden soll, brauchen wir bessere Gegenmittel, sonst wird das ein harter Winter!

 

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