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Der Weg in die Endemie verläuft unterschiedlich

Die normierte Entwicklung der letzten Pandemie-Wellen ist derzeit der beste Indikator für die Zukunft. Hier werden alle Daten – Infektionen, Hospitalisierungen, Beatmungen und Sterbefälle – für die letzte Winterwelle auf 100% normiert. Die danach folgenden Daten zeigen dadurch, wie stark die Schere zwischen Infektionen und Krankheitsverläufen in den verschiedenen Ländern aufgegangen ist. Wir sehen hier also den – sehr unterschiedlichen! – Weg in die Endemie.
Die Daten selbst sind so untereinander nicht mehr vergleichbar, weil die absolute Höhe der Wellen verschwindet. Es geht hier also nicht um einen Vergleich der Pandemiestrategien. Im Gegenteil bezahlte UK beispielsweise die jetzt eher entspannte Entwicklung auch mit zuvor sehr hohen Sterbezahlen.
Es geht hier um eine Indikation der Auswirkungen von Omicron und um die Frage, ob ein Zustand erreicht ist, der Pandemie mit reduzierten oder gar ganz ohne Maßnahmen zu begegnen.
Die in diesem Vergleich verfügbaren Länder weisen eine sehr unterschiedliche Immunität in der Bevölkerung auf und das erkennt man sehr deutlich an den Wellen seit dem letzten Winter. Die entspannteste Lage ist in UK erkennbar, wo nach Feldstudien 95% der Bevölkerung durch Impfungen oder Vorinfektionen eine Immunität aufgebaut haben. Die höchsten klinischen Folgen sind in den USA zu erkennen, wo es zwar ebenfalls hohe Infektions- und leider auch Sterbewellen gegeben hat, die Impfquote aber in dem Vergleich mit Abstand die schlechteste ist.
Dass eine hervorragende Impflogistik alleine nicht ausreicht, erkennt man an Israel, das hier eher im Mittelfeld liegt. Es genügt nicht, nur ca. 3/4 der Bevölkerung zwar rasch und bis zum Booster so vollständig wie möglich zu schützen. Die hohe Quote Ungeimpfter macht dem Land zu schaffen. Spannend wird nun Spanien zu beobachten sein, denn das Land hat eine sehr gute Impfquote bei den Doppelimpfungen, die Booster-Kampagne aber zu spät begonnen. Dänemark ist leider in dem Vergleich noch nicht verfügbar, hier läuft es bisher sehr ähnlich wie in UK.
Für Deutschland ist erkennbar, dass die Daten ebenfalls im Mittelfeld liegen. Vor allem die letzte Deltawelle war bei uns vergleichsweise hoch, die hat in Ländern mit besserer Impfquote fast gar nicht statt gefunden.
Für Omicron zeichnen sich nun größere Unterschiede ab. Während in den USA das klinische Geschehen nicht relativ, aber absolut alte Höchststände überschreiten wird, ist in UK zu erwarten, dass der Trend klinisch stets kleinerer Wellen auch unter Omicron hält. Hier ist die Entkopplung von Infektionen und Erkrankungen sehr weit.
Es macht für Deutschland leider keinen Sinn, sich an UK zu orientieren. Es wäre – Konjunktiv! – schön, diese Situation zu erreichen. Dazu fehlen bei uns aber die Impfungen und es ist leider in vielen Kreisen wohl beschlossene Sache, die Immunität durch Infektionen aufzubauen. Das wird im klinischen Geschehen bei uns vermutlich noch langsamer passieren, als in den anderen Ländern, da unsere Maßnahmen das Wachstum von Omicron etwas reduzieren.
Grundsätzlich erkennt man in allen Ländern, auch in Südafrika, dass Omicron sich schneller ausbreitet als die Vorgänger, die klinischen Folgen aber deutlich langsamer eintreten. Die Latenz zwischen Infektionen und schweren Verläufen ist also deutlich höher. Daher ist selbst in UK noch nicht absehbar, wann die späteste der Folgewellen, die der Sterbefälle, bricht. Hier ist aber bereits ein Plateau erreicht, welches in den meisten anderen Ländern noch aussteht.
Übersetzt auf Deutschland mit der leichten Verzögerung der Infektionswelle und der vergleichsweise schwachen Impfquote ist damit zu rechnen, dass wir erneut sehr lange mit der Winterwelle 2021/2022 zu tun haben – genauso wie im letzten Jahr. Die Strategie in Deutschland mag man unterschiedlich bewerten, aber letztlich funktioniert sie bei der Begrenzung der Schäden, wird aber durch die Dauer der Maßnahmen bezahlt.
Zu erwarten ist ungefähr dieselbe klinische Belastung wie im November/Dezember, wobei das mehr auf den Normalstationen stattfinden wird. Ferner werden wir eine sehr langsam folgende Welle von Sterbefällen über mehrere Monate erleben, die sich nicht durch ihre Spitzenwerte, sondern durch die Dauer „auszeichnet“. Es wird also keinen Kollaps geben, aber ein Dauerleiden, welches keine Lockerungen vor dem Frühjahr zulässt. Da parallel die Impfquote nur sehr gering reagiert, ist dieser Entwicklung kaum zu entgehen, ohne den Schutz Ungeimpfter sowie die Verhinderung der vielen Kollateralschäden im Gesundheitswesen aufzugeben. Letztere betreffen Menschen mit schwacher Immunreaktion auf die Impfungen sowie die nicht wenigen, die neben Covid-19 auf eine Behandlung angewiesen sind.
Es ist kaum ersichtlich, wie die Regierung die Balance zwischen selbst in Kauf genommenen Risiken durch den Verzicht auf die Impfung und diesen Kollateralschäden anders handhaben soll. Daher wird sich dieser Trend durch die gesamte Pandemie fortsetzen: Deutschland vermeidet die Spitzenschäden, braucht aber länger als viele andere bis zur Endemie. Ankommen werden wir da trotzdem.
Dieser längere und flachere Weg ist das statistische Abbild unserer kompromissgeprägten Gesellschaft.

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