Die aktuellen Pandemie-Daten sehen nicht gut aus – und damit sind nicht mal die neuen „Höchststände“ gemeint.
Inzwischen darf man das von mir skizzierte Szenario leider nicht mehr als das wahrscheinlichste sehen, es ist wohl das einzige, welches die derzeitigen Daten noch erklären kann: Demnach haben die Gesundheitsämter in Deutschland und mit ihnen der gesamte föderal/administrative Wahnwitz an Kontrollapparat das verloren, was im Frühjahr in Berlin „beschlossen“ wurde: Kontrolle. Die Epidemie mit diesen Mittelchen zu „kontrollieren“ und zwar entlang der Kapazitäten des Gesundheitssystems, darf man als gescheitert bezeichnen.
Im Winter 2020 schaut das Land daher auf Daten, die es niemals hätte geben dürfen: Die Lage in den Krankenhäusern. Diese Daten treten zwar mit erheblicher Latenz zu den Infektionen auf, aber seitdem Anfang November die Teststrategie geändert und auf Personen mit Krankheitssymptomen fokussiert wurde, ist zu viel Zeit vergangen, um die danach angeblich eingetretene Seitwärtsbewegung der Epidemie zu verifizieren. Insofern darf man leider mehr als vermuten: Nicht mal diese hat es jemals gegeben.
Der „Lockdown light“, eine Reaktion auf den Zusammenbruch der „Überwachung“ durch die Gesundheitsämter, hat zweifellos das exponentielle Wachstum verringert, aber nicht abgestellt.
Die jetzt, trotz der traurigen „Höchststände“ erkennbare Abflachung der Sterbefälle dürfte dem „Lockdown light“ zuzuordnen sein. Es ist zu früh, zu erkennen, ob wir Anfang November von einem Verdopplungszyklus alle 15 bis 20 Tage auf 30, 40 oder hoffentlich wenigstens 60 Tage herunter gekommen sind. Das wäre aber sehr wichtig und man darf es als weiteres Versäumnis bezeichnen, dass nach dem Zusammenbruch im Laufe des Oktobers kein Testsystem aufgebaut wurde, das uns wenigstens die weitere Ausbreitung der Neuinfektionen einigermaßen zutreffend berichten könnte.
Leider kann davon nämlich immer noch keine Rede sein, denn die Positivquote steigt weiter und die Testmenge sinkt sogar. Diese Daten liegen wie zuletzt beklagt nur noch verzögert vor, in den beigefügten Charts laufen sie bis zum 6. Dezember. Natürlich gibt es für Positivquoten alle möglichen Erklärungen, das muss nicht zwangsweise eine eskalierende Dunkelziffer bedeuten, meistens ist es aber genau das. Es kann gerade in unserem Fall auch damit zu tun haben, dass nun im Feld zunehmend die stärkeren Erkrankungen getestet werden. Aber rein mathematisch ist es halt nicht logisch, wenn vermeintlich seitwärts laufende Infektionen mit zugleich steigender Positivquote gemeldet werden. Damit ist leider definitiv bewiesen, dass die Daten nicht mehr repräsentativ sind – das ist unstrittig! Erfahrungsgemäß hat das in der Tat eine (weiter) steigende Dunkelziffer zum Hintergrund und die klinischen Daten legen leider genau das unverändert nah.
So ist es nun kaum mehr Spekulation, von niemals gestopptem, sondern nur verringertem Wachstum zu sprechen, leider aber weiter Spekulation, wo wir denn gerade tatsächlich stehen. Läuft die Epidemie nun mit einer Verdopplung von einem Monat, vielleicht zwei oder mehr? Werden also – unveränderte Situation vorausgesetzt – die heutigen Zahlen Mitte Januar doppelt so hoch sein, im Februar oder gar März?
Das kann – „dank“ ausgefeilter Feldüberwachung – niemand sagen. Was man aber sehr genau bewerten kann, ist die Folge einer weiteren Verdopplung der Infektionen: Dann sehen wir in vielen Regionen Deutschlands einen Kollaps des Gesundheitssystems, dem mit Covid-19 und allen weiteren gefährlichen Erkrankungen Kollateralschäden an Opfern folgen würden, die heutige Sterbezahlen mehr als verdoppeln würden.
Das ist rein rechnerisch inzwischen sogar auf nationaler Ebene absehbar, denn die mit Covid-19 belegten Betten haben mit knapp 4.400 nun ca. 60% der Gesamtkapazitäten erreicht. Zudem kämpfen die Kliniken mit Covid-19 bedingten Ausfällen beim Personal, das ohnehin den Engpass bei der Versorgung darstellt. Rein rechnerisch wäre also noch ein Drittel Steigerung aufzufangen, aber das ist bereits zu optimistisch gedacht, denn es gibt neben Covid-19 auch noch andere Aufgaben. Die DIVI-Karte zeigt in den meisten Regionen Deutschlands nur noch um die 15% freier Intensivkapazitäten insgesamt. Für exponentielles Wachstum des wesentlichen Belastungsfaktors ist da keinerlei Spielraum mehr – Null!
Wir SIND an der Belastungsgrenze und die Epidemie ist NICHT gestoppt. Wer in diesem Kontext die aktuelle politische Diskussion von vermeintlich „einsichtigen“ Ministerpräsidenten und nun tatsächlich „irgendwann“ auch mal „dringend erforderlichen“ schärferen Maßnahmen bewerten möchte, sollte sich klar machen: Heute ist der 11. Dezember und wir sind JETZT in diesem beschriebenen Szenario.
Wir müssen leider feststellen, dass wir in Deutschland der Pandemie lediglich ein Mal, nämlich im März, so gerade noch rechtzeitig begegnet sind. Diesen Erfolg hat die Politik seitdem aus der Hand gegeben. Seit Mai laufen wir nahezu chronisch hinterher und das ist auch heute noch so. Ich kann weder kluge, noch politisch kluge Ministerpräsidenten erkennen. Wer heute, in der aktuellen Lage, immer noch von härteren Maßnahmen in der Zukunft spricht, ist allenfalls populistisch. Das wird gerne mit politischer Klugheit verwechselt, es führt aber nur zur Verschiebung von Schaden, der sich dabei vervielfacht. Letztlich scheitern alle Populisten daran, das war immer so und das wird auch so bleiben.
In der griechischen Mythologie gibt es dazu sehr fein unterscheidend zwei Gottheiten: Chronos ist der Gott der Zeit. Er wird in der Kunst meist als das Geschehen abwartende Figur dargestellt. Kairos hingegen ist der Gott der günstigen Gelegenheit.
Kairos hat in der Antike keine große Rolle gespielt. Später wurde in der Philosophie darüber nachgedacht, dass man eine Entscheidung nicht vom Zeitpunkt ihres Treffens trennen kann.
Das sollten unsere Ministerpräsidenten im Jahre 2020 endlich mal erkennen!