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Europas Angriff auf Paypal

Europas Angriff auf Paypal“ titelt die FAZ heute. Inhalt des weitgehend unkritischen Beitrags ist eine Initiative der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission, die insbesondere aufgrund der im Rahmen der Corona-Krise gewachsenen Bedeutung von elektronischen Zahlungsdiensten wohl aus einer Art Dornröschenschlaf (nicht) erwacht sind. Demnach missfällt den europäischen Notenbankern und Politikern „die europäische Kleinstaaterei beim Bezahlen“, die dazu führe, dass „amerikanische Konzerne wie Visa, Mastercard und Paypal den Zahlungsverkehr dominieren“.

Im Zahlungsverkehr hat sich also einiges geändert hat und – siehe da – Europa spielt dabei keine Rolle! Schön, dass der Kommission im Corona-Jahr 2020 auch dieses Thema mal aufgefallen ist. Daher wurde „schon“ im vergangenen Herbst seitens der EU-Kommission eine „EU-Strategie für den Massenzahlungsverkehr“ entworfen. „Damit sollen Finanzbranche und Handel animiert werden, amerikanischen Konzernen zu trotzen“.

Toll.

Paypal zittert schon.

Die FAZ berichtet ausführlich, was die Kommission sich dabei so alles denkt und wohin sie die Initiative entwickeln möchte. An erster Stelle steht natürlich der Datenschutz, ganz klar. Wir sollen also zukünftig sicher sein, dass die Daten in Europa bleiben. Der zweite Punkt ist, dass es in ganz Europa einheitlich funktionieren muss, der Verbraucher wolle schließlich in Holland genauso bezahlen, wie in Italien. Weitere Punkte gibt es nicht. Die EU-Phantasie beschäftigt sich also weitgehend damit, Probleme zu lösen, die anderweitig bereits gelöst sind.

So setzt man sich mit Wettbewerb auseinander, wenn man in einem bequemen Sessel sitzt. Kein Unternehmer käme auf die Idee, in einem dynamischen Markt ein neues Produkt zu platzieren, das die minimalen Kernleistungen der Wettbewerber als Ziel hat.

Ansonsten beschäftigt man sich auch kaum mit der Frage innovativer Leistungsfähigkeit, sondern vielmehr mit der Kernkompetenz europäischer Innovatoren: Man identifiziert Probleme und Hindernisse. Die sieht man insbesondere bei den Banken, die mit ihren vielen verschiedenen hauseigenen oder maximal national einigermaßen einheitlichen Systemen so einer EU-weiten Supernova im Weg stehen. An der Stelle wünscht man sich entsprechend „mehr Tempo“.

Wer sich nun an die Frage der Impfstoffbeschaffung erinnert fühlt, liegt vollkommen richtig: Das wird Paypal natürlich nicht erzittern lassen.

Fangen wir mal beim Datenschutz an. Nun, viele Bürger der EU würden ihre Finanzdaten vermutlich lieber auf den Cayman-Islands als im Dunstkreis des nationalen Finanzamts sehen. Ansonsten haben Verbraucher vor allem zwei Interessen: Ein Zahlungssystem muss einfach nutzbar und sicher vor Missbrauch durch Dritte sein. Aufgrund des zweiten Anliegens hat die EU den Banken jüngst bekanntlich eine Mehrfaktor-Identifikation vorgeschrieben, weshalb man heute ein simples Girokonto ohne ein Smartphone oder eine Tanliste nicht mal nach seinem Kontostand befragen kann. Einfach ist anders.

Was die Sicherheit betrifft, so ist das halt eine komplexe Sache, die von Bank zu Bank und von Mal zu Mal unterschiedlich läuft. Während wir bei den Banksystemen regelmäßig über Störungen oder Cyber-Angriffe lesen, bleiben solche Meldungen bei den technologisch führenden Anbietern irgendwie aus. Könnte daran liegen, dass große und weltweit agierende Technologiekonzerne dabei Wettbewerbsvorteile gegenüber IT-fußlahmen Banken haben? Das scheinen auch die Verbraucher zu wissen oder zu ahnen, denn an der technologischen Zuverlässigkeit und Sicherheit der großen Plattformen hat kaum jemand Zweifel. Man schreibt Amazon, Apple, Google & Co zwar unschönes Geschäftsgebaren zu, aber schlechte oder unzuverlässige Produkte halt nicht.

Hinzu kommt natürlich der Kundenzugang. Während Banken ihre Dienstleistungen erst mal beim Kunden platzieren müssen, sind die großen Player mit breiten Ökosystemen unterwegs, in denen sich die Kunden ohnehin bewegen. Google hat beispielsweise seinen Zahlungsdienst einfach in das Android-System integriert und damit ist der rein technisch nach wenigen Monaten in der Westentasche von knapp drei Milliarden Menschen weltweit. Ohne einen einzigen Marketingdollar. Klar, aktiviert und genutzt ist der Dienst damit noch nicht – aber ein „gewisser“ Vorsprung ist das schon.

Man könnte diesen Bericht über die maßgeblichen Entwicklungen im Zahlungsverkehr endlos fortsetzen, ich mache es kurz: Paypal zittert in der Tat und auch die Kreditkarten-Unternehmen schauen mir größtem Respekt auf die führenden Plattformen mit ihren mächtigen Ökosystemen. Von der Entwicklung neuer Hardwarekomponenten (Apple&Co) über die Integration in ein mächtiges Geflecht aus eCommerce, Logistik und Handel (Amazon) bis zu kostenlosen, weil werbefinanzierten Angeboten (Google) steht der Bereich vor – Achtung Buzzword – mal wieder disruptiven Veränderungen. Dabei werden von vollkommen neuen Produkten und Services bis zu innovativen Geschäftsmodellen alle möglichen Facetten auf uns zu kommen.

Der Zahlungsverkehr ist ein Eldorado für Datengewinnung, Kundenbindung und Upselling-Services jeglicher Art. Das lassen die ganz großen Bigtechs sich nicht entgehen und zu denen gehören inzwischen auch ein paar Chinesen mit nicht geringerem Potenzial. Wir dürfen recht sicher sein, dass Servicequalität, Einfachheit und ganz sicher auch die Transaktionskosten, egal, wer sie trägt, dramatisch sinken werden – vermutlich sogar bis auf Null bei Querfinanzierungen über neue Geschäftsmodelle.

Wenn die Europäer dem nun mit so einem Vorgartenzirkus begegnen, ist das vor allem mal wieder peinlich, weil es nur zeigt, dass man nicht mal das Problem erkannt hat, geschweige denn in der Lage sei, so etwas wie eine eigene Lösung anzubieten. Selbstverständlich wird auch dieses Thema wie alle anderen aus der Digitalisierung in großen und global agierenden Lösungen aus sehr wenigen Händen aufgehen. Ebenso wird es aus der Technologie getrieben und nicht aus Wunschdenken. Es wird auch nicht alleine darum gehen, das Bezahlen an sich einfach und sicher zu machen, es wird wie immer um die Integration in Funktionsvielfalten gehen und eine Kombination aus mehreren Geschäftsmodellen werden. Alleine deshalb zittern die heute durchaus bärenstark aufgestellten Leithirsche zurecht, denn in einer zukünftigen digitalen Finanzwelt könnte die singuläre Leistung des Bezahlens schlicht untergehen.

Insofern haben EZB und Kommission nicht mal die richtigen Kandidaten im Visier, wenn sie die US-Dominanz beklagen. Sie sollten aber vor allem erkennen, dass die Banken Teil des Problems und keinesfalls der Lösung sind. Ein weiteres Teil des Problems sind die Initiatoren selbst, die sich gerade im Finanzwesen vor allem als Bürokraten und Regulatoren dermaßen ineffektiv und kontraproduktiv austoben, dass der erste Teil des Problems, also der Bankensektor, bei der Sache ohnehin ausfällt. Im Gegenteil sorgt die Regulation in Europa dafür, dass sich zwingend nur außerhalb des Bankensektors so etwas wie Agilität und Innovation entwickeln kann.

Hier redet also ein Fußlahmer über die Beteiligung an einem olympischen Sprint, möchte den an andere Fußlahme delegieren, die er mit Fußfesseln versorgt an den Start bringt und dabei auch noch das Schwimmbad mit der Rennbahn verwechselt.

Meine These: Das Vorhaben wird absaufen.

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