two boy playing chess grayscale photo

Populisten sind keine Strategen

Die größte Gefahr populistischer Politiker liegt in ihrem fehlenden strategischen Verständnis. Sie gehen meist davon aus, die einzigen zu sein, die ihre Handlungsweise grundsätzlich ändern werden, während sie allen anderen unterstellen, weiter so zu handeln, wie bisher. Sie denken ich-zentriert über ihre eigenen Absichten und nehmen nicht zur Kenntnis, dass ihre Umwelt auf radikale Maßnahmen ebenso radikal reagiert.

Daher setzen sie sich meist nicht mit den möglichen Reaktionen anderer auseinander, sondern nur mit den eigenen Aktionen. Damit sind sie bereits als Schachspieler verloren, denn bekanntlich ist bei diesem Spiel jeweils der eigene Plan mit den möglichen Plänen des Gegenübers abzuwägen. Als politische Führer sind sie vor allem eines: Eine Gefahr für ihr Land.

So war die antichinesische Politik von Donald Trump weder neu, denn bereits seine Vorgänger hatten sehr wohl ihre Programme, Chinas Einfluss zu begrenzen, noch war sie erfolgreich, da die Methode eines Wirtschaftskriegs nun mal Handlungen des Gegners provoziert, die man zumindest erwägen sollte, bevor man los schlägt. Trump dürfte sich als wirksamster Förderer der chinesischen Ökonomie sowie der internationalen Handelsabkommen unter maßgeblicher chinesischer Beteiligung erweisen. Wenn China als Reaktion auf Trumps dümmlich plumpe Politik nun auch noch in den bisher eher den USA überlassenen Feldern der Chip-Entwicklung und der Digitalisierung gezwungenermaßen aufholt, könnten zentrale Autonomiebereiche der US-Ökonomie getroffen werden. Wollen wir dann mal sehen, wer wem in ein paar Jahren die Handelsbedingungen und den Zugang zum jeweiligen Markt diktiert.

Der zweite bekannte Populist in Chef-Position, Boris Johnson, hat nun den Brexit endlich abgeschlossen – glaubt er jedenfalls. Noch so einer, der den schlicht gedachten Irrglauben verfolgt, mit mehr Autonomie für sein eigenes Land könne man die besseren Entscheidungen treffen. Das gleicht einem Schachspieler, der glaubt, seine Figuren seien autonom und die des anderen seien es nicht. Niemand ist autonom auf unserem Planeten, so einfach ist das.

Natürlich ist der Brexit nicht vorbei, er beginnt gerade erst. Johnson rühmt sich nun, ein ganz wunderbares Abkommen mit der EU erreicht zu haben und muss nun in seiner neu gewonnen Autonomie feststellen, dass er bei Handelsabkommen mit weiteren Regionen nicht so recht weiter kommt. Das dürfte sich auch nicht großartig ändern, denn sein eigener Markt ist so klein geworden, dass bereits die internationale Interessenlage an Regelungen mit UK nicht groß ist. Zudem will die Welt erst mal sehen, wie die Ökonomie in UK den Brexit übersteht, bevor man in solche Verhandlungen geht.

Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung liegt in der Frage, ob man mit Johnson überhaupt noch zu sprechen hat, wenn man das derzeit existierende UK betrachtet. Was Johnson natürlich ebenfalls übersehen hat, sind die Folgen seines Kurses auf die Reaktionsfähigkeit anderer, denen die Sache mit dem UK schon länger ein Dorn im Auge ist. Nun regt sich also vor allem in Schottland die separatistische Partei und die möchte so schnell wie möglich den Schwung, den Johnson ihr beschert hat, nutzen: „Schottische Unabhängigkeitsbefürworter steuern auf Rekordwert zu“ titelt der Spiegel. Sie erwägen nun sehr schnell ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum, die Gunst der Stunde …

Im Unterschied zu früheren Aktionen haben die Befürworter nun ein neues Argument: Sie können Schottland zurück in die EU bringen und das würde sich vermutlich nun rechnen. Bisher wäre eine Unabhängigkeit eine eher politische Maßnahme gewesen, da England der wichtigste Handelspartner ist und eine EU-Mitgliedschaft den Rest regelt. Nun ist das anders, denn aus England und EU wurde die Gleichung England oder die EU. Nun könnten auch schottische Ökonomen zur Erkenntnis kommen, dass eine Regierung in Schottland plus EU-Mitgliedschaft besser ist, als eine Regierung in London und die Mitgliedschaft in einem Modell von vorgestern, das sich immer noch UK nennt, aber tatsächlich um seinen chronisch rückläufigen Rang auf dem Planeten zu ringen hat.

Wenn Politiker uns irgendwelche einseitigen „Strategien“ verkaufen wollen, die im Kern nicht mehr Weisheit als den Irrglauben rein autonomer Entscheidungen umfassen, sollten wir weglaufen. Denn: Es gibt keine autonomen Entscheidungen so lange mehr als ein Mensch beteiligt ist. Kinder erkennen das bei einem normalen Entwicklungsverlauf in den ersten fünf, maximal sieben Jahren. Bei Trump und Johnson ist das offensichtlich misslungen.

Beitrag teilen:

Ähnliche Beiträge