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FAZ: „Forscher gegen grüne Geldpolitik“

Der Titel ist wie so oft missverständlich und daher wird der FAZ-Beitrag gerne als Widerstand der meisten Ökonomen gegen die Grünen interpretiert. Gemeint ist jedoch die EZB unter ihrer Präsidentin Lagarde und auch das spielt bei der Befragung nur eine Nebenrolle.
Der große Nachteil solcher Befragungen liegt natürlich darin, dass die Fragen festgelegt sind und die befragten Ökonomen daher keine wirklich eigene Meinung oder Begründung äußern können.
Richtig ist, dass insbesondere unter Ökonomen in Deutschland geldpolitische Maßnahmen jenseits des Mandats der Geldstabilität überwiegend abgelehnt werden. Das ist aus meiner Sicht veraltet und schöpft das Potenzial der Geldpolitik nicht aus. Dass die EZB aber mangels eines konkreteren Mandates und qualifizierter Vorgaben nun aus eigener Initiative eine grüne Geldpolitik beginnt, ist andererseits kaum sinnvoll zu finden. Lagarde hatte in diesem Kontext insbesondere angekündigt, bevorzugt Anleihen von „grünen“ Unternehmen aufzukaufen und dadurch deren Refinanzierung zu verbessern.
Mit Geldpolitik die Finanzierung von neuen Technologien zu fördern, ist eine durchaus sinnvolle Idee. Aber wer legt fest, welche Technologien das sein sollen? Und wer prüft, ob das über den derzeitigen Anleihemarkt, der nur größeren Unternehmen überhaupt zugänglich ist, wirksam funktioniert?
Genau hier liegt nämlich der Fehler des Ansatzes und das hat sehr viel mit der mangelnden Umsetzung eines klaren Mandats zu tun. Die Staaten müssten nämlich neue Investitionsvehikel – beispielsweise spezifische Kreditprogramme oder Unterstützungsfonds – schaffen und entsprechende Regelungen, wem die zugänglich sind. Von diesen Vehikeln aufgelegte Anleihen könnte die EZB durch Aufkäufe oder auch durch Garantien gezielt fördern. Am heutigen Anleihemarkt finden sich nur größere Unternehmen, unter deren Dach sicher auch neue Technologien entstehen, zugleich aber auch jede Menge bestehender Aktivitäten, die keineswegs förderwürdig sind. So ist nicht mal ausgeschlossen, dass letztlich sogar noch Kohlekraftwerke durch die EZB günstigere Kredite erhalten.
Der Schwerpunkt der Ifo/FAZ-Befragung galt aber ohnehin einer anderen Thematik, nämlich der Idee des Emissionshandels im Rahmen der Klimapolitik. Die Mehrheit der Ökonomen – und das ist bei dem derzeit in Oberflächlichkeiten polarisierenden Wahlkampf eine relevante Nachricht – befürwortet ausdrücklich die Intensivierung der Klimapolitik und sie sehen dabei Preisanreize als wesentliches Instrument.
Liest man die Fragen und die Kommentare dazu richtig, wird klar, dass die meisten Ökonomen hier eher mehr Klarheit und Konsequenz fordern. Das geht sogar teilweise über das Programm der Grünen hinaus und es ist vollkommen richtig: Eine intensivere Klimapolitik ist nur über stärkere Preisanreize als heute möglich. Das sollte kein Sammelsurium aus verschiedensten Maßnahmen – von Zertifikaten bis zur Besteuerung – sein und die Einnahmen müssten zudem zweckgebunden sein.
Genau das ist tatsächlich die zentrale Botschaft der Befragung: Die Preise für klimaschädliches Verhalten von Verbrauchern und Industrie müssen schneller angehoben werden und die damit erzeugten Einnahmen sollten gezielt für die Förderung neuer Technologien eingesetzt werden – und nicht im allgemeinen Staatshaushalt verschwinden.
Von vielen sogenannten „Lenkungssteuern“ wissen wir, dass sie sich schnell zu einer Finanzierungsbasis des Staates entwickeln, so dass dieser in Interessenkonflikte gerät: Er will dann eigentlich gar nicht mehr, dass die ursprünglich gewollte Verhaltensänderung eintritt, weil das fiskalpolitisch neue Probleme aufwirft.
Dasselbe passiert leider auch bei dem Zertifikatehandel. Derzeit sind dazu zu viele verschiedene Modelle aktiv, teilweise erfolgt – was richtig ist – ein Geldtransfer von „Verbrauchern“ zu „Sparern“, teilweise fallen die Erlöse ohne Zweckbindung dem Staat zu. Das allen Modellen gemeinsame Problem ist aber vor allem die Preisfindung. Die wird nämlich nicht mit dem Planeten verhandelt, sondern mit „dem Markt“. Das mag zwar dazu führen, dass der Betrieb von Drecksschleudern teurer wird, aber er bleibt halt leider wirtschaftlich. So lange Kohle billig und die besonders alten, längst abgeschriebenen Anlagen im Betrieb kaum Basiskosten verursachen, kann trotz Zukauf von Zertifikaten deren Betrieb sogar rentierlicher sein, als bei neueren Anlagen.
Daher gilt für das Modell der Lenkungssteuer wie für den Zertifikatehandel, dass die daraus entstehenden Preisanreize für viele erforderliche Verhaltensänderungen zu langsam kommen. Es schmerzt einen ehemals ordoliberalen Ökonomen daher sehr, sagen zu müssen: Nur Preisanreize helfen nicht, dazu ist die bisher vollkommen unterlassene Bepreisung von Emissionen viel zu hoch. Die schlimmsten Auswüchse erfordern konkrete Verbote, die größten Dreckschleudern müssen sofort weg, die dürfen sich auch nicht durch Zertifikate frei kaufen.
Die Marktwirtschaftliche Reaktion durch Preisanreize ist ganz wunderbar, sie ist als Baustein absolut sinnvoll, aber für viele Veränderungen deutlich zu langsam.

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