two white and purple bottles

Die Dimension der aktuellen Frage ist immer noch, wie die Pandemie beendet werden kann

Nun wird also über Impfstoffe, Impftermine und Lockdown-Maßnahmen politisch/gesellschaftlich gestritten. Das ist aktuell Thema, aber erneut wird nicht verstanden, was die wirklich kompetenten Experten wiederholen: Mit dieser Impfquote kommen wir nicht in den endemischen Zustand, damit wird das zum saisonalen Dauerthema.
Wir haben derzeit ca. 20% Erwachsene, die sich nicht impfen lassen wollen. Hinzu kommen nicht impfbare Menschen sowie die ca. 10% der Geimpften, bei denen das Immunsystem keine ausreichende Impfreaktion erzeugt.
Das bedeutet in Summe bis zu 30 Millionen potenzieller Infektionen. Da das Virus in der Delta Variante inzwischen so ansteckend wie die Windpocken ist, holt es sich davon mindestens ein bis zwei Drittel pro Saison. Das ist ein Infektionsstand mit den Auswirkungen, die wir derzeit sehen: Die Gesundheitsversorgung geht dadurch in die Knie. Es ist auch vollkommen sinnlos, für so einen Krankenstand mehr Kapazitäten bereitzustellen. Das kann man nicht wegdelegieren, das ist zu verhindern.
Zudem wissen wir – und auch das war seitens der kompetenten Experten erwartet worden – dass ein sei es durch Impfung oder Infektion erworbener Infektionsschutz nicht ewig hält. Bei dem einen nicht mal vier Monate, bei den meisten ca. sechs, bei einigen sicher länger, aber kaum für die nächste Wintersaison.
Es ist daher vollkommen klar, dass wir dieses Theater als Dauereinrichtung erleben werden, wenn wir die Impfquote nicht >90% heben – und zwar bis auf weiteres! Wie oft gegen dieses Virus und seine Veränderungen zu impfen ist, bis sich ein verlässlicher Infektionsschutz auf Dauer einstellt, weiß derzeit niemand. Dieses Virus ist keinesfalls so agil, wie die Influenza, die jedes Jahr dem vorhandenen Immunschutz ausweicht, aber es hat seine Reise im Menschen erst begonnen. Insofern ist irgendwann Stabilität zu erwarten, aber es wäre vollkommen unseriös, das mit einem Kalenderjahr menschlich gedachter Planung zu versehen.
Leider passt die aktuelle Debatte nicht dazu, aber vielleicht nähert sie sich. Es ist schlicht unsinnig, etwas auszuschließen und ebenso müssen wir endlich mal über den Horizont der gerade mal wieder erkennbaren Zwangslage hinaus blicken.
Wir werden auch 2022 weitere Wellen haben und keine andere Situation als in den letzten beiden Jahren, wenn das so weiter geht. Wir brauchen eine Impfinfrastuktur, die schnell und verlässlich einen möglichst aktuell angepassten Wirkstoff in kurzer Zeit appliziert. Dazu nur der Hinweis, dass Spahn die Finanzierung der Impfzentren zwar nach erkennen seines Fehlers inzwischen wieder verlängert hat, aber die sind nun auf Q1/22 erneut befristet. Er wäre aber im Gegenteil erforderlich gewesen, ein ganz anderes Signal zu setzen und die jetzt zuerst mal explizit nicht zu befristen. Ob es Impfzentren sind, vielleicht irgendwann doch die Hausärzte oder was in vielen Ländern besser funktioniert mobile Einrichtungen, die zu den Menschen kommen, sei dahin gestellt, aber auch das muss genau jetzt diskutiert und geplant werden. Ebenso muss man die Menschen auf das Thema hinweisen, sonst entsteht wieder die Erwartung, es sei entweder mit einer weiteren Impfung oder einer vielleicht sogar gewollten Infektion durch.
Für mich wäre eine Impfpflicht eine weitere gesellschaftliche Niederlage, aber auch die muss jetzt neben einer gänzlich anderen und dauerhaften Infrastruktur diskutiert werden. Wenn wir das nicht tun, laufen wir nach dem Stolpern durch die Notmaßnahmen wieder in dasselbe Fahrwasser wie schon zwei Mal: Dann wird wieder das Ende der Pandemie ausgerufen und schlimmstenfalls organisatorisch auch noch danach gehandelt.
Einige in der Politik sagen gerne, Corona sei den Menschen nicht mehr zuzumuten. Nun, den Menschen ist eine Schaukelpolitik nicht mehr zuzumuten, die dauernd bei Sonnenschein alles mögliche verspricht oder ausschließt und zugleich für nichts vorsorgt. Es gilt vor allem in der Kommunikation endlich Klartext zu reden: Entweder wir kommen – jedes Jahr! – auf >90% Impfquote oder das Drama nimmt noch viele Jahre seinen Lauf, bis alle geimpft, genesen oder gestorben sind, wie Spahn es heute ausdrückte. Das war sogar richtig, aber er hat den zeitlichen Horizont und die Dimension wohl immer noch nicht verstanden.

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