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Indien ist alles andere als ein Beispiel für akzeptable „natürliche“ Grenzen der Pandemie

Sehr guter Beitrag im Spiegel zur Situation in Indien. Da ich persönliche Kontakte in die Region habe – über die Nepal-Stiftung hatte ich berichtet – hatte es mich entsetzt, wie die Lage in dem Land bei uns teilweise geradezu missbräuchlich beschrieben wird. Im letzten Herbst, als dort die erste Welle zurück kam, wurde ausgerechnet Indien von vielen als Beispiel genannt, dass es auch ohne Lockdown gehe. Dieselben Ignoranten tun das trotz der entsetzlichen Nachrichten aus dem Land nun sogar wieder. Es ist unfassbar!
Richtig ist, dass dort gar nichts vorbei ist und wie der Artikel korrekt beschreibt, redet in Indien auch niemand so einen Unfug. Man muss Indien als Kontinent verstehen und wissen, dass die Corona-Wellen sich immer regionale austoben. Die Rückgänge, die wir jetzt erneut in den Zahlen sehen, werden durch Krankheit, Elend und Tod „ermöglicht“. Da sind ganze Gebiete nahezu durchseucht, weil es kaum Schutzmöglichkeiten gibt. Den Preis für diese Durchseuchung haben wir gesehen! Es ist unanständig, auf sinkende Zahlen hinzuweisen, ohne das anzuerkennen. Wir sehen in der Tat nichts anderes, als genau die Situation, die eintritt, wenn man die Pandemie bis zu ihren biologischen Grenzen zulässt oder zulassen muss.
In Indien weiß man sehr genau, dass sich die nächsten Wellen in anderen Regionen aufbauen werden. Zudem ist bekannt, dass die offiziellen Zahlen nur die Spitze des Eisbergs abbilden, denn ganze Landstriche sind ohne jede Versorgung – da wird weder getestet, noch werden Verstorbene gezählt.
Die einzige Hoffnung auf einen Stopp der Katastrophe sind Impfungen. Denn ein Lockdown ist nur begrenzt möglich und mit Hungersnot verbunden. Da viele Familien keinerlei Reserven haben und auch staatlich nicht aufgefangen werden, ist – wie ich aus Nepal berichtete – der Hungertod sofort der Konkurrent des Corona-Todes. Ich habe viele erschütternde persönliche Nachrichten von Familien dort, die schlicht keine Chance haben, sich vor Corona zu schützen. Die Jüngeren müssen irgendwie versuchen, die Familien zu ernähren, oft unter Bruch von Lockdown-Maßnahmen, die es dort natürlich sehr wohl gegeben hat. Die Älteren können nur hoffen, dass dabei das Virus nicht eingeschleppt wird. Nicht selten gelingt keins von beidem!
Was die Impfungen betrifft, so ist die Impfquote mit unserer nicht vergleichbar, weshalb man in Indien auch nur eine Dosis – primär Astra – appliziert, in der Hoffnung, dass dadurch wenigstens die klinischen Folgen einer Infektion gemildert werden.
Niemand sollte jemals Indien als Beispiel dafür anführen, dass die Pandemie auch ohne Maßnahmen stoppt. Denn: Ja, das tut sie, durch Elend, Leid und Tod ist das alternativ zu unseren Optionen auch möglich. Indien ist zudem erst auf dem Weg dahin, vorbei ist es keineswegs.

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