Ich schätze die Beiträge des Ökonomen Daniel Stelter sehr. Seine Analysen sind exzellent. Oft kommt er zu Lösungsvorschlägen, die aus meiner Sicht zu nah der alten VWL-Schule sind. Manche würden das wohl neoliberal nennen. Seine Analysen schwächt das nicht.
Wie viele Kommentatoren spricht auch er in seinem jüngsten Beitrag für das Manager-Magazin von Staatsversagen. Der Begriff ist mir zu groß, dazu wird es hoffentlich nicht kommen. Aber mehr als Politikversagen müssen wir wohl feststellen. Es haben auch relevante Teile des administrativen Systems versagt.
Veränderung ist zweifellos notwendig und die kann nicht erfolgen, wenn es keinen klaren Blick auf das Versagen gibt. Es ist richtig, in der Krise zusammenzustehen, aber in unserer Situation bedeutet es offensichtlich, gemeinsam Druck auf die Politik und die versagenden Strukturen zu machen.
Die CDU hat sich jüngst für einen Vorsitzenden entschieden, von dem keine Besserung und erst recht keine Veränderung zu erwarten ist. Auch darauf haben die Wähler gestern reagiert.
Das ist gut so, aber nicht mehr als ein Anfang, denn zugleich fehlt es an geeigneten Alternativen. Momentan kann der kritische Wähler wohl nur dort „ja“ sagen, wo er am wenigsten „nein“ findet.
Wollen wir hoffen, dass diese Krise und der von der Gesellschaft geforderte Veränderungsdruck bald zu mehr Angebot als sorgenvolle Diskussionen über den Mallorca-Urlaub führen.
Ich vermisse momentan Persönlichkeiten, die sich der Tragweite dieser europäischen Dauerkrise, in die Covid-19 wie ein Komet eingeschlagen ist, bewusst sind und die sich nicht scheuen, von sich selbst, von der gesamten Politik und von den unglaublich verrotteten Staats- und Verwaltungsstrukturen die notwendige Modernisierung zu erwarten.
Die Gesellschaft hat die Aufgabe, das zu fordern und zu unterstützen, sobald es angeboten wird. Der Anfang könnte darin bestehen, selbst nicht mehr über den Mallorca-Urlaub nachzudenken.
Es gibt wichtigere Themen, wir alle sollten sie auf die Agenda zwingen.