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Das Endspiel der CDU/CSU

Wolfgang Schäuble sieht eine Mitverantwortung von Bundeskanzlerin Angela Merkel an der schwierigen Lage der Union vor der Bundestagswahl. »Ich bin fest davon überzeugt, dass beides in eine Hand gehört: Parteivorsitz und Kanzleramt«, sagte der Bundestagspräsident dem Tagesspiegel. »Das war jetzt über fast drei Jahre nicht der Fall, und deshalb gibt es auch keinen Amtsbonus. Im Gegenteil.«
Das ist unstrittig richtig. Vermutlich holt ihn bei diesen Gedanken und Aussagen die eigene Geschichte ein, denn als designierter Nachfolger Kohls drängte er auch darauf, die Nachfolge nicht in einer Wahl, sondern im Amt selbst zu regeln. Bekanntlich war die Reaktion Kohls, ihn nicht nur schneller als jede heiße Kartoffel fallen zu lassen, sondern ihn aktiv zu bekämpfen.
Wenn man sich die lange Liste großer und länger amtierender Staatslenker ansieht, war die Regelung der Nachfolge nie deren Stärke. Das scheint sich wohl auszuschließen – weshalb auch immer.
Hier muss Schäuble sich nun aber fragen, welche Rolle die Partei an der Stelle spielt – was natürlich seine eigene unmittelbar berührt. Beklagt er sich da vielleicht, dass er erneut mit dem Vorschlag, die Nachfolge im Amt zu regeln, gescheitert ist?
Fast klingt es so, als habe er genau das ein weiteres Mal bei Merkel vergeblich versucht. Die hatte aber bekanntlich ganz andere Nachfolgerinnen im Sinn. Wen sie tatsächlich wann fördern wollte und ob sie dann vielleicht auch bereit gewesen wäre, deren Weg durch einen vorzeitigen Amtsverzicht zu fördern, wird vielleicht mit Abstand zur Amtszeit Merkels mal bekannt.
Viel entscheidender ist heute aber, warum der für die CDU im Hintergrund immer noch mächtige und einflussreiche Schäuble keine anderen Wege gefunden hat, die Nachfolge Merkels mit zu gestalten. Zeit genug war unstrittig, er spricht es ja sogar an. So ist er aber bekanntlich Wegbereiter eines Kandidaten geworden, dessen Kandidatur von ihrem Entstehen bis zu inzwischen fast schon jeder öffentlichen Umsetzung wohl die schlechteste in der Geschichte der Union sein dürfte – mit einem entsprechenden Ergebnis: Es ist absehbar, dass Laschet den historischen Tiefstand der Union erreichen dürfte, vollkommen verdient.
Dafür nun den fehlenden Amtsverzicht Merkels verantwortlich zu machen, ist vor allem vom Zeitpunkt her fast schon ein Offenbarungseid. Wenige Tage vor der Wahl über die Gründe für deren Scheitern zu sprechen, lässt tief blicken. Die Union hat keine Antwort auf die Situation gefunden – und sie diskutiert sogar öffentlich darüber, bevor wir genau erfahren, wie tief sie gesunken ist. Dass sie die Wahl verloren gibt, weil sie verloren ist, wird immer deutlicher.
Sie braucht offensichtlich die Chance zur Erneuerung. Mit den derzeit amtierenden Spitzen ist das nicht möglich, mit den bisherigen Parteistrukturen offensichtlich auch nicht. Der Kandidat ist in Hinterzimmern gekürt worden, in NRW opponieren CDU-Wahlkreise offen gegen ihn, in Thüringen konterkariert Maaßen die vom Vorsitzenden hohl behauptete Abgrenzung zur AfD, wogegen der angeblich nichts tun kann. Der kämpferischste und „inhalts“reichste Wahlkämpfer ist noch der aus der Zeit gefallene Merz, dessen ordoliberales 80er Geschwätz sogar das von Lindner noch unterbietet und kein geringerer als Schäuble räsoniert öffentlich über den fehlenden Amtsverzicht der einzigen Unions-Politikerin mit wirklich guter Reputation im Volk. Wenn er schon den Amtsbonus vermisst, muss er nicht eine Woche vor der Wahl den Bonus, Merkel noch an Bord zu haben, auch noch beschädigen.
Unfassbares Endspiel in dieser Partei: Egal, wie man zu der für Deutschland so wichtigen konservativen Partei steht – deren Historie ausgerechnet dieser Kandidat jüngst auch noch in der ihm eigenen Peinlichkeit bemühte -, man wird sich wohl parteiübergreifend auf eines einigen können: Hoffentlich ist das bald vorbei!

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