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Nicht jede Medizinstatistik ist für Mathematiker nachvollziehbar

Eine Meta-Studie des Murdoch Children´s Research Insititute zeigt erneut einen sehr irritierenden Umgang mit Daten in vielen medizinstatistischen Analysen. Ich sehe das auch als Ursache für nicht selten deplatzierte Bewertungen der Pandemie durch Ärzte.
Ein mathematisch ausgebildeter Statistiker würde das methodisch niemals akzeptieren. Versicherungsunternehmen würden reihenweise Pleite gehen, wenn Versicherungsmathematiker so arbeiteten. Eine Gesamtgefahr kann nur durch die Multiplikation von Schadenshäufigkeit und Schadenshöhe bewertet werden, so einfach ist das. Bei Versicherungen beispielsweise ist die Frage der Schadenshäufigkeit sogar die viel bedeutendere und weitaus schwieriger abzuschätzende.
Die Autoren dieser Meta-Studie fassen ohne mit der Wimper zu zucken, Infektionsgefahren aus verschiedenen Feldstudien zusammen, deren Streuung sie nicht mal weiter berührt. Da kommen Daten aus Australien mit schweren Verläufen bei Kindern von x:10.000 und solche aus UK und den USA mit x:100. Natürlich kann man das alles irgendwie zusammenrechnen, die Frage ist aber, ob man das tun sollte oder ob nicht vielmehr aus diesen Streuungen ganz andere Themen offensichtlich werden.
Man muss diese Daten nicht lange betrachten, um die hohe Dunkelziffer der tatsächlich infizierten Kinder als Ursache zu identifizieren. Wenn man nun zugleich endlich mal erkennt, dass die Gefahr dieser Pandemie ganz offensichtlich nicht in einem besonders hohen Individualrisiko besteht, sondern in dem erkennbaren Potenzial dieses Virus, binnen weniger Wochen in Hotspots weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung und binnen weniger Jahre durch über die Welt rollenden Wellen die Gesamtbevölkerung zu erreichen, so nähert man sich der Frage, wie diese Daten zu bewerten sind und was so eine Dunkelziffer bedeutet.
Liest man dann aber sogar, dass selbst die Daten aus UK und USA mit x:100 schweren Verläufen bei Kindern geradezu bagatellisiert werden, erkennt man tatsächlich, warum viele Mediziner und vor allem Kinderärzte von einer harmlosen Erkrankung sprechen. Ich wüsste gerne mal, wo in dieser Denkweise der Schwellwert für eine gefährliche Erkrankung liegt – bei fünf Prozent, bei zehn Prozent?
Da wir bei Delta und dem geringen Immunschutz in der Gesamtbevölkerung insbesondere bei Kindern eine Durchseuchung zu betrachten haben, führten diese Prozentwerte natürlich zu einer Horrorzahl an schwer erkrankten Kindern. Wie man das übersehen kann und nur aus dem Individualrisiko eine Bewertung der Pandemie ableitet, ist nicht mehr nachvollziehbar.
Leider gibt es gerade im Bereich der Feldstudien zu Kindern kaum verlässliche Daten zur Dunkelziffer. Meine Hoffnung lautet immer noch, dass wir in Ländern wie Australien mit recht gut kontrollierter Pandemie eher die realistischeren Werte sehen. Demnach hätten x:10.000 Kinder mit schweren Verläufen zu rechnen. Aber mit Millionen Kindern multipliziert, ist immer noch zu fragen, ob wir das akzeptieren wollen – und vor allem müssen. Außerdem muss man leider feststellen, dass in der Forschung viele bereits mit der Feststellung von Prozentrisiken abgewunken haben und die Frage der Dunkelziffer gar nicht genauer untersucht wurde.
Daher gilt halt auch: So genau wissen wir nicht, welche individuellen Risiken unsere Kinder tragen. Die Schadenshäufigkeit akzeptieren wir zugleich mit 100%, wenn wir das weiter so handhaben.
Ein Versicherungsunternehmen würde an der Stelle aus dem Markt aussteigen und kein Produkt anbieten. Aber es sind ja nur unsere Kinder und nicht unser Geld.

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