Der Spiegel-Beitrag zur aktuellen Börseneuphorie vieler Kleinanleger ist richtig und falsch zugleich: Leider wiederholen sich möglicherweise die Fehler der Kleinanleger vom Ende der 90er, als sie nahezu blind jedes Internet-IPO zeichneten und anschließend hoch jubelten. Als das Kartenhaus nach 9/11 entgültig einstürzte sind die meisten dieser jungen Unternehmen verschwunden und die Kleinanleger hatten Totalverluste, die aufgrund der Fehlallokation auch durch die spätere Börsenentwicklung nicht mehr kompensiert wurden. So mancher hat sich damals von der Börse verabschiedet und ist – leider – wieder zum Geldsparer geworden, der von späteren Börsenrekorden nichts hatte.
Nun wiederholt sich das mit Wasserstoff-Aktien, Schwarmangriffen auf Shortseller und der Followerschaft von dies schamlos ausnutzenden Figuren wie Musk beim Bitcoin. So mancher Kleinanleger liegt mächtig im Plus, wie diese hoffnungslos überbewerteten kleinen Techunternehmen ohne nennenswertes Geschäft zeigen. Das zieht weitere Anlagen offensichtlich magisch an.
Es ist leider allzu wahrscheinlich, dass wie in den 90ern eben nur wenige dieser neuen Stars später zu Google werden. Darauf weist der Beitrag vom Spiegel zurecht hin. Zugleich verliert er sich in dem beliebten Angstthema vor den Risiken der Börse und spart nicht mit den einschlägigen Begriffen wie „Zocken“ & Co.
Das führt zu einer falschen Aussage, denn die Aktienanlage gehörte schon immer zu einer ausgewogenen Geldanlage und sie ist aufgrund der Notenbankpolitik wichtiger geworden. Anders als in vielen Beiträgen suggeriert ist es ferner kein Thema für „Millionäre“, weil es inzwischen Bankdienstleistungen mit niedrigen Transaktionspauschalen und insbesondere kostengünstige ETF-Konzepte gibt, die bereits für kleinste (Aktien-)Sparbeträge das in diesem Artikel untergehende zentrale Thema umsetzen: Eine gute Streuung bzw. Allokation der Mittel.
Richtig ist nämlich, dass ein breit gestreutes und strategisch gut allokiertes Portfolio dank der genannten neuen Produkte erstens bei 100 EUR beginnt und zweitens eine langfristig zuverlässig durch keine andere Anlageklasse erreichte Rendite erwirtschaftet.
Der hier dargestellte Fehler heißt also nicht „Börse“ sondern „Fehlallokation“. In diese bei Kleinanlegern so beliebten Werte steckt man bei einer ausgewogenen Allokation maximal fünf bis zehn Prozent des für Aktien genutzten Anlagevermögens bei zugleich breiter Streuung über möglichst alle Techwerte. Zugleich begrenzt man das Risiko, indem man jede Wertsteigerung über diese Maximalquote sofort umschichtet in andere Werte.
Dieser einfachen Mechanismus begrenzt das Verlustrisiko und schöpft die zwischenzeitlich durchaus erheblichen Zugewinne rechtzeitig ab, so dass selbst ein Zusammenbruch des Segments, der in der Tat sehr wahrscheinlich ist, möglicherweise immer noch mit einem Gewinn enden kann.
Wer sich also durch solche Segmente angezogen fühlt, sollte wenigstens diese Regel beachten. Ansonsten darf man diesen Bewertungsexzessen auch gerne den Rücken kehren und seine Anlagen breit streuen. Wer es ganz simpel will, nimmt ein halbes Dutzend ETFs auf die ganz breiten Börsenindizes und wird damit sehr ruhig fahren. Da gibt es zwar keine schnellen Verdoppler, aber entsprechend auch keine Tageseinbrüche im zweistelligen Prozentbereich. Außerdem bleiben diese Segmente insgesamt erhalten, so lange es überhaupt noch Börsen und funktionierende Unternehmen gibt. Wer es etwas dynamischer haben möchte, nimmt Sektor-ETFs und mischt die strategisch nach Regionen und Branchen, die – vermutete – Zukunft haben. So eine Allokation gehört alle paar Jahre auf den Prüfstand, macht ansonsten aber wenig Arbeit.
Das Investment in Einzeltitel lohnt erst bei größeren Vermögen, weil hier maximal 1% des Gesamtvermögens in einen singulären Titel investiert sein sollten. Das macht also erst Sinn, wenn man durch das Volumen des Gesamtvermögens auch in den teilweise sehr teuren Einzeltiteln eine breite Streuung erreichen kann. Das schlägt die ETFs jedoch lediglich bei den Kosten, denn schlauer als der Gesamtmarkt ist letztlich niemand – trotz aller Gegenbehauptungen übrigens wissenschaftlich erwiesen und zudem nicht wirklich überraschend, sondern zu erwarten: Gäbe es nämlich auch nur annähernd so viele Dauergewinner wie behauptet, müssten denen mathematisch entsprechende Dauerverlierer gegenüber stehen. Die wären aber irgendwann zwingend weg.
Wer es noch dynamischer haben möchte, kann nur dem folgen, was die Profis an den Börsen auch machen: Kurzfristige Schwankungen handeln, also das sogenannte „Momentum“ nutzen. Das setzt aber etwas voraus, was kaum ein Privatanleger mitbringt: Die Bereitschaft, Verluste zu realisieren, wenn man sich beim Momentum geirrt hat.
Leider fehlen diese Hinweise auf ein sinnvolles und unverzichtbares Aktieninvestment dem Beitrag. So ist er primär ein Warnschild ohne weitere Wegweisung.