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Diffuse Nachrichtenlage zu Omicron

Eine leider sehr diffuse Nachrichtenlage auf einem ohnehin angespannten Niveau. Sehr viele Informationen strömen derzeit über uns, ich versuche einen kleinen Überblick.
Die gute Nachricht: Endlich zeigen alle Daten zur Delta-Welle in Deutschland statistisch in dieselbe Richtung. Die gemeldeten Fallzahlen sinken bekanntlich bereits seit Tagen, nun aber stagniert auch das klinische Geschehen, die Neuaufnahmen oszillieren um einen leicht sinkenden Trend und die Positivquote bei den Tests sinkt ebenfalls. Das spricht dafür, dass der Trend ein Plateau mit einer leicht sinkenden Tendenz erreicht hat. Auf welchem Niveau das stattfindet, bleibt unklar. Die Sterbefallzahlen steigen weiter, die laufen bekanntlich nach. Sie haben aber längst ein Niveau vom doppelten Wert wie in UK erreicht, bei angeblich ähnlich hohen Infektionszahlen. Die Untertestung bei uns ist unstrittig, aber immerhin scheinen die Zahlen nun wieder den Trend korrekt zu zeigen.
Das heißt: Die Delta-Welle hat nun wohl auch bei uns ähnlich wie in UK ein Niveau erreicht, in dem sie zunächst nicht weiter wächst. Ob das nun in einem exponentiellen Zerfall mündet, der das Gesundheitswesen nachhaltig entlastet, ist unklar. Nach einem Wellenbrecher wie in Österreich sieht es nicht aus. Aber zusammen mit Fortschritten bei den Impfungen könnten wir das als erstes Signal sehen, uns vielleicht analog zu Israel mit den bestehenden Einschränkungen aus der Delta-Welle heraus zu impfen. Zum Preis von sicher noch länger 400 bis 500 Sterbefällen pro Tag.
Das wird aber alles bald Geschichte sein, denn Omicron kommt „überraschend schnell“, wie es heute in diversen Medien mal wieder hieß. Die Nachrichten dazu sind natürlich noch sehr unsicher, ich versuche eine vorsichtige Einordnung. Zunächst ist zu beobachten, dass in den Sozialen Medien Omicron von einer nicht kleinen Gruppe unbelehrbar als Lösung der Pandemie geradezu gefeiert wird. Das Narrativ vom nun aber wirklich harmlosen Erkältungsvirus, welches halt mal durchlaufen muss, ist nicht zu stoppen. Da viele das wohl tatsächlich ernst meinen, wird das vermutlich durchaus ein Faktor in der weiteren Entwicklung sein. Denn: Omicron ist definitiv nochmals infektiöser als Delta und wer das unbedingt haben will, dürfte zum Zuge kommen.
Die beigefügte Analyse der Gesundheitsexperten aus Südafrika zeigt sehr stabil einen Verdopplungstrend von Omicron alle 3 bis 4 Tage. Die höhere Ausbreitungsgeschwindigkeit kann nicht mehr bestritten werden. Ein Hoffnungswert ist das weitere Chart aus der Quelle, welches eine um ca. 30% geringere Hospitalisierungsquote in SAF zeigt. Aufgrund der deutlich höheren Fallzahl resultieren trotzdem ähnliche absolute Zahlen wie bei Delta, aber immerhin bisher keine deutlich höheren. Nachrichten zur Gefährlichkeit des Virus aus Südafrika kann man derzeit gar nicht bewerten. Das wird vor allem in den UK-Medien natürlich sehr breit wieder gegeben. Es reicht von Warnungen, das Virus werde in den älteren Europäischen Populationen höhere Zahlen erzeugen bis zu Meldungen, dass selbst die Doppelimpfung jenseits der bisherigen Laboranalysen wohl im Feld doch noch eine Effektivität gegen die Infektion von 30% aufweisen.
Zu diesem Nachrichten-Sturm kann man nur sagen: Omicron ist sicher deutlich schneller, Vorinfektionen scheinen es überhaupt nicht zu stoppen, zu den Impfungen kann man aus SAF aber zu wenig ableiten. Das müssen wir abwarten. Momentan gehen Experten immer noch davon aus, dass die Effektivität gegen Infektion bei den Doppelimpfungen gering, bei den Boostern im Bereich von 50% bis 70% liegt. Der Schutz vor schwerer Erkrankung wird deutlich besser erwartet, aber Bestätigung kann es noch keine geben.
Aber die Sache nähert sich: In UK und Dänemark wird Omicron in wenigen Tagen als dominierende Variante erwartet. Das geht rasend schnell von London bzw. Kopenhagen aus und lässt sich nicht aufhalten. Aus UK überschlagen sich die Nachrichten. Das Gesundheitswesen wird auf Omicron fokussiert. Kliniken sollen vorsorglich bereits soweit möglich andere Patienten entlassen. Alle verfügbaren Kräfte sollen impfen. Man bereitet sich auf Engpässe vor. Das Gesundheitssystem in Dänemark reagiert ähnlich. Aus einer heute veröffentlichten Projektion finden sich anbei die Hochrechnungen zur Ausbreitung von Omicron sowie mehrere Szenarien für die mögliche klinische Belastung.
Dieses letzte Chart ist momentan für uns das relevanteste: Es zeigt in blau den zu erwartenden Verlauf von Delta. Hier ist Dänemark trotz der hohen Delta-Zahlen durch die sehr hohe Quote an Doppelimpfungen bisher gut zurecht gekommen. Wie Omicron nun wirkt – Dänemark hat wie viele Europäer das Boostern versäumt, hier liegen sie deutlich zurück – kann derzeit niemand sagen, eben weil die Wirkung der Impfungen, insbesondere der Doppelimpfungen, auf das klinische Geschehen so unklar ist. Man erkennt leider an den Szenarien, die von einer kompletten Eskalation über eine Verdopplung der klinischen Belastung bis zu einem klinischen Auslaufen alles beinhalten, dass wir derzeit hinsichtlich der kommenden Belastung des Gesundheitssystems einen ungeheuer breiten Erwartungskorridor haben.
Wer das nun als „die Wissenschaft hat mal wieder keine Ahnung“ abtut, sollte erkennen, dass diese Szenarien für die Zeit bis zum Jahresende gerechnet wurden, also unmittelbar bevorstehen. In UK und Dänemark hat man daraus den Schluss gezogen, alle Kapazitäten für die Impfungen nach Kräften hoch zu fahren und vorsorglich das Gesundheitssystem auf einen Sturm vorzubereiten.
Wenn der ausbleiben sollte, haben die aus meiner Sicht trotzdem alles richtig gemacht. Nimmt man alle Daten, auch die aus Südafrika, zusammen, ist es leider nicht sehr wahrscheinlich, dass es zu dem Erlösungsszenario vieler Infektionsenthusiasten kommen wird. Wie gesagt kann deren Verhalten sogar dazu beitragen, dass es mehr als ein laues Winterlüftlein wird. Die Mehrzahl der Prognosen zur Wirkung der Impfungen, auch der Doppelimpfungen gegen schweren Verlauf, stimmt optimistisch, dass es kein Orkan wird. Aber ohne Schutz einer Impfung ist das ein Spiel, welches sehr viele Fälle in den Krankenhäusern erwartet lässt.
Und noch hat Delta die bei uns nicht frei gegeben …

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