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Der Zwischenstand einer traurigen Weltmeisterschaft

Da Anfangs des zweiten Pandemiejahres die Diskussion über die richtige Strategie nicht endet, diese immer noch durch dümmliche Überlegungen von Kultur oder Inseln bestimmt wird, insbesondere die westlichen Industrienationen dadurch glänzen, dass sie vom Timing gerade dann von „härteren“ Maßnahmen zu sprechen beginnen, wenn deren erforderlicher Zeitpunkt vorbei ist und ein singuläres Land aus Skandinavien immer noch libertäre Feuchtträume hervorruft, ein kleiner nüchternen Tabellenstand zur Halbzeit.

Anbei die kumulierten Covid-19 Todes- sowie Impfzahlen im Vergleich einiger Regionen und Länder. Nicht vergleichbar sind Infektionszahlen, das wird leider immer wieder gemacht. Da die Teststrategien und Testkapazitäten in den Ländern ausgesprochen unterschiedlich sind, kann man aus diesen Daten nur Trends ablesen, aber keine direkten Vergleiche. Ferner sind kumulierte Daten für den Vergleich auf der Langstrecke natürlich maßgeblich. Zudem bieten die Darstellungen des Verlaufs über die gesamte Zeit natürlich sehr wohl einen Einblick, wann welche Fehler gemacht wurden.

Unverkennbar ist zur Halbzeit, die leider keine Pause erlaubt, dass in den USA das Pandemiemanagement am schlechtesten verlaufen ist. Zudem recht klar gleichmäßig über die gesamte Dauer. Die haben es sogar im Sommer „geschafft“ den exponentiellen Anstieg der Sterbezahlen nicht zu stoppen – das sollte auch in Europa allen Sommerphantasien bereits jetzt eine Grenze setzen: Was sich Europa im Sommer 2020 geleistet hat, war bereits ein sehr teurer Fehler, den braucht es 2021 nicht nochmals!

Man erkennt ferner, dass es den Schweden nicht wesentlich besser gelungen ist – und wer nun zur „Verteidigung“ der Schweden wieder darauf hinweist, dass es in Belgien noch schlimmer war, mag bitte darüber nachdenken, was es bedeutet, ein vermeintliches Vorzeigemodell durch eines des kompletten Versagens zu verteidigen. Schweden liegt jedenfalls nur deshalb etwas hinter den USA in der Gesamtbilanz, weil es dort im Sommer tatsächlich gut funktionierte.

Europa liegt bei ca. 2/3 der pro Kopf Quote der USA. Ein Grund zum feiern ist das gewiss nicht, denn der kommende Weltmeister dürfte bereits feststehen: Asien liegt bei ca. einem 15zehntel des US-Desasters. Und da sind durchaus Problemfälle wie Indien und der Iran inkludiert, sonst wäre diese Kurve in der Skalierung von der Null nicht unterscheidbar.

Seitens Deutschlands ist erkennbar, dass hier das Versagen in der zweiten Welle geradezu eklatant ist. Nimmt man diese Phase heraus, liegen wir zeitweise schlechter als die USA und dass bei uns nun Lockerungs- oder Schuldebatten immer noch nicht enden, kann man schlicht nicht mehr nachvollziehen.

 

Wie die Deutschen haben auch die Israelis bei der zweiten Welle, die dort etwas früher begann, alle früheren Erfolge verspielt. Das ist ein Grund, weshalb die Regierung dort trotz der weltweit führenden Impfkampagne unverändert sehr restriktiv bleibt. Die Kampagne zeigt jedoch bereits Erfolge, die hier in der Jahresbilanz noch nicht ersichtlich sein können.

Bei den Impfungen liegt das Land bekanntlich weltweit ganz vorne, wie das folgende Bild zeigt. Zugleich hat Israel aber erkannt, dass die Gefahr von Mutationen nicht nur die Verläufe der Epidemie beeinflussen, sondern natürlich auch das Potenzial haben, die Impfstoffe zu unterlaufen. Daher unterbindet das Land trotz der erreichten Impfquote insbesondere die Einreisen aus dem Ausland – und zwar aus aller Welt. Israel macht sich zur Insel – aber klar, andere Kultur, andere Situation, geht bei uns nicht, alles anders, keine Vergleichbarkeit usw. usw. usw.

 

Damit man die Sache mit den Impfkampagnen besser beurteilen kann, folgt ein weiterer Vergleich ohne Israel. Hier ist erkennbar, dass die USA ca. dreimal schneller als Europa sind. Die aktuelle Nachrichtenlage lässt leider den Schluss zu, dass diese Schere sich keinesfalls schließen, sondern eher weiter aufgehen wird. Nimmt man Israel als Sonderfall mit einer kleinen Bevölkerung und einer extrem aggressiven Einkaufspolitik – die man auch schlau nennen könnte – mal außen vor, zeichnen die USA sich als Weltmeister mit Vorsprung ab.

Dass die EU-Impfstrategie zwar bei der Unterstützung der Entwicklung ein Erfolg, bei der Produktion aber ein Versagen ist, zeigt sich recht klar. Noch ist es unklar, welche Wirkstoffe mit welchen Mengen für Europa letztlich verfügbar sein werden, aber während Biden seine Prognosen für die Verfügbarkeit einer Vollversorgung wöchentlich verkürzt, dürften wir die Spahn-Auskunft von der Jahresmitte wohl eher weiter nach hinten legen.

 

Ich finde es ausgesprochen dürftig, wenn in den aktuellen Interviews seitens der verantwortlichen Politik entweder auf die Erfolge der Entwicklungen oder auf den großen Sinn der Risikostreuung über mehrere Hersteller hingewiesen wird. Ebenso ist es verkürzt, den seitens der EU als Eckpfeiler geplanten Hersteller AstraZeneca nun „verantwortlich“ zu machen. Ohne diesen in Schutz nehmen zu wollen – die haben offensichtlich von den Studien bis zur Mauschelei mit Kapazitäten durchaus ihre „Verdienste“ – muss man hier schon trennen, wer welche Verantwortung hat.

Selbstverständlich kann „der Markt“ gerade bei Impfstoffen, wo er nämlich ein ziemlich mieses Chance/Risikoverhältnis für „den Investor“ bietet, diese gesamtgesellschaftliche Krise nicht näherungsweise lösen. Das hat „die Politik“ auch richtig erkannt und sie hat es bei der Entwicklung der Wirkstoffe zudem erfolgreich umgesetzt: Auf mehrere Hersteller setzen und denen das wirtschaftliche Risiko einer Fehlentwicklung abnehmen.

Leider reicht das nicht, denn ein Impfstoff ist nicht dadurch erfolgreich, dass er entwickelt wird, sondern erst bei seiner Applikation – und dazwischen liegt halt die Herstellung. Insofern hat eine Risikostreuung bei den Kaufverträgen anders als es jetzt gerne dargestellt wird, eben nicht stattgefunden, denn dazu wäre eine Bestellung über eine Vollversorgung bei allen Partnern erforderlich gewesen. Seitens der EU also 1,2 Milliarden Dosen für die Doppelimpfung bei JEDEM der Aspiranten. Der Preis dafür? Egal, und zwar vollkommen!

Welcher Kapazitätsausbau parallel und eben nicht nach der Entwicklung der Wirkstoffe rein technisch/organisatorisch möglich gewesen wäre, wird sich vielleicht sogar bald ermitteln lassen, wenn wir die Ergebnisse der JETZT beginnenden Initiativen besser kennen lernen. Vermutlich wird man in den Industrienationen dann feststellen, dass so um die sechs Monate verloren wurden. Wer das als „hätte hätte Fahrradkette“ Schlaumeierei betrachtet, dem will ich begegnen: Nö, denn selbst das, was jetzt passiert, ist immer noch zu wenig. Es bleibt dabei, dass insbesondere die westlichen Gesellschaften mit ihrer Lernkurve der Evolution eines simplen Virus hinterher laufen.

Meine These lautet nämlich: Sobald wir die Kapazitäten für unsere Industrienationen mit Verspätung hochgezogen haben, werden wir feststellen, dass sich in vielen Teilen der Welt etwas abspielt, was sich Pandemie nennt. Selbstverständlich drohen dadurch Mutationen, die ein mehrjähriges Wettrennen mit der Adaption von Impfstoffen erforderlich machen und über die große Reisefreiheit wird man so auch nicht entspannt reden können. Für „den Markt“ jedoch eine gute Sache, denn so wird Sars-Cov-2 nicht zur einmaligen, sondern zur längerfristigen Angelegenheit. Ganz toll für die nun endlich entstehenden Produktionskapazitäten, deren ROI dadurch fantastisch wird. Wer bei meinem Bild der Bestellung einer Vollversorung über jeden Hersteller mit dem schwäbischen Gespenst von Überkapazitäten und Geldverschwendung „gebändelt“ hat, dem sollte vielleicht jetzt klar werden, dass es in 2021 gewiss keine Überkapazitäten geben kann und hier ein Beispiel erkennen, dass Sparen verdammt teuer sein kann.  „Der Markt“ wird dieses Sparen hingegen durchaus honorieren – die jetzt aufzubauenden Kapazitäten inklusive der Entwicklungskosten dürften bereits im ersten Jahr komplett refinanziert werden – eine Sensation in diesem Segment. In den kommenden Jahren wird die Dividende auf diese Investments entsprechend noch sensationeller ausfallen.

Merke: Des einen Sparen ist manchmal des anderen Gewinn – Ökonomie kann kompliziert sein. Der Impfweltmeister Israel hat das wohl bereits erkannt. Würde mich nicht wundern, wenn die bereits jetzt Kapazitäten für 2022 einkaufen. Aber darüber sprechen wir hier im Land der Dichter und Denker besser mal frühestens in einem Jahr. Ein in unseren Medien gern gesehener „Wissenschaftler“ nennt diesen Sch…d…ck an Lernunwilligkeit meist „mit dem Virus leben lernen“ und spricht von dem Fachbegriff „endemisch werden“, den wir hoffentlich trotz seines Einflusses nicht vollständig der Brutalität biologischer Evolutionsprozesse überlassen müssen.

 

 

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