Das RKI meldet pflichtschuldig nach selbst auferlegtem Modus die Zahlen eines weitgehend nicht online geplanten Meldewesens, das offensichtlich mit dem 24. Dezember gänzlich offline gegangen ist. Ebenso stereotyp berechnet das RKI aus diesen Daten auch noch R und alles in allem sieht das ganz ganz wunderbar aus. Allenfalls die jetzt wieder binnen eines Tages mal wieder um fast Faktor drei gestiegenen Todeszahlen „stören“. Korrekterweise sagt das RKI dazu, dass die Daten wegen der Feiertage und des Jahreswechsels nur bedingt aussagekräftig seien.
Nun, das ist eine massive Untertreibung und es ist aus meiner Sicht nicht mehr nachvollziehbar, weshalb man diese Daten überhaupt veröffentlicht, ohne deren eklatanten Mangel in den Vordergrund zu stellen und insbesondere auf alle Interpretationen, zu denen R übrigens zählt, zu verzichten.
Zugleich sickert durch, dass seitens des Kanzleramts nun striktere Grenzwerte und damit verbundene Maßnahmen in Richtung Bewegungseinschränkungen vorgeschlagen werden. Bekanntlich entscheiden das die Ministerpräsidenten in einer Runde mit der Kanzlerin – auf welcher Informationsbasis das passiert, sollten wir besser gar nicht wissen.
An der Stelle würde ich eigentlich gerne auf einen Langzeitwetterbericht mit Prognose der kommenden Lottozahlen aus der Zentrale des Bundesligaführenden zur Halbzeit der Saison 2023/2024 verlinken, den Beitrag beenden und den Tag mit einer Winterwanderung durch kalten Nebel abschließen. Aber bevor ich das tue, doch noch ein Versuch, im kalten Datennebel etwas Licht zu erkennen. Das mag es nämlich geben!
Die Infektionszahlen lasse ich freundlicherweise weg, das ist die einzige Gnade, die man an der Stelle haben sollte. Wie umfassend die Testung in Deutschland zusammengebrochen ist, sieht man am Wochenbericht der führenden Labore, die 90% aller Auswertungen machen. Daran sehen wir, dass die Auslastung der Labore über die beiden Feiertagswochen auf zunächst 60% und dann 45% zurück gegangen ist. Es liegt also nicht an der Kapazität, sondern an deren ungenügender – das ist explizit als Schulnotendeutsch zu lesen – Nutzung. Mit der extrem schnell fallenden Testmenge ist die Positivrate stark gestiegen und zugleich werden sinkende Fallzahlen gemeldet. Das ist einfach nur Sc..dr..ck, etwas anderes fällt dazu nicht ein. Das RKI selbst drückt es freundlicher aus: Diese Daten sind nicht nutzbar, sie sind mit denen vor Weihnachten nicht vergleichbar und es dürfte bis Mitte Januar dauern, bis unser Testsystem wieder eine Bewertung der Epidemie erlaubt. Naja, meinen „Formulierungsvorschlag“ muss ich nicht wiederholen?
Wie bereits in den letzten Berichten erwähnt, bleiben nur die klinischen Daten zur Bewertung, was leider dazu führt, dass wir einige Wochen hinter der tatsächlichen Lage hinter her blicken. Das ist umso schwerer, weil die Meldungen der Sterbezahlen ebenfalls ins Stocken geraten sind. So manche Klinik, die das teilweise melden, war vermutlich über die Tage mit anderen Dingen ausgelastet und die maßgeblich meldenden Standesämter hatten „besseres zu tun“.
Die Oszillation dieser Daten ist natürlich gänzlich durch Nachmeldungen zu erklären, das hat inzwischen auch das Gros der Presse so nachvollzogen. Wo wir tatsächlich stehen, ist unklar, denn es besteht der Verdacht, dass selbst am zweiten Werktag im neuen Jahr keinesfalls alle Daten gesammelt wurden. Im Gegenteil müssen wir selbst bei diesen Zahlen noch einige Tage warten, bis wir eine Bewertung leisten können. Der im Chart eingezeichnet Rückgang über die Feiertage hat natürlich leider niemals statt gefunden.
Ich hatte bei meiner letzten Analyse befürchtet, dass der zuvor festzustellende Trend noch auf bis zu 800 Fälle im 7-Tage-Wert steigen könnte. Das sieht nun etwas besser aus, momentan könnte sich bei knapp 700 Fällen eine Kuppe abzeichnen und das wäre dann auf den Lockdown ab Mitte Dezember mit der wesentlichen Änderung bei den Schulen zurück zu führen.
Der kleine Lichtblick, dass der Lockdown ab Mitte Dezember möglicherweise einen Peak der Sterbefälle bei ca. 700 im 7-Tage-Wert gebracht hat, wird durch die moderate Entspannung bei den Intensivbelegungen begründet. Hier sehen wir seit einigen Tagen eine Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau.
Dass diese Kurve nicht weiter steigt, heißt wie oft erläutert zunächst mal, dass sich die Neuzugänge und die Abgänge nun die Waage halten. Die Zahl der Neuzugänge wird in den täglichen Berichten mitgeliefert, aber diese Daten verwende ich ungern, da sie berechnet und sehr oft nachträglich korrigiert werden. Die ausgewiesenen Neuzugänge oszillieren aber ebenfalls seit einigen Tagen auf einem hohen Niveau, was die Interpretation bestätigt, dass wir mit dem Lockdown nun zumindest das Wachstum der Epidemie auf Null bekommen haben – ob sie sinkt, lässt sich noch nicht sagen.
Ich habe in dem Kontext meine eigene Analyse des längerfristigen Trends der Intensivbelegungen nochmals ergänzt und hier zeigt sich mit sieben Tagen Latenz zum Lockdown ein stetig fallendes Wachstum der täglichen Intensivbelegung mit Glättung über sieben Tage. Das ist ein stärkeres Signal und es lässt mich mit allen anderen trotz der jämmerlichen Datenlage sagen, dass wir mit dem Lockdown Mitte Dezember das Wachstum wohl tatsächlich stoppen konnten.
Was diese Daten keineswegs erlauben, ist eine Einschätzung, ob der Lockdown der erforderliche Wellenbrecher war – also zu exponentiell sinkendem Wachstum geführt hat. Dafür ist es leider zu früh, denn mangels brauchbarer Testdaten haben wir nur diese klinischen Daten mit der damit verbundenen Latenz. Aus diesem Grund lässt sich auch nichts darüber sagen, wie das Weihnachtsfest oder gar der Jahreswechsel sich ausgewirkt haben.
Ich lese mit etwas Überraschung dazu eine ganze Reihe von Analysen, aber ich muss sagen, dass diese hier bereits mit so vielen Unsicherheiten verbunden ist, dass ich lieber mal „analytisch begründeter Kaffeesatz“ dazu sagen würde.
Auf welcher Basis die Verantwortlichen nun in Berlin entscheiden wollen, ist mir unklar. Wenn man sich das ansieht, könnte es also zu einem vorübergehenden Stopp ab Mitte Dezember gekommen sein, die Risiken aus dem Weihnachtsfest und dem Jahreswechsel sind unklar und die neue London-Mutation mit vermutlich 50% schnellerer Ausbreitung ist 2021 auch bei uns am Start. Für mich eine Gesamtlage, in der man hoffentlich mal pro-aktiv entscheidet, mindestens den Status quo zu erhalten und weitere Verschärfungen sowie kritischere Grenzwerte unbedingt auf Vorrat zu beschließen, so dass wir bei einer besseren Datenlage vielleicht erstmals den Luxus hätten, sofort zu reagieren und nicht bis zu 14 Tage auf den Bund/Länder-Reaktionsmix zu warten.
Abschließend erneut ein Blick auf die Modell-Rechnungen, die von der Uni Oxford zusammengetragen werden. Hier zeigen die beiden einzigen zeitnah ausgewiesenen ebenfalls von der Charakteristik einen Trendwechsel ab Mitte Dezember an. Diese Modelle sind kurzfristig immer durch erhebliche Unsicherheiten geprägt, daher ist das mit Vorsicht zu genießen, zumal diese Ausschläge auch sehr stark durch die Untertreibungen bei den Sterbedaten über die Festtage ausgelöst werden. Ganz so klar, wie es hier aussieht, mag es nicht sein, aber es ist ein Indikator mehr.
Zudem erhärtet sich mit Abstand nun meine These, dass es den Seitwärtstrend im November nicht gegeben hat. Das sollten wir mit Blick auf die nun anstehenden Entscheidungen und auch für unsere persönliche Einschätzung nicht übersehen: Die Infektionsdaten sind bereits sehr lange kein verlässlicher Datenstrom mehr. Niemand sollte daraus gar Entscheidungen ableiten. Ferner zeigen diese Modelle recht klar, dass wir tatsächlich eher um die 100.000 Infektionen pro Tag sprechen – das ist anhand der Sterbezahlen ein zwar hoher, aber nicht unplausibler Wert.
Das sage ich aus folgendem Grund: Die Gefahr von Mutationen besteht nicht nur in London oder Süd Afrika!