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CoroNews 07.09.2020

Dass Covid-19 sich nicht von selbst verzogen hat und auch im Sommer sehr aktiv sein kann, sieht man an den Daten der USA, wo mangels Gegenmaßnahmen wie ein Uhrwerk Neuinfektionen und ebenso Sterbefälle erzeugt werden. Auch die Gerüchte über abschwächende Mutationen des Virus lassen sich in den großen Zahlen nicht ablesen. Es war insofern richtig, auch den Sommer in Europa nicht zur coronafreien Zeit zu erklären.

Nun steigen aber – wohl kaum zufällig mit Ablauf der Feriensaison – in den eng verbundenen Ländern Kerneuropas die Zahlen wieder rasch an. Wer dieses Mal Viren von wo nach wo eingeschleppt und durch Fehlverhalten in der Freizeit ordentlich vermehrt hat, lässt sich in den Laboren recht gut nachverfolgen und das wird auch passieren. Im Frühjahr lautete der wesentliche Verbreitungsweg nachweislich von China über Italien nach Europa – primär über Tourismus. Warten wir ab, was die Forscher nun herausfinden und hoffen wir mal, dass es den Tourismus und Zusammenhalt in Europa nicht noch mehr belastet.

Mit Blick auf die Hotspot-Ereignisse, die maßgeblich zu diesem Anstieg beigetragen haben, darf man diesen Anstieg über den Sommer gewiss als überflüssig bezeichnen. Zudem beschert er zu Beginn der kühleren Jahreszeiten eine Basis, die besser sein könnte.

Spanien und Frankreich sind bereits jetzt in einer Situation, die zumindest lokal wieder schärfere Gegenmaßnahmen erforderlich macht. Beide Länder trifft das in einer besonders tief gefallen Wirtschaftsleistung – um deren Schutz es nach Leib und Leben natürlich auch geht. Erneut ein Beleg, dass diese Ziele nicht zu trennen sind, auch dieser Unfug im Denken muss mal aufhören.

Leider beschleunigen sich die Daten auch in Italien nun sehr rasch. Das Land hatte sich über den Sommer nach meinem Eindruck besonders bemüht, eine weitere humanitäre Katastrophe zu verhindern. Wer dort aber – wie ich – den Verhaltensunterschied von Einheimischen gegenüber vielen Urlaubern beobachten durfte, bangt nun in der Tat ob der Frage, wer das Virus maßgeblich vermehrt hat. Auch ein zahlender Gast ist immer noch Gast und Repräsentant seines Landes, das wurde in den letzten Jahren von vielen missachtet, in Pandemiezeiten käme es ganz besonders darauf an!

Die Politik in Deutschland hat zuletzt eher mit Positivbotschaften kommuniziert, was ich angesichts der angespannten Stimmung im Land auch richtig finde. Es ist schon eigenartig, dass die Stimmung bei uns eben deshalb so angespannt ist, weil so relativ wenig gestorben wurde. Das macht die Sache eigentlich noch ein gutes Stück widerlicher, zumal wir mit Blick nach Asien natürlich auch zu der Erkenntnis kommen könnten, dass bei uns relativ viel gestorben wurde.

Ob die nun gegen die Stimmung gerichteten Positivbotschaften zur Verbesserung beitragen, muss sich zeigen. Kaum gibt der Bundesgesundheitsminister zu Protokoll, dass in der Tat nicht alle im Frühjahr adhoc ergriffenen Maßnahmen notwendig waren, heizt das in vielen Kreisen die Hetzerei wieder an. Dabei hatte schon der sogenannte Chefvirologe Drosten im Frühjahr gesagt, so ein Lockdown sei zweifellos eine übertriebene Maßnahme, weil er natürlich Situationen unterbinde, die keine Infektionsgefahren mit sich bringen. Aber so lange man keine Mittel habe, die Infektionsgefahren gezielter zu unterbinden und so lange diese auch zu wenig erforscht seien, könne man natürlich nur eine Vollbremsung vornehmen. Was ist daran nur so schwer zu verstehen? Warum kann man das nicht akzeptieren?

Wie viel weiter wir nun mit gezielteren Maßnahmen sind und welche Rolle dabei die Mitwirkung oder eben Zerstörungswirkung der Gesellschaft spielt, sollte in der Tat positiv angegangen werden. Dass es so bleibt, wie wir momentan aufgestellt sind, muss leider trotzdem bezweifelt werden. Auch bei uns ist die Basis zu hoch und das kühlere Wetter zieht nun für eine deutlich längere Zeit als im Frühjahr heran.

Eine Wiederholung der Tragödie in Südeuropa und des Desasters bei uns ist gewiss nicht ausgeschlossen. Wie schnell man da ist, muss nicht wiederholt werden, es ist ein Spiel mit einem Gegner, der weitaus schneller ist, als unsere immer noch trägen Gegenreaktionen.

Dennoch muss erneut darauf hingewiesen werden, dass wir (noch) einen großen Abstand zum Frühjahr haben, denn die Kurven mit den Neuinfizierten (Chart 1) erlauben keinen Vergleich. Im Frühjahr sind die Testinfrastrukturen überall zusammengebrochen, so dass wir deutlich mehr Fälle als ausgewiesen hatten. Jetzt geben die Daten ein besseres Bild ab. Das ist erkennbar an Modellrechnungen verschiedener Institute, mit denen – derzeit noch sehr ungenau, daher solche Unterschiede – die tatsächlichen Infiziertenzahlen hochgerechnet werden. Chart 2 zeigt das am Beispiel Spanien und man sieht sehr deutlich, dass die Epidemie nicht im Stadium des Frühjahrs ist.

Im Sinne eines Ampelsystems würde ich sagen, dass wir in Spanien und Frankreich gerade von grün auf gelb gewechselt sind, in Italien droht angesichts der Geschwindigkeit bald gelb und Deutschland ist noch grün. Leider steht an der Ampel aber ein Formel1-Renner mit einem unerfahrenen Fahrer, der zunehmend die Lust an der Vorsicht verliert. Der sollte verstehen: Es bedarf immer noch der Bremse, das Gaspedal muss warten, leider noch eine ganze Weile!

 

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