word-image

CoroNews 20.10.2020

Zurück auf los. Wie im März/April der regelmäßige Blick auf die Zahlen mit der Frage, was in den nächsten Wochen passieren wird.

Leider keine Überraschung, das war zu erwarten. Bedauerlich, dass wir schlechter vorbereitet sind, als es möglich gewesen wäre. Das betrifft durchaus auch unseren föderalen Flickenteppich mit der irrsinnigen Idee, Gesundheitsämter könnten mit Methoden aus der Vergangenheit eine Pandemie lokal managen. Aber lassen wir das, die Ämter brauchen nun unser aller Hilfe, es bringt – jetzt – nichts, über die mangelnde Infrastruktur und die Versäumnisse des Sommers zu reden.

Jetzt sind wir wieder im Krisenmodus, auch wenn es immer noch – zu – viele gibt, die das leugnen. Genau das ist aber das weit größere Problem, als die nun zunehmend überforderten Gesundheitsämter: Viele von uns haben nämlich ebenfalls die Zeit versäumt, mehr über die Epidemie zu lernen und das zu verhindern, was jetzt passiert. Es ist die Gesellschaft, die das Virus nun wieder vermehrt und uns in eine Situation führt, in der wir mit der Infrastruktur umgehen müssen, die wir haben.

Wie vor ein paar Tagen geschrieben, sind wir nicht auf dem Niveau von März. Ich hatte es auf ein Zehntel bis ein Achtel geschätzt. Zudem hatten wir im März eine Verdopplung alle zwei Tage, derzeit liegen wir bei ca. zehn Tagen. Wie weit wir vom März noch entfernt sind, ist aber irrelevant, vielleicht haben wir gerade ein Sechstel oder ein Fünftel. Das heißt also, kein Grund zu Panik, aber Grund, sofort etwas zu ändern. Gerne dazu mal wieder eine Metapher:

Wenn wir in einem Formel1-Renner mit durchgetretenem Gaspedal den Druck der Beschleunigung genießen, gerade die 100 km/h durchschreiten und vom Mechaniker über Funk die Meldung kommt, dass er es leider übersehen hat, das Bremspedal einzubauen, tun wir genau was? Richtig, wir gehen vom Gas und das obwohl die Kiste locker 400 km/h vertragen kann.

Damit nüchtern zu den Zahlen: Chart 1 zeigt die Neuinfektionen, Chart 2 die CFR, Chart 3 die Sterbezahlen, Chart 4 die Intensivbelegungen, Chart 5 die Modellrechnungen für den tatsächlichen Verlauf ohne Dunkelziffer.

Diese Daten und Indikatoren zeigen, dass der Verdopplungstrend von 10 Tagen sich bestätigt, dass die Verjüngung der Epidemie anhält (was sehr schlecht ist) und dass die Krankenhausdaten ebenfalls wieder exponentiell steigen und zwar leider mit einer weiteren Beschleunigung. Über die Gründe („Ketchup-Flasche“) hatte ich geschrieben. Insgesamt legen diese Daten und Parameter nah, dass wir für die kommenden Wochen froh sein können, wenn es dabei bleibt und dieser Trend nicht nach oben ausbricht. Ich sehe derzeit keinerlei Anlass, von einer Abschwächung auszugehen.

Dazu muss man wissen, was wir hier zeitlich vor uns haben: Wir sehen bei den Infektionen das tatsächliche Geschehen von vor ein bis zwei Wochen. Das hat mit der Inkubationszeit sowie der (überflüssigen!!) Latenz im Meldewesen zu tun. Bei den Sterbefällen sehen wir das Geschehen von vor vier bis sechs Wochen – hier ist naturgemäß die größte Latenz. Diese Daten sind also ein Blick in den Rückspiegel und meine Analysen sind lediglich der – meist nicht so schlechte – Versuch, das aktuell zu bewerten und dann ein wenig nach vorne zu blicken, weil die Epidemie kurzfristig bei der Größenordnung zunächst mal stabil weiter läuft.

Was auch immer an aktuellen Dingen passiert, sei es eine Änderung an den Maßnahmen oder auch Dinge wie der Superspreader in der Schweiz (Jodelkonzert in einer Pandemie, man fasst sich an den Kopf!), sehen wir dann frühestens in ersten Trendwechseln nach zwei bis eher vier Wochen. Der Prozess ist halt leider sehr zäh, wenn man ihn wieder in der Breite zulässt.

In Zahlen bedeutet das: Wir sind nun im 7-tage Wert bei den Infektionen deutlich durch die 5.000 pro Tag gelaufen. Das wird sich noch zwei Mal verdoppeln, diese Werte haben wir quasi bei Covid-19 schon „gebucht“ und zwar gegen Mitte/zweites Drittel des Novembers. Die 20.000 der Kanzlerin waren also richtig geschätzt, der Zeitpunkt zu optimistisch. Bei den Sterbefällen befürchte ich ein schnelleres Wachstum, hier wird es vielleicht sogar wieder an die 100 pro Tag noch im November gehen. Letzteres ist stets sehr unsicher, denn („Ketchup-Flasche“), diese Entwicklung ist auch etwas erratisch, weil die Dauer der Erkrankung bis zum Sterbefall individuell so unterschiedlich verläuft und es sehr davon abhängt, in welchen Kohorten das Virus gerade am meisten unterwegs ist.

Wie Herr Streeck ganz richtig sagt, sind die 20.000 keine Katastrophe. Das wird unsere Gesundheitsversorgung nicht umwerfen und es bedeutet auch keinesfalls für die Bevölkerung eine Gefahr für Leib und Leben im Alltag. Die Geschwindigkeit, mit der wir auf diese 20.000 zulaufen, ist eine Katastrophe. Das ist sie jetzt schon!

Streeck hat ebenfalls recht, wenn er sagt, man solle nicht nur auf die Infiziertenzahl schauen. Zu beachten ist bei so einem Prozess vor allem anderen nämlich die Geschwindigkeit. Absolute Grenzwerte welcher Art auch immer – und das gilt ganz besonders für die Bettenzahl! – sind bei einem exponentiellen Prozess einfach nur verheerend falsch.

Das ist wie Formel1 fahren ohne Bremspedal.

 

Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge