herd of bulls

Feldstudien zeigen Irrsinn der Herdenimmunität

Als vor der Streeck-Studie die PR-Maschine los ging, man müsse doch endlich mal Klarheit im Feld erreichen, sind dem Viele gefolgt. Was war das für ein Hype. Noch in der letzten Woche begegneten mir Leute in Diskussionen, die nun auf die RKI-Studie hinwiesen, weil es doch ach so wichtig sei, endlich Licht in die Sache zu bekommen.

Nun, das Licht ist längst da, die vielen weltweiten Daten seit Beginn der Pandemie genügen für die Helikopter-Bewertung schon längst. Daher konnte ich weder in der Streeck-, noch in der jetzt vorgelegten RKI-Studie sensationell neues lesen.

Allenfalls die Höhe der Dunkelziffer mag noch spannend sein. Die wurde hier mit ca. 4 ermittelt. Aber störend sind die vielen Fälle, bei denen keine Antikörper mehr messbar sind – knapp ein Drittel. Das erlaubt die Vermutung, dass die insgesamt festgestellten Infektionen ebenfalls zu niedrig sind. Rechnet man das hoch, kommt man auf Faktor 5 bei der Dunkelziffer – und bingo, das ist der untere Wert, der sich aus den Daten recht gut ableiten lässt: Ich hatte dazu im April einige Modelle zitiert und mit eigenen Berechnungen zusammengefasst. Ergebnis dieser Zusammenfassung für Deutschland: Faktor 5 bis 7 bei der Dunkelziffer.

Nun müssen diese RKI-Daten auch wieder auf das Land hochgerechnet werden – mit entsprechenden Korridoren, die letztlich auch die Dunkelziffer betreffen.

Das Ergebnis bleibt aber erneut im Rahmen des bereits bekannten: Auch in Deutschland haben sich binnen vier bis sechs Wochen zwischen 1,1 und 1,5 Million Menschen mit dem Virus infiziert und die Sterblichkeit liegt zwischen 0,5% und 0,8% – schwere Verläufe mit Folgeschäden noch nicht bezifferbar, nach derzeitigen Daten Korridor von Faktor 5 bis 9, Tendenz steigend mit jedem Monat Zeit, die Folgen der Erkrankung genauer zu ermitteln.

Die Geschwindigkeit der Pandemie ist also ihre Gefahr und zugleich sehen wir, dass trotz vieler Verläufe ohne Komplikationen – was wir nebenbei zunehmend mit einem Fragezeichen versehen müssen – Herdenimmunität keine Option ist. Denn auch die Thesen der „Schiffmann-Gurus“, das Virus sei schon längst „durch“ und weitere Maßnahmen zur Eindämmung könne man sich sparen, sind mit dieser Studie erneut widerlegt: Selbst in diesem Hotspot kommt man auf nur 7,7% der Bevölkerung – allenfalls 10%, wenn man den Rückgang der Antikörper hochrechnet. Für Deutschland insgesamt kommen wir auf 1,2% bis 1,8%. Auch nichts neues.

Bis zur Herdenimmunität von zwei Dritteln müssten wir also im gesamten Land dieselbe Tragödie wie im Frühjahr zwischen 36 und 51 Mal durchlaufen und auch dann wäre ein Drittel der Bevölkerung immer noch latent gefährdet – sowie 340.000 bis 480.000 tot. Folgeschäden und schwere Behinderungen wären dann so ab 1,5 Millionen handelbar – es könnten aber auch 5 Millionen sein, das wissen wir noch nicht.

Fazit: Bereits die international vorliegenden Daten haben vollkommen ausgereicht, um die Effekte der Pandemie sehr gut vorauszuberechnen. Das tue ich hier seit April und kann nur bestätigen: Kein großes intellektuelles Problem, es gibt schwierigere Daten. Die Einschätzung der Gefahr war richtig, die Maßnahmen waren notwendig und sie haben in Deutschland ganz gut funktioniert – was viele leider immer noch als Begründung heranziehen, es sei nicht notwendig gewesen, Covid-19 hätte doch gar nicht stattgefunden. Richtig, bei weniger als 2% national, zudem sehr regional fokussierter Hotspots, hat Covid-19 definitiv in weiten Teilen Deutschlands nicht statt gefunden.

Gut so, denn Herdenimmunität ist kein guter Plan. Und auch ein klein wenig dieses Plans, was wohl dem gerade laufenden entspricht, ist kein guter Plan.

https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/cml-studie/Factsheet_Kupferzell.html?fbclid=IwAR3mg4XidojOkEmof2y31VbiYAC6INirimzQRkCYNvoJ57zj1zryo5GqNV8

 

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