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Diskussionen über Schulöffnungen verkennen die Dimension der Krise inklusive ihrer Chancen

Vor der nun anstehenden Bund/Länder-Zusammenkunft über die weitere Pandemie-Strategie drängen sich wie immer die Diskussionen über Schulöffnungen in den Vordergrund.

Ich bin strikt gegen Schulöffnungen, da ich es für mathematisch erwiesen halte, dass die neue B117-Variante bei uns in wenigen Wochen führend sein wird. Das führt zu einem Szenario, in dem selbst unter den aktuellen Maßnahmen wieder ein starkes exponentielles Wachstum eintritt, das wiederum wenige Wochen später erneut zur Kapazitätsgrenze der Gesundheitsversorgung wie am Jahreswechsel führt. Diese wesentlich schnellere Variante stellt uns vor zwei Probleme zugleich: Die Reaktionsgeschwindigkeit unserer Gesellschaft/Politik ist dafür deutlich zu langsam und die bisher bei uns ergriffenen „härtesten“ Maßnahmen sind zu wenig.
 
Zugleich sehen wir an der Impffront die Nachricht aus Südafrika, dass gerade die in Massen herstellbaren und auch für die Impfstrategie der EU maßgeblichen Vektor-Impfstoffe durch Mutationen schnell an Wirkung verlieren und wir sehen dort sowie in Brasilien auch die Tendenz, dass Mutationen sich nun wohl evolutionär eher in die Richtung wachsender Gefährlichkeit für alle Altersgruppen entwickeln. Daher sehe ich eine andere Punkteliste:
 
1. Hinweise auf vermeintlich harmlose oder gar im Sinne einer Immunisierung „sinnvolle“ Infektionen müssen ein für alle Mal als gefährliches biologisches Experiment mit existenziellen Gefahren für Gesundheit, Gesellschaft und Ökonomie gekennzeichnet werden. Wir gefährden damit unsere einzige moderne Waffe, die Impfstrategie – und damit unsere Zukunft für viele Jahre. Das ist das Ergebnis unseres Wissens! Wer anderes behauptet, hat sich aus der Wissenschaft verabschiedet und betreibt Agenda.
 
2. Der mehrjährigen Zukunftsperspektive mit dem Ziel einer Kontrolle und lebensfähigen Eindämmung der Pandemie sind alle kurzfristigen Überlegungen unterzuordnen. Insbesondere wissenschaftliche Diskussionen in der Öffentlichkeit sowie politische Entscheidungsprozesse in unserer Demokratie haben sich der Frage zu stellen, wie diese Pandemie NACHHALTIG einzudämmen ist. Das Jahr 2021 hat die Grundlage für die Folgejahre zu liefern und diesen nicht die Grundlage zu entziehen. Ein Jahr ist in diesem Prozess NICHTS.
 
3. Dafür vorübergehend erforderliche Maßnahmen sind als der Krise geschuldet erforderlich. Die Diskussion muss sich auf die Kompensation der Folgen dieser Maßnahmen fokussieren und darf nicht mehr die Maßnahmen selbst in Frage stellen. Die Maßnahmen sind gänzlich anhand ihrer Effektivität zur Eindämmung von Infektionen jeder Art und in jedem Alter zu diskutieren.
 
4. Die Diskussion über die Verwendung der aufgewendeten Hilfsmittel muss ganz offensichtlich in den Fokus, denn die Höhe der Mittel übersteigt in allen Industrienationen die Höhe der Schäden. Damit ist unstrittig erwiesen, dass es Profiteure der Krise geben muss. Mit Blick auf zugleich trotzdem feststellbare Not vieler Gruppen haben wir ebenso unstrittig ein Verteilungsproblem, aber keinen Mangel an Ressourcen, um die Maßnahmen zu kompensieren. Insofern sind die Diskussionen über die Maßnahmen überwiegend verfehlt, da sie die Höhe der Schäden eher steigern und das Verteilungsproblem zugleich verdrängen. Daher füllen diese Diskussionen nur noch mehr die falschen Taschen. Das sollte endlich zu einem gesellschaftlichen Einigungspotenzial führen, denn die tatsächliche Spaltung bei Vermögen und Einkommen verläuft gänzlich anders als die Spaltung in der Pandemiefrage. Erstere wird aber die Pandemie überleben und damit ein vorher bereits existierendes gesellschaftliches Spaltungspotenzial weiter steigern.
 
5. Negative Folgen jenseits der finanziell/ökonomischen Sicht sind nicht mehr als Anlass zu nehmen, die Maßnahmen in Frage zu stellen, sondern sind als konkrete Grundlage für Hilfsmaßnahmen Betroffener anzusetzen. Dafür erforderliche Mittel sind bereitzustellen. So muss die Betreuung psychisch Kranker, die Entlastung sozial schwacher Familien sowie die soziale Entwicklung von Kindern und Heranwachsenden als Problem sehr wohl erkannt und spezifisch gelöst werden, aber eben nicht in Form von einer Rückkehr zu einer „Normalität“, die viele dieser Probleme erst erschaffen hat! Dieser Zirkelschluss muss enden und wir müssen unsere Diskussion in der Krise endlich auch als Chance sehen, viele Missstände zu beheben, statt zu ihnen zurückzukehren.
 
6. Insofern müssen die Ziele aller Maßnahmen konkret formuliert werden: i) Nachhaltige Eindämmung und Kontrolle der Pandemie durch eine neu zu errichtende Impfinfrastruktur für den gesamten Planeten. ii) Maximal mögliche Eindämmung jeglichen Infektionsgeschehens bis zu Erreichung einer Impfinfrastruktur für alle. iii) Bereitstellung von Ressourcen zur Kompensation ökonomischer Schäden sowie deren effektive und angemessene Verteilung. iv) Aufbau konkreter Hilfsprogramme und Hilfseinrichtungen für nicht ökonomische Folgen. v) Nutzung aller Maßnahmen und Programme zur Verbesserung sowie Behebung der in der Krise erkannten, aber zuvor bereits existierenden Missstände.
 
7. Definition von Maßnahmen, die dauerhaft zur Verbesserung der gesellschaftlichen und ökonomischen Situation beitragen können. Diese sind in einer Prioritätenliste zu bevorzugen. Bei Unklarheiten beginnt die Diskussion mit 6.i erneut.
 
Konkret zu den Schulen ist meine Sicht inzwischen sehr radikal: Wir sollten bereits aus Gründen der Gleichbehandlung prüfen, ob wir ein Moratorium über das Schuljahr verhängen und eine Schülergeneration halt eine sechs Monate längere Ausbildung zugestehen, um diese jungen Menschen in der Krise nicht zu überfordern. Jahrgänge, die unmittelbar vor Abschlüssen stehen, mögen dabei eine Ausnahme bilden. Alle Berechnungen zu vermeintlichen Großschäden einer solchen Verzögerung gehören nach Absurdistan, Ministerium für kaputte Statistiken, Unterabteilung Excel-Müllkippe.
 
Zur sozialen Entwicklung dieser Generation von Kita über Grundschule bis zu einer noch zu diskutierenden Altersgruppe in den weiterführenden Schulen wäre eine Betreuung mit der Zielsetzung des sozialen Austauschs und der Begegnung mit gleichzeitiger Entlastung der Familien zu entwerfen. Das muss unter Seuchenschutzbedingungen möglich werden. Wenn dazu andere Räumlichkeiten erforderlich sind, sollen bitte schön statt Entschädigungen Gaststädten, Hotels, Kongresscenter etc. angemietet werden und parallel das Gerümpel an schrottreifen Schulgebäuden saniert werden – inklusive moderner Luftreinigung.
 
Das wäre nur eines von sehr vielen möglichen Infrastrukturprogrammen gemäß 7 und zugleich könnte man in Sachen Kinderbetreuung vielleicht sogar etwas dazu lernen, was die genannten Überlegungen in der Unterabteilung Excel-Müllkippe ersetzen möge?
 

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