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Covid-19 und die Wirtschaft

Es gibt ganze Lehrbücher über die verheerenden wirtschaftlichen Folgen opportunistischer Politik, aber die liest wohl keiner. Was derzeit in der Touristik-, Freizeit- und Reiseindustrie an Flurschaden produziert wird, ist noch gar nicht abzusehen. Täter sind Opportunisten aus allen Lagern: Politik, diese beeinflussende kurzsichtige Unternehmer und nicht zuletzt auch Teile der Bevölkerung, mit denen ich in den letzten Tagen hier teilweise schon bizarre Diskussionen über meine letzte Notiz führen musste.

Zu Beginn der „Lockerungsdiskussionen“ hatte ich geschrieben, dass wir keinesfalls in einen on/off-Kurs geraten dürfen, weil der einen viel größeren wirtschaftlichen Schaden erzeugen wird, als der Lockdown selbst. Als der Chef-Opportunist Lindner dann ausgerechnet den Sommerurlaub ermöglichen wollte, war ich wirklich sprachlos: Ausgerechnet dieses Projekt mit dem Austausch hunderttausender Menschen in ganz Europa? Ausgerechnet eines der epidemiologisch komplexesten Projekte als eines der ersten? Das Projekt, dem wir die Ausbreitung im März verdanken? Als dann Laschet und andere schnell auf diesen Irrsinn eingingen, war klar, was kommen wird.

Nota bene: Man kann Urlaub ermöglichen, gerne auch grenzüberschreitend. Man kann Urlaub und Freizeit passend zu einer Epidemie gestalten. Gerne auch grenzüberschreitend. Aber nicht als Normalbetrieb!

Was wir jetzt sehen, droht zu einem kompletten Desaster zu werden. Erste Urlaubsregionen werden zum Risikogebiet erklärt, erste Hotspots melden Massenausbrüche und verhängen lokal Schließungen. Regierungen rätseln über Quarantänepflichten für Rückkehrer, jede entscheidet das anders, jede zu einem anderen Zeitpunkt. Reisen per Zug, PKW oder Flugzeug – alles anders, alles täglich neu. Es ist nichts, aber auch gar nichts in Europa abgestimmt. Sowohl die Maßnahmen vor Ort, als auch die Reaktionen auf mögliche Ausbrüche: Einzige gemeinsame Regelung: Keine!

In Urlaubsländern droht nun der Konflikt zwischen Einheimischen und Urlaubern, zwischen solchen, die am Tourismus hängen und solchen, die darunter leiden. In Heimatländern droht der Konflikt zwischen Rückkehrern und daheim gebliebenen. Das hatten wir im März alles schon mal und es ist ein Skandal, wie Europas Politiker den Kontinent in dieses Chaos ein weiteres Mal treiben konnten.

In der Volkswirtschaft wird bereits im 1. Semester als Ordnungsprinzip für unser marktwirtschaftliches System gelehrt, dass der Staat die Rolle trägt, die Rahmenbedingungen zu setzen. Ich würde die Herren Laschlindner&Co da gerne mal sehen, bevor sie sich gar erdreisten, noch höhere Positionen anzustreben, als die, in denen sie bereits dilettieren.

Aus meiner Sicht ist es kaum noch vermeidbar, dass diese Urlaubssaison ein schädliches Chaos auslöst. Von Ein-, Aus- und Rückreisebestimmungen über Reisestornierungen bis zu Erstattungsansprüchen ist rein gar nichts geregelt. Das wird wie im März ein munteres Spiel, jeder Reisende wird sich aktuell informieren müssen, wo es gerade irgendwelche Probleme gibt, ob eine Reise noch möglich oder eine vorzeitige Rückkehr angezeigt ist. In den kommenden Wochen folgt dann der Blick auf die Epidemiekurven und die Diskussion, wo das alles wohl herkommt. Was für ein überflüssiges Desaster!

Nun weiß ich, was viele mal wieder denken: Die Wirtschaft, wir mussten doch und so weiter. Das ist falsch! Es ist für die Reiseindustrie aus Gründen der Planung, Ressourcenbereitstellung, Auslastungsoptimierung und nicht zuletzt der Finanzierung existentiell wichtig, dass ein Großteil der Reisen mit erheblichem Vorlauf verbindlich gebucht wird. Sonst lässt sich ein größeres Hotel, ein Flugzeug, ein Schiff oder ein Reisekonzern nicht betreiben. Wenn kurzsichtige Politik dieses Buchungsvertrauen der Reisenden nachhaltig schädigt, bekommt die Industrie ein viel größeres und nachhaltigeres Problem als wenn eine Saison mal auf Sparflamme läuft.

Es ist wie mit den Schulen, man sieht es gerade im Norden der USA, wo das mühsam, aber provisorisch anläuft, ein Flickenteppich ist und dauernd zusammenbricht: So kann keiner planen, so können Eltern nicht geregelt arbeiten gehen und Unternehmen nicht den Einsatz ihrer Mitarbeiter organisieren. Das droht auch bei uns – und es ist genau so eine schädliche on/off Sache, die alles nur noch verschlimmert.

Eine Krise lässt sich nicht einfach bunt anmalen, ignorieren und durch opportunistische, aber inhaltsleere Sprüche im Normalbetrieb durchstehen. Mit dem Kopf durch die Wand ist nicht nur dumm, es maximiert den Schaden. Was auch immer die Politik und deren Einflussnehmer tun: Nur, was nachhaltig funktioniert, hilft sowohl der Wirtschaft als auch der Gesundheit.

Ein Lockdown ist einfach, ihn aufzulösen schwierig und ein strategischer Weg durch die komplette Krise komplex. Wer das einfach mal ignoriert, erzeugt nur noch mehr Schaden.

 

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