word-image

CoroNews 29.07.2020

Das sieht wirklich nicht gut aus: Die Kurve von Spanien ist ein absolut eindeutiges Signal und von dort kommen nun viele Rückkehrer nach Deutschland. Die Reisewarnung kommt zu spät und sie ist regional auch zu unpräzise. Einmal mehr zeigt sich, dass man bei einer Epidemie proaktiv agieren muss. Sobald man Fehler in solchen geglätteten Durchschnittskurven erkennt, ist der weitere Anstieg zunächst nicht mehr zu vermeiden – mit allen sonstigen Folgen, denn wir schauen hier auf das Infektionsgeschehen von vor ein bis zwei Wochen!

Bedenklich stimmt, dass auch die Kurve Italiens nun leicht reagiert. Hoffentlich ist dort nicht bereits etwas im Gange, das wir erst in einer oder gar zwei Wochen sehen. Nachrichten aus weiteren Urlaubsregionen wie Österreich oder Kroatien sind nicht besser, auch hier gilt: Was heute bereits passiert, sehen wir erst sehr spät in den Kurven und dann erst kommen auch die Reisewarnungen. Die sind quasi der amtliche Stempel, dass vorher etwas passiert ist, das man hinterher eigentlich nicht haben will und mit dem man nun was genau tun will?

Vollkommen unklar ist übrigens, ob Urlauber das Virus in diese Regionen eingeschleppt, dort fleißig vermehrt haben und es nun wieder in Europa verteilen oder ob es – wie ab Dezember – eine lokale Entwicklung in diesen Ländern ist. Das lässt sich aber in Labortests von Virussequenzen meist recht gut eingrenzen. Das ist im März passiert, als es aus Italien das Gerücht gab, das Virus sei über den Fall Webasto aus München eingeschleppt worden. Man konnte hingegen feststellen, dass es direkt aus China kam. Ich vermute sehr, dass mehrere Länder nun erneut der Sache nachgehen, das werden zu viele wissen wollen. Eine absolut vermeidbare Situation, die Europa keineswegs hilft.

Der kurze Ausbruch der deutschen Zahlen durch den Fall Tönnies konnte wohl tatsächlich eingedämmt werden. Die These, dass die dort Infizierten kaum relevanten Kontakt zur allgemeinen Bevölkerung hatten, scheint sich zu bestätigen. Das darf man aber als Glück bezeichnen – eine Bestätigung wirksamer Maßnahmen lässt sich daraus nur bei besonderem Wohlwollen ableiten. Ob nun das Glück erneut zur Seite steht?

Denn: Die Kurve Deutschlands kann tatsächlich bisher nicht massgeblich durch Urlaubsrückkehrer beeinflusst sein, so parallel läuft das nicht. Das ist aber leider ein ganz schlechtes Signal, denn offensichtlich ist das Virus auch im Land bereits wieder aktiver. Die Rückkehrer und das anstehende Ferienende mit Schul- und Arbeitsbeginn kommen also hinzu.

Ich hoffe sehr, dass die Rückkehrer sich im Unterschied zum März in wesentlich geringer infizierten Umfeldern aufgehalten haben. Vieles spricht dafür. Ferner ist zu hoffen, dass von vielen Landräten angekündigte Tests sowie Quarantänemaßnahmen nun besser funktionieren. Dafür spricht bereits weniger. Dass die Menschen sich nach ihrer Rückkehr verantwortungsvoller verhalten, vermag ich hingegen nicht zu hoffen. Dafür spricht eher nichts.

Dennoch ist ein so steiler Anstieg wie im März nicht zu befürchten. Zu der Zeit kamen die Urlauber aus Regionen, in denen bereits Millionen Menschen infiziert waren. Selbst wenn wir nun wieder ähnliche Zahlen sehen, ist nach meiner Einschätzung die Dunkelziffer geringer. Im März/April ist in fast ganz Europa, auch bei uns, die Testkapazität erschöpft gewesen und die Teststrategie quasi zusammengebrochen. Der Ausbau der Kapazitäten konnte der Verbreitung nirgendwo folgen – was Verschwörungstheoretiker bis heute nicht erkennen wollen.

Insofern rechne ich nicht mit einer tatsächlichen Welle in vergleichbarem Maße – jetzt jedenfalls nicht. Aber es ist wohl kaum noch vermeidbar, dass wir nun recht bald wieder Zahlen sehen, die laut vereinbarter Grenzwerte nicht mehr singulär, sondern in größerer Breite Gegenmaßnahmen erzwingen müssten. Und das in einer Phase, in der die wirtschaftlich wirklich wichtigen Arbeitsprozesse sowie das eigentlich doch wohl relevante Alltagsleben wieder beginnen soll(t)en.

Die spannende Frage ist daher, wie die Politik und die Gesellschaft darauf reagieren werden. Ich habe keine Antwort darauf. Warten wir ab, bis es wieder zu einem Anstieg der Sterbezahlen kommt, ändern wir also die Strategie von Infektionszahlen auf Sterbezahlen? Das hieße natürlich, der Epidemie mit noch mehr Latenz hinterher zu laufen und wäre für den Herbst eine fatale Strategie. Dann kommen wir um einen größeren Lockdown im Herbst kaum herum!

Oder begreift die Politik, dass das Experiment Urlaub teuer geworden ist und steuert jetzt gegen? Aber wie? Durch eine Modifikation der „Normalitätsstrategie“ beispielsweise bei den Schulen? Durch härtere Verfolgung der momentan im Land – und vermutlich auch in den Urlaubsregionen – massgeblichen größeren Freizeitgruppen? Das RKI nannte private Veranstaltungen und Feierlichkeiten, es gibt also wohl die Vermutung, dass sich die Unverantwortlichkeit Vieler aus dem öffentlich geregelten Raum der Gastronomie in andere Umfelder verzogen hat. Wie kann man das in den Griff bekommen und wie kann man die Kapazitäten für pro-aktive Testung nutzen, um dann – wie? – Quarantäne wirksamer durchzusetzen?

Fragen über Fragen, die letztlich darauf abzielen, wie die Eindämmung der Epidemie im Geltungsbereich von Ländern, Landräten und örtlichen Gesundheitsämtern funktionieren soll.

Angeblich haben die Länder darauf Antworten, die Ministerpräsidenten hatten diese Regelung durchgesetzt, sie sprachen von Kontrollierbarkeit und funktionsfähigen Teams vor Ort.

Ich bin auf deren Antworten nun sehr gespannt.

 

Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge