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BIP-Prognose des IfW

Das IfW rechnet aktuell in Folge der Corona-Krise für das Gesamtjahr 2020 mit einem Rückgang des BIP von -6,8%, in absoluten Zahlen heißt das: 110 Milliarden weniger. Da wir aber anspruchsvoll rechnen wollen, denn stetiges mehr vom Mehr, viel hilft viel und es darf nichts ausbleiben, rechnen die Ökonomen natürlich einer anspruchsvollen Gesellschaft folgend, dass die Wirtschaft ohne dieses lästige Virus gewachsen wäre, der Verlust also um entgangenen Zuwachs zu erhöhen sei. So kommt man dann auf 390 Milliarden „Schaden“. Der Spiegel plappert diese Zahlen so runter und schreibt Begriffe wie „Einkommen“ dazu.

Aus meiner Sicht sind die -6,8% zu früh gerechnet, denn die Krise ist allenfalls am Anfang, die wirtschaftlichen Folgen sind noch nicht absehbar und das Ding ist erst durch, wenn es überall auf der Welt im Griff ist – mit der Folge, dass sich die Weltmärkte wieder normalisieren. Dass die Exportverluste hier nicht berücksichtigt werden, finde ich für das IfW, das gerade in dem Bereich zu den kompetenten Instituten zählt, irritierend.

Die Hinzurechnung von entgangenem Wachstum ist für mich ein wenig eklig, wenn ich es ehrlich ausdrücken darf. Wollen wir nicht lieber demütig dankbar sein, dass wir in erkennbarem Unterschied zu historischen Epidemien das ganz große Sterben und die Verelendung großer Teile der Bevölkerung vermeiden können – statt jetzt auch noch über entgangene Mehrung zu lamentieren? Nein, es ist sogar widerlich, so zu rechnen und das so wiederzugeben!

Der entscheidende Punkt ist aber sogar einer hinter diesen Zahlen: Was der Spiegel hier „Einkommen“ nennt, ist Umsatz, also inländische Einnahmen für Waren und Dienstleistungen jeglicher Art. Welcher Einkommensverlust dahinter steht, ist kaum abzuschätzen, aber er ist natürlich deutlich geringer. Wir sprechen für 2020 demnach von einem Betrag, der – wenn man diese -6,8% mal nimmt – sicher deutlich unter 100 Milliarden liegt. Rechnet man alle staatlichen Rettungsmaßnahmen von EZB, EU, Bund, Ländern und Gemeinden zusammen, wird auf Deutschland wohl ein Betrag von 750 Milliarden bis zu 1 Billion entfallen. Der gar nicht so seltene Faktor 10 zeichnet sich ab.

Diese fürchterliche Ineffizienz ist teilweise der Tatsache geschuldet, wie Staaten Rettungspakete organisieren: Statt Umstrukturierungen oder – was hier ganz besonders naheliegend wäre – Moratorien zu finanzieren, versucht man lieber mit der Gießkanne einfach das bestehende Rad weiter zu drehen – am besten sogar, zu beschleunigen. Seitdem man erkannt hat, dass Notenbanken wunderbar kostenlose Gelder in Märkte pumpen können, ist das nicht besser geworden.

Dahinter steht aber eine tiefere Ursache: Das Prinzip „viel hilft viel“ und „etwas mehr muss schon sein“ als Grundwerte einer Gesellschafts- und damit Ökonomie-Ordnung führt genau zu solchen Exzessen. Dieses kleine Rechenexempel eines führenden Instituts und dessen seelen- sowie geistlose Replikation durch eine eher gehobene journalistische Quelle ist als Symptom einer gesellschaftlichen Grunderkrankung zu sehen, die durch Covid-19 noch sichtbarer wird, als bei der letzten Finanzkrise.

Darin liegt der unfreiwillige Wert dieses „Beitrags“.

https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/corona-krise-kostet-die-deutschen-390-milliarden-euro-a-b20ffe25-bdd7-4ad7-b7c9-2c5e426147b1?fbclid=IwAR32h_HXfddhyvyhSTin9qPSTd0dadOmJn74oE5v-WwlHeHEbdznnHTtf14

 

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