Leider wird diese Debatte aus den USA unmittelbar auf unsere Steuersystematik übertragen. Das führt zu falschen Rückschlüssen, denn man kann nur die kompletten Systeme und nicht Teile davon vergleichen.
Die USA haben sehr niedrige und nicht progressive Einkommensteuersätze, dafür aber schon immer Steuern, die es in Deutschland zumindest in dem Maße nicht gibt. So werden Vermögen besteuert und es gibt für Veräußerungsgewinne weit weniger Ausnahmen. Zugleich ist es gewollt, dass Privatpersonen insbesondere über Stiftungen letztlich selbst entscheiden können, ob sie der Allgemeinheit mit selbst gewählten Projekten dienen oder ob sie Steuern zahlen. So bekennen sich einige Superreiche vollkommen offen dazu, dass sie kaum Steuern zahlen, sondern lieber ihre eigenen allgemeinnützigen Stiftungen finanzieren. Diese Mittel fließen in Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, Grundlagenforschung – und in jede Menge luxuriösen Unfug. Daher gibt es zurecht wie in allen Ländern Diskussionen über das eigene Steuersystem.
In Deutschland haben wir sehr hohe und progressive Einkommenbesteuerung. Daran ist die zusätzliche Besteuerung von Vermögen stets gescheitert, aus Gründen, die unsere Verfassung vorsieht. So entsteht bei uns ebenso berechtigt eine Diskussion über das Steuersystem, für die diese Beispiele aus den USA vollkommen ungeeignet sind. Wer in Deutschland Vermögen signifikant zur Besteuerung heranziehen möchte, muss zugleich die Einkommensseite entlasten – oder das Grundgesetz ändern. Diesen Zusammenhang geben die wenigsten Protagonisten einer Vermögensteuer zu, so dass deren Entwürfe letztlich nur ein marginales, vom Verwaltungsaufwand kaum zu rechtfertigendes Symbolaufkommen ergeben können. Das ist reine Wahlkampfkommunikation, niemand sollte sich davon etwas versprechen.
Grundsätzlich geht das ohnehin in die falsche Richtung, denn die Refinanzierung staatlicher und gesellschaftlicher Aufgaben muss in Zukunft viel stärker durch die Unternehmen erfolgen. Längst ist die entscheidende Wertschöpfung hier entstanden und die einzige substanzielle Besteuerungsgrundlage gegeben. Dass dort kaum besteuert wird, führt übrigens überwiegend zu diesen großen Privatvermögen, denn der Wert der Aktien wird auch dadurch getrieben, dass die Wertschöpfung der Unternehmen ohne eine Besteuerung bleibt.
Es macht daher gar keinen Sinn, die viel zu wenigen Privatpersonen mit der Steuersystematik besser zu erfassen. Effektiver ist es, deren Quelle anzugehen, also die Unternehmen. Das jüngst begonnene Programm einer globalen Mindestbesteuerung von Unternehmen, derzeit von der G7-Ebene forciert, hat viel bessere Aussichten, die Refinanzierung der Staaten ausgewogen zu gestalten. Treiber des Vorhabens sind übrigens die USA, die das Problem in ihrem Land also auch anders werten als der Spiegel.