word-image

CoroNews 02.12.2020

Eine widerspruchsfreie Analyse der Covid-19 Daten aus Deutschland ist immer noch nicht möglich, eine klare Bewertung lässt sich trotzdem finden. Zur Analyse: Bezüglich der Epidemie liegen wir irgendwo zwischen einem weiteren, sehr flachen Wachstum, einem Plateau oder einem sehr flachen Absinken. Definitiv haben die gesellschaftliche Reaktion und der „Lockdown light“ das Wachstum (nicht den Stand!!) auf einen Wert plus/minus Null verringert. Ob es nun eine kleine positive oder negative Rate ist, lässt sich kaum seriös ableiten, das ist aber auch nicht wichtig, denn … Zur Bewertung: Wir sehen wohl so etwas wie einen epidemiologischen Deadlock. Die zweite Welle ist zwar langsamer als die erste angestiegen, sie ist aber bereits auf einen höheren Stand gelaufen und bewegt sich auf diesem viel zu hohen Niveau letztlich ungefähr seitwärts. Insofern ist zwar ein Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung verhindert worden, aber wir liegen auch diesbezüglich im „gelbroten“ Bereich, ohne diesen erkennbar zu verlassen. Ferner hat die zweite Welle jetzt schon ca. 70% der gesamten Opferzahl der ersten erreicht und da wir sie nicht gestoppt haben, werden sowohl der Stress im Gesundheitswesen, als auch das Sterben und Leiden nun noch sehr lange so weiter gehen. Die Daten und Charts im Detail finden sich wie immer anbei. Wir sehen an den Infektionszahlen – vielleicht – ein Plateau mit einem inzwischen eingesetzten sehr langsamen Absinken. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die mit zeitlichem Verzug dazu verlaufenden Daten aus den Krankenhäusern ebenfalls ein erstes Absinken andeuten. Das sieht man auch an den Sterbezahlen, die ich hier bewusst mal linear (als Mahnung), aber auch logarithmisch darstelle. Das zweite, logarithmisch skalierte Chart dazu zeigt, dass die Steigung (also das Wachstum) etwas geringer geworden ist. Wir sollten diese möglicherweise begonnene Tendenz nicht mehr so rasch steigender Zugänge auf den Intensivstationen sowie der Sterbefälle aber auch nicht überbewerten. Diese sehr schweren Covid-19 Fälle hängen natürlich maßgeblich davon ab, wen das Virus gerade trifft. Unverändert schwanken diese Daten daher täglich sehr heftig, das ist auch normal. Bevor wir also hier von einer Trendwende sprechen können, muss sich ein Abflachen des Anstiegs erst mal über mehrere Tage stabilisieren. Dennoch ist damit fest zu rechnen, denn wie oben erwähnt, ist ein Seitwärtstrend der Infektionen inzwischen sehr wahrscheinlich eingetreten und der sollte sich in der zweiten Dezember-Hälfte dann auch bei den Krankenhäusern einstellen. Aber was bitte schön heißt das: Wir werden bis dahin die Todeszahlen der ersten Welle sogar überschritten haben und es werden weiter einige Hundert Menschen täglich sterben, ohne dass wir eine maßgebliche Verringerung erwarten können. Ebenso wird es bei den Krankenhäusern aussehen: Das täglich in der FAZ zusammengesetzte Chart aus den DIVI-Berichten zeigt, dass wir nun ungefähr die Hälfte der für Covid-19 geeigneten Betten mit Covid-19 Patienten ausgelastet haben. Die andere Hälfte ist derzeit auch belegt, die freien Kapazitäten dieser Spezialbetten sind also nahe Null. Das bedeutet in der Praxis: Die Krankenhäuser arbeiten nicht nur unter höchstem Stress, es muss nun bereits in vielen Häusern geprüft werden, ob man andere Fälle vermeidet – insbesondere also Operationen verschiebt. Das bedeutet aber Kollateralschäden für andere Patienten, die von unnötigen Risiken bis zu verlängerten Leiden reichen. Zudem muss man verstehen, dass Intensivstationen nicht dafür gedacht sind, voll ausgelastet zu sein. Erst recht nicht in dieser Breite und für diese Dauer! Man fährt auch keinen Computer mit 100% Speicherauslastung, weil er dann nicht mehr richtig funktioniert. Genau so ist das mit Intensivstationen, die in einer guten Versorgungslage immer eine Reserve aufweisen sollten. Entsprechend ist dort eigentlich auch die angemessene und zumutbare Planung der personellen Belastung. Was wir da jetzt schon sehen, ist also eine Notstandssituation, die zudem aufgrund unseres epidemiologischen Deadlocks auf unbestimmte Zeit weiter laufen wird! Wie unsicher die Lage darüber hinaus ist, sieht man an den Testindikatoren, die meine unveränderte Skepsis bezüglich der Infektionszahlen begründen. Leider liegen die inzwischen immer weiter zurück, es ist kaum mehr möglich, aktuellere Daten zu beschaffen. Die Änderung der Teststrategie Anfang November macht Vergleiche zur Zeit davor ohnehin unmöglich. Aber auch seit der Umstellung steigen die Positivraten bei sinkenden Testmengen. Das kann durch die neue Strategie, bevorzugt Patienten mit Symptomen – zudem sogar mit leicht sinkender Menge – zu testen, erklärbar sein. Es ist aber grundsätzlich ein Signal für eine steigende Dunkelziffer und die möchte ich keinesfalls ausschließen. Ferner sollten wir beachten, dass diese Teststrategie sich nun nicht mehr dem Kreis von Infizierten widmen kann, der das Virus typischerweise am schnellsten und weitesten verbreitet: Den mobileren Menschen mit keinen oder nur sehr schwachen Symptomen. Wir sollten uns also durchaus der Risiken bewusst sein, die hinter dieser Teststrategie schlummern: Es könnte sein, dass sie bereits jetzt eine sich ausweitende Dunkelziffer signalisieren und selbst, wenn das noch nicht so ist, wäre diese Strategie nicht in der Lage, eine wieder einsetzende Beschleunigung der Epidemie rechtzeitig zu erkennen. Das signalisieren auch die epidemiologischen Modelle, die ich stets parallel beobachte. Es geht hier weniger um die tatsächliche Höhe der Verläufe, sondern um die Charakteristik. Die war bisher stets recht ähnlich und folgte auch mit dem Abstand einer Dunkelziffer den Infektionsdaten. Das ist nun nicht mehr so, sie signalisieren einen starken Ausbruch der Dunkelziffer im Anstieg der zweiten Welle. Den hat es sehr sicher gegeben, ohne ihn quantifizieren zu können. Das ist momentan nicht mehr und nicht weniger als ein Risikofaktor, der den Kontrollverlust unserer Gesundheitsämter dokumentiert. Es macht keinen Sinn über die Höhe oder den tatsächlichen Verlauf dieser Kurven zu spekulieren. Wir wissen es nicht und es ist keineswegs gut oder richtig, es nicht zu wissen. Denn eines sollte klar sein: Wir haben mit dem „Lockdown light“ einen Deadlock erreicht und das kann uns nicht zufrieden stellen. Sowohl der Kontrollverlust im Feld, als auch die Feierlichkeiten zu Weihnachten und um den Jahreswechsel sprechen sehr dafür, dass wir erhebliche Risiken haben, aus diesem Deadlock in die falsche Richtung auszubrechen. Das wäre eine Situation, die unsere Krankenhäuser sehr schnell überfordern könnte. Zudem würde auch eine Fortsetzung dieses Deadlocks eine Bilanz erzeugen, die wir uns nicht wünschen können. Vor einigen Monaten war mein Szenario für den Winter ein nochmals erforderlicher Lockdown sowie – aufgrund der Dauer – eine doppelt so hohe Opferzahl wie bei der ersten Welle – also nochmals 20.000. Dabei war ich optimistisch davon ausgegangen, dass wir es wohl nicht schlechter, sondern eher besser anstellen würden als im Frühjahr. Die Idee eines „Lockdown light“ hatte ich dabei nicht berücksichtigt, der stellt sich aus meiner Sicht als Fehler dar. Nun muss ich nämlich feststellen, dass mein Szenario nur dann noch erreichbar ist, wenn es zu einer Verschärfung der Maßnahmen oder der gesellschaftlichen Reaktion kommt. Erfolgt das nicht, wäre selbst unter Beibehaltung der aktuellen Situation bis zum Ende des Winters mein Szenario nicht mehr erreichbar. Wir sollten dabei bitte beachten, dass die Sterbezahlen nur die Spitze des Leidens darstellen. Es kommen mit Faktor fünf bis zehn Menschen mit schweren und teilweise vielleicht auch irreversiblen Folgeschäden hinzu. Sofern wir über Monate die Krankenhäuser in diesem Stresslevel belassen, wird es auch zu messbaren Kollateralschäden über Covid-19 hinaus kommen. Dass diese Strategie, die leider bereits im Frühjahr so viele Anhänger gefunden hatte, also so etwas wie „Kontrolle“ anzustreben, um die Epidemie entlang der Kapazitäten des Gesundheitswesens zu fahren, sogar im direkten Vergleich mit unseren gewiss nicht zu den Top-Performern zählenden Nachbarn möglicherweise schlechter abschneidet, könnte das entsprechende Vergleichschart zeigen, das ich ebenfalls beigefügt habe: Natürlich ist die Pandemie insgesamt in Italien, Spanien, UK und Frankreich in Bereiche gelaufen, die wir niemals gesehen haben. Aber wir sehen, dass wir aufgrund unserer latenten Reaktion gegenüber den klareren Bremsmanövern unsere Nachbarn derzeit nur noch in Italien eine schlechtere Lage sehen. Zumindest die Bremse ist unseren Nachbarn wesentlich besser und zudem auch recht schnell gelungen. Die Gesamtbilanz in diesen Ländern wird auch über die gesamte Zeit schlechter als unsere sein, dafür waren die Ausbrüche gegenüber unseren Zahlen zu hoch, aber bezüglich der zweiten Welle könnte sich bestätigen, dass es klüger ist, die Zahlen kürzer und entschlossener zu reduzieren. Es ist bekannt, dass das letztlich auch ökonomisch besser ist, weil bei einem Lockdown die Dauer die größte Rolle spielt. Den Vergleich mit Ländern, die das schon immer so gemacht haben, erspare ich mir an der Stelle. Die Charts aus Asien/Ozeanien kann man sich hier einfach dazu denken: Die laufen so nahe an der X-Achse, dass man sie nicht mehr einzeichnen kann – sieht man nur noch als Farbrauschen oberhalb der Null.  

Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge