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Eine Ioannidis-Studie mehr

Eine seitens der WHO durch gereichte Studie von John P. A. Ioannidis kommt zu dem Ergebnis einer Infektionssterblichkeit von „nur“ 0,23%. Das ist geringer als der bisher von der WHO angenommene Wert. Medien verwursteln das zu Titeln wie „weniger tödlich als vermutet“ und das Ding geht mal wieder wie geschnitten Brot durch den „gesunden Menschenverstand“. Ich durfte es jetzt schon mehrere Dutzend mal als „seriöse Quelle“ zur Kenntnis nehmen, die mir natürlich vorzugsweise in Kontexten genannt wird, die mit der Sterblichkeit rein gar nichts zu tun haben. Selbstverständlich enden die entsprechenden Dialoge immer mit dem Hinweis, ich solle keine Panik haben oder diese schüren, alles Fehlalarm, der Professor aus Stanford sei ja einer der meist zitierten und so weiter.

Es ermüdet.

Offensichtlich wird nicht mal der Text gelesen und kritisch gewürdigt, niemanden interessiert, wo die Zahl her kommt und was sie besagt. Dabei lesen sich schon diese Medienberichte vollkommen klar, denn mit etwas – auch durchaus ungesundem – Verstand erkennt man: Aha – viel gerechnet, aber was ist die Erkenntnis?

Die kurze Antwort: Es gibt keine.

Die längere: Es handelt sich um eine Meta-Studie über Sterblichkeitsanalysen mittels Antikörperstudien im Feld – so eine wie aus Heinsberg, die auch eingeflossen ist. Nun sind bereits diese Studien inzwischen recht umstritten, weil man parallel erforscht hat, dass sich die Antikörper bei Infizierten rasch abbauen. Das kann man durch andere Testverfahren oder auch durch statistische Korrekturen ein wenig abfangen, was dann aber zu Schätzkorridoren führt. Vor allem aber wurden diese Studien natürlich an verschiedensten Orten der Welt, zu verschiedensten Zeitpunkten, verschiedensten Bedingungen und verschiedensten Stichproben über verschiedenste Bevölkerungsgruppen erhoben.

Wenn man sich – wie ich – die Mühe macht, das im Original mal nachzulesen, erkennt man, dass hier Daten eingeflossen sind, deren Schätzkorridore von der minimalen bis zur maximalen geschätzten Sterblichkeit um bis zu Faktor 500 reichen. In Summe wurden hier vielleicht ein paar Tausend Menschen getestet, das wird in der Meta-Studie leider nicht ausgewiesen. Die Einzelstudien basieren oft auf weniger als 100 Testpersonen, eine auf der sagenhaften Zahl von 12! Daraus wird dann eine Weltformel hochgerechnet.

Wie man das macht? Nun, wie in der Schule natürlich, am Ende fällt einem nur ein, das arithmetische Mittel auszurechnen, gerne auch Mittelwert genannt, denn die Annahme lautet, dass aus Datennebel durch den Mittelwert schon was wahres raus kommt. Tja, was sage ich dazu: So absolut vollkommen ausgeschlossen ist das nicht mal.

So resultiert also der globale Sterblichkeitsdurchschnittswert von 0,23%, der in der Tat niedriger ist, als der bisher seitens der WHO vermutete globale Sterblichkeitsdurchschnittswert – was dann solche Überschriften legitimiert.

Daran ist also – mit Ausnahme des dezenten Hinweises, dass es durchaus auch ein vollkommen anderer Wert sein könnte – nichts falsch.

Ebenso korrekt weist die Studie – wie auch die Medienberichte – darauf hin, dass es lokal schon sehr unterschiedlich laufen kann. So erfahren wir, dass es in einem Altersheim halt 30% Sterblichkeit bedeuten mag, während in sehr jungen und gesunden Populationen – welche 20, 30 oder 50 Leute wo auch immer das sein mögen – gar keiner stirbt. Ja, so genau will man es vielleicht gar nicht wissen, aber in der Tat stirbt so ungefähr entweder keiner oder jeder Dritte. Der Durchschnitt erklärt das also ganz wunderbar!

Analog könnte man vermutlich auch die mittlere Schuhgröße eines Menschen erheben, den Mittelwert seiner rechten Nasenöffnung (oder doch die linke?), vielleicht auch die mittlere Hautfarbe – ach nee, das ist ja ein Ekelthema.

Na, regt sich Verstand? Was sagt uns dieser Mittelwert und zwar gänzlich unabhängig von der Frage, ob er aus all diesen Studien mit all diesen Schätzwerten „richtig“ ermittelt wurde?

Nichts. Das war die längere Antwort.

Was uns etwas sagt, sind natürlich Studien, die etwas mit unserer Situation zu tun haben. Dazu gibt es besseres als uns Ioannidis hier verkündet. Darüber wird hingegen kaum berichtet, weil – und das ist nun der ganz enttäuschende Teil dieses Kommentars – es gar keine Neuigkeiten gibt. Seit Frühjahr nicht.

Wir haben in unserer Population mit einer Infektionssterblichkeit von ca. 0,5% zu rechnen, so lange die Gesundheitsversorgung funktioniert. Bricht die zusammen, haben wir mit 1% zu rechnen. Geht alles schief und es erwischt reihenweise Seniorenheime oder Krebsstationen, können es auch 1,5% werden. Das sind die Werte aus für Deutschland vergleichbaren Populationen und entsprechenden Situationen. Das sind auch die Werte, die bereits seit Frühjahr von den mit der Sache wirklich befassten Wissenschaftlern genutzt werden – daran war nichts zu korrigieren, daran ist nichts zu korrigieren.

Ebenso gelten alle Szenarios, die im Frühjahr bereits gerechnet wurden. Nimmt man Herdenimmunität an, zumal dann, wenn die schnell erreicht werden soll, muss man mit dem oberen Wert rechnen und kommt auf siebenstellige Opferzahlen für ein Land wie Deutschland, nimmt man den längeren Weg und unterstellt, dass die Krankenhäuser stehen bleiben, bleibt es bei etwas mehr als einer halben Million, bis die Natur ihren Lauf genommen hat und die Herde mit gesundem Immunsystem übrig bleibt. Auch an diesen Szenarios hat sich rein gar nichts geändert, aber das interessiert natürlich diejenigen nicht, die zwischen einem Szenario und einer Prognose nicht unterscheiden können und die mir dann gerne in Kommentaren entgegnen, es waren doch nur 10.000 und keine Million, was für ein Schwachsinn wurde da denn gerechnet.

Wer bis hier überhaupt gelesen hat, wird feststellen, dass diese hohen Opferszenarien natürlich durch zwei Faktoren entstehen, nämlich durch hohe Infektiösität und die Sterblichkeit. Wer also „nur“ 0,5% schreibt und dann Herdenimmunität im Kopf hat, muss das halt mit 10 bis 20 Millionen pro Welle multiplizieren und darf gerne räsonieren, ob das mit zwei, drei oder vier Wellen dann durch ist – vor allem in Kontexten, wo darauf hingewiesen wird, man könne nicht jahrelang unter dem Virus leiden, man müsse damit leben.

Die ganz kurze Nachricht lautet also: Die Gefährlichkeit eines Virus besteht aus den Faktoren Infektiösität und Sterblichkeit. Diskussionen über nur einen Faktor sind falsch, bereits daran scheitern halt auch die Grippevergleiche.

Bevor ich jetzt schließe, weise ich noch darauf hin, dass es sich nicht um eine Erkrankung handelt, bei der 0,5% bis 1,5% der Infizierten friedlich und natürlich sterben, während alle anderen putzmunter weiter leben. Gerade diese Erkrankung hinterlässt mit Faktor 5 bis 10 pro Todesfall schwere Dauerleiden. Besser rechnet man daher mit Zahlen von 7% bis 9% der Infizierten – das sind so die Eckwerte der ersten Studien zum bereits in der Definition befindlichen Post-Covid-19 Syndrom – um diejenigen Menschen zu „berechnen“, die das Virus besser mal nicht bekommen hätten (im Szenario) oder bekommen sollten – wir sind ja immer noch im Präventionsmodus!

Sind wir?

https://www.n-tv.de/wissen/Covid-19-weniger-toedlich-als-vermutet-article22104272.html?fbclid=IwAR0LIn9FPADkvkUkLseyomSK3EzEVTLExnmemX9A-bTAWd_7oMWclxv_fY0

 

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