Homo Sapiens lässt sich bekanntlich erst durch einen erheblichen Level an Schaden und Schmerz von eingeschlagenen und als bequem erkannten Wegen abbringen. Während insbesondere die Länder Ost-Asiens bei der Pandemie-Bekämpfung flexiblere Denk- und Reaktionsmuster als Europäer oder Nordamerikaner zeigen, ist das beim Plastikmüll anders.
Bereits frühere Untersuchungen – die bekannteste von Schmidt et al. – kamen einvernehmlich zu dem Ergebnis, dass 80 % des weltweiten Plastiks im Meer insbesondere über Flüsse in den Ozean gelangen. Der immerhin auch 20% ausmachende Rest stammt aus marinen Quellen, insbesondere Schiffen. Ferner wurden die Regionen Ost-Asiens als wesentliche Quelle von wiederum 80% des Mülls ausgemacht.
Eine neue und anhand wesentlich höher aufgelösten Daten erstellte Untersuchung von Meijer et al. bestätigt diese Ergebnisse grundsätzlich, kommt aber zu einer deutlich genaueren Lokalisierung der Quellen. Die 80%ige Herkunft aus Flüssen Ost-Asiens wird demnach bestätigt, aber es sind nicht die fünf größten Flüsse, sondern mehr als 1.600 aus den fraglichen Regionen.
Bezüglich der größeren regionalen Zuordnung bestätigt die neue Studie die bisherigen Ergebnisse. Demnach stammt mehr als 80% des Plastikmülls aus Asien, wo 60% der Weltbevölkerung leben. Mit knapp 8% folgen die Afrikaner sowie mit 5,5% die Südamerikaner, also ebenfalls ärmere Regionen. Unter den westlichen Industrienationen liegen die von der Bevölkerung kleineren Nordamerikaner mit 4,5% weit vor den Europäern, die mit 0,6% kaum mehr einen Anteil haben. In dieser traurigen Statistik liegen die Europäer also dort, wo es unser Anspruch auch sein sollte.
Diese besser aufgelöste Studie von Meijer et al., die den vorherigen also nicht widerspricht, sondern vermutlich die Zuflüsse der großen Ströme sowie die Küstenregionen besser unterscheiden kann, erlaubt dadurch aber auch eine noch genauere regionale Zuordnung. Demnach konnten die Philippinen mit mehr als einem Drittel des Gesamtaufkommens als mit Abstand größter Sünder identifiziert werden, gefolgt von Indien und dann China.
Diese drei Länder sind demnach für mehr als 55% des Plastikmülls in den Weltmeeren die Verursacher. Vor allem die Philippinen ragen dabei im pro Kopf Aufkommen traurig hervor.
Da inzwischen bekannt ist, dass dieser Müll sich im Laufe der Zeit in Mikroplastik zerlegt, der die Weltmeere vergiftet und bis in die Nahrungsketten reicht, ist das Problem bekanntlich weder auf große Mengen herum schwimmender Tüten, noch auf die asiatischen Meere begrenzt.
An diesem Problem ist erkennbar, dass die exponentiell wachsende Erzeugung von Emissionen und Abfällen, mit denen der Mensch den Planeten systematisch vergiftet, nicht auf CO2 begrenzt ist. Natürlich ist dieses spezifische Vergiftungsproblem ganz besonders überflüssig, denn während wir bei CO2 letztlich über den nur sehr schwer ersetzbaren Energiebedarf des Menschen sprechen, handelt es sich hier um vergleichsweise leicht ersetzbare Transport- und Verpackungsmaterialen, die in diesem Umfang weder gebraucht werden, noch einfach weggeworfen werden müssen.
Dennoch weist dieses weitere Beispiel einer Ausplünderung und Vergiftung des Planeten auf die grundsätzliche Problematik hin, weshalb es leider sogar verkürzt ist, von Klima und CO2 zu sprechen. Homo sapiens sollte aufhören, das Problem klein zu reden, sonst jagt er alle paar Dekaden immer nur ein neues Schwein durchs Dorf. Wir kennen diese Debatten nun seit mehreren Jahrzehnten und reden uns gerne ein, es handle sich um isolierte Themen, die jeweils einer technologischen Lösung zuzuführen wären. So wurden gegen die FCKW-Emissionen neue Kühlmittel entwickelt und nun sollen uns die Elektro-Autos sowie die erneuerbaren Energieträger das CO2 vom Hals schaffen.
Das wesentliche, das wir tatsächlich erkennen sollten, ist die traurige Tatsache, dass diese vermeintlich isolierten Probleme immer größer und ihre Bewältigung immer aussichtsloser wird. Die ursächlichen Treiber sind zwei wesentliche Faktoren, die anzusprechen leider schmerzhaft ist: Die exponentielle Bevölkerungsentwicklung und die ebenso exponentielle „Wohlstandsmehrung“. Damit sind wir bei dem aktuellen Thema Exponentialrechnung, welches uns sogar überfordert, wenn es eine Epidemie ist, die sich in atemberaubend kurzer Zeit vermehrt.
Bei der Bevölkerungsentwicklung gibt es immer mehr „Beruhigungspillen“ aus Studien, die das Wachstum analysieren und zu Ergebnissen kommen, dass dieses mit der „Wohlstandsmehrung“ sinkt. Böse ausgedrückt: Je satter und bequemer Homo sapiens es hat, desto weniger vermehrt er sich. Entsprechend sind die jüngsten Wachstumszahlen in folgendem Chart erstmals in der Geschichte der Menschheit stark sinkend – in früheren Zeiten „brauchte“ der Mensch dafür entweder große Kriege oder Pandemien.
Nun weist die Diskussion über die Weltbevölkerung interessanter Weise einige Parallelen zur laufenden Covid-19-Pandemie auf, denn viele Meinungen gehen in die Richtung, dass sich die Sache irgendwie auch von selbst erledigen werden. Während bei der Pandemie gerne Modelle über wachsende Immunität herhalten, sind es bei der Weltbevölkerung diese These, die „Wohlstandsmehrung“ sei der Bremsfaktor für die Bevölkerungsentwicklung.
Es ist bemerkenswert, welche Energie der Mensch aufbringt, um sich selbst zu erklären, dass er genau so oder zumindest so ähnlich weiter machen sollte, wie bisher. Mathematisch ist an der Stelle bisher keine Entwarnung zu geben, denn die Schwankungen beim Wachstum der Weltbevölkerung sind in der langfristigen Entwicklung der Ausbreitung von Homo Sapiens kaum erkennbar.
Dass die Formel „mehr Wohlstand gleich weniger Menschen“ verbunden mit den bisher erkennbaren Folgen von „Wohlstandsmehrung“ aufgeht, ist nüchtern mathematisch analysiert kaum erkennbar. Vielmehr müssen wir bei allen Daten über die Exploration endlicher Ressourcen sowie deren Transformation in planetares Gift erkennen, dass der Gesamttrend bei einer exponentiellen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen verbleibt. Das hat sehr viel mit den aktuellen Debatten zur Pandemiebekämpfung zu tun, denn übersetzt in die nicht mathematische Formel bedeutet das: Was der Mensch in einigen Jahrhunderten als „Wohlstand“ entwickelt hat, ist ein immer schwieriger zu stoppendes Programm zur Vernichtung seiner Lebensgrundlage.
Dabei hat offensichtlich jede Kultur ihre eigenen Probleme. In den westlichen Demokratien zeigt uns die Pandemie, dass dieses Selbstvernichtungsprogramm gleich auf zwei Grundwerte trifft, die uns so wichtig sind: Das ist bei uns nämlich nicht nur das, was wir als Wohlstand empfinden, dessen Level wir ökonomisch messen und dessen Mehrung wir als gesellschaftliches Ziel bewerten. Es ist ganz offensichtlich auch unser Begriff von Freiheit, der hier berührt wird. Mit Blick auf aktuelle Sterbefallzahlen wird leider erkennbar, dass selbst die unmittelbar zählbare Zerstörung menschlichen Lebens nicht ausreicht, um damit auch nur temporäre Einschränkungen dessen, was viele als Freiheit empfinden, zu begründen: Nämlich das Primat von individueller ökonomischer Mehrung und Konsum.
Mal wieder nüchtern mathematisch betrachtet, kann man mit Blick auf diese planetare Gesamtbilanz leider nur entgegnen: Ohne eine rasche und konsequente Beschränkung des Wachstums sowohl der Bevölkerung als auch der Ökonomie wird die einzige alternative Lösung nur ein Massensterben sein können. Es ist wie im Mikrokosmos einer Pandemie: Das Wachstum der Pandemie muss durch Gegenmaßnahmen negativ werden, sonst wird es durch Krankheiten und Sterbefälle auf natürliche Weise negativ.
Eine weitere Parallele zwischen Pandemie und „Klima“-Debatte besteht in der Definition der Ziele, worin eine Grundlage für eine Strategie liegt. Bei der Pandemie haben diejenigen Staaten die deutlich bessere Bilanz, die erkannt haben, dass jedes noch so kleine Wachstum der Pandemie sofort zu unterbinden ist, weil so ein exponentieller Prozess ansonsten nicht mehr „diesseits“ seiner natürlichen Grenzen stoppt. Offensichtlich war dieses Ziel für andere Staaten zu „schmerzhaft“, hier wird immer noch über Grenzwerte gestritten, deren Einhaltung real sinnlos ist. Nun werden die Impfungen in der Tat eine technologische Lösung dieser Pandemie bringen, so dass der Dauerstreit über die eigentlich als sinnlos bewiesenen Grenzwerte erhalten bleiben dürfte, ohne dass weiter gestorben werden muss.
Beim „Klima“ ist das leider sowohl komplexer als auch folgenreicher, denn hier läuft die Menschheit in der Tat auf einen weit größeren Zielkonflikt hinaus. Es geht um mehr als das Klima, es geht ganz analog zur Diskussion um den Reproduktionsfaktor R um eine einfache und zentrale Frage: Ob die „Lösung“ durch eine kontrollierte oder eine natürliche Wachstumsumkehr erfolgt. Anders ausgedrückt: Der Mensch muss ein negatives Wachstum selbst herbeiführen, sonst wird der Planet das tun. Das Ergebnis wird so oder so Negativwachstum sein, ein selbst kontrolliertes sollte der Anspruch sein. Das ist aber genau das Gegenteil der heute erkennbaren Ziele in allen Kulturen und Systemen – von den westlichen Ökonomien über die vielen Formen von Autokratien in Schwellenländern bis zum chinesischen Staatskapitalismus.
Es mag vielleicht sogar beim CO2 nochmals gelingen, eine singuläre Problematik zu heilen und diese Emissionen mit tragbaren Kollateralschäden in ein Negativwachstum zu überführen. Nachhaltig wird der Mensch aber die eigentlich ursächlichen Wachstumsraten angehen müssen – oder das halt seinem Ökosystem überlassen.
Die dahinter liegende Frage ist ganz simpel und zeigt erneut eine Parallele zur Pandemie: Momentan ist der Mensch nicht intelligenter als eine Bakterienkultur, die in einer kleinen Nährlösung durch ihre exponentielle Vermehrung zugleich exponentiell ihre Lebensgrundlage vernichtet – bis sie ausstirbt?
Vielleicht schafft der Mensch es nicht, diesen Prozess zu stoppen. Er sollte aber wenigstens den Anspruch haben, ihn zu erkennen. So viel Ehrlichkeit darf sein – über die Klimadebatte hinaus.