Die Financial Times hat für UK die regionalen Daten sehr gut aufbereitet. Diese Charts aus Bild 1 zeigen, wie Omicron sich lokal verhält: Enorm schneller Anstieg bis zur Sättigung und dann entsprechend schneller Abfall. Das sind die bisherigen Wellenbewegungen quasi im Zeitraffer. Bei den aggregierten Daten eines Landes führt das nach dem Anstieg dann zu einer heftigen Wellenbewegung auf hohem Niveau. Dahinter steht der Wechsel dieser Hotspots.
Wir sehen das in Bild 2 bei den aktuellen Fallzahlen. Für UK wird erwartet, dass die Zahlen nun insgesamt weiter fallen, weil die Hotspots fast alle den Peak hinter sich haben. Das bleibt aus meiner Sicht aber abzuwarten, noch ist unklar, ob diese regionale Sättigung abschließend ist. In Dänemark zeigt sich so ein Bild bisher nicht, Spanien und auch die USA könnten vielleicht bald das maximale Niveau der Wellenbewegung erreicht haben.
Das sind insgesamt die erwartet guten Nachrichten: Omicron steigt sehr schnell auf neue Höchstwerte, aber auch dieses Virus findet seine Grenzen. Wo genau die liegen und ob die Pandemie dann wirklich bricht, sollten wir aber noch ein wenig genauer bewerten. Klar ist ebenso, dass Omicron zwar geringere Quoten im klinischen Verlauf erzeugt, aufgrund der hohen Fallzahlen hier aber ebenso Spuren hinterlässt, wie seine Vorgänger. Das ist natürlich der entscheidende Faktor und der fällt wie bisher berichtet in den einzelnen Ländern höchst unterschiedlich aus.
Da alle klinischen Daten, von Hospitalisierungen über Beatmungen bis zu den Sterbefällen den Infektionen mit Verzug nachlaufen, steigen diese Daten mit Verzögerung und sehr wahrscheinlich auch nicht mit den heftigen Bewegungen der Infektionswellen nachlaufend an. Wie sich das weiter entwickelt und wo es Grenzen findet, ist daher noch länger abzuwarten, als die Entwicklung der Infektionszahlen. Anders ausgedrückt: Krankenhäuser und Bestatter werden länger mit den Folgen der Wellenbewegungen zu tun haben.
Bei den Hospitalisierungen aus Bild 3 sehen wir, dass sich in UK und Dänemark ein Plateau andeutet. Das ist das wahrscheinlichste Muster für diese Daten sobald die Infektionen sich eingependelt haben. So ein Plateau dürfte länger laufen als die Infektionen und erst nachhaltig brechen, wenn Omicron tatsächlich nach den Peaks ohne weitere Wiederanstiege sinkt. In Spanien und den USA wird dieses Plateau noch gesucht, das passt zu den noch unklaren Peaks bei den Infektionen. Wie immer alles sehr schlüssige Entwicklungen aus den Primärdaten, die alles weitere bestimmen: Die Inzidenzen waren stets und sind immer noch die relevanten Parameter.
Schaut man nun auf die schweren Verläufe, also die ICU-Daten aus Bild 4, so werden die Unterschiede noch deutlicher. Die bereits erkennbaren Infektionspeaks aus UK und Dänemark finden sich in diesen Daten noch signifikanter, denn hier verlaufen die Kurven sehr flach. Die auch in diesen beiden Ländern gestiegenen Hospitalisierungen führen also nicht zu mehr Belastung bei den Intensivbehandlungen. Das ist ein markanter Unterschied zu den USA und Spanien, wo das nicht erkennbar ist. Hier folgen die Intensivbehandlungen dem Trend der Hospitalisierungen und ein Plateau ist noch nicht erkennbar.
Bereits aus Südafrika, wo Omicron den Infektionen relativ spät und sehr zäh folgend nun auch die Sterbezahlen erhöht, wissen wir, dass dieses Virus eben keine Erkältung ist. Viele Demagogen haben aufgehört, aus Südafrika neue Daten zu veröffentlichen, weil dort mit einer bisher nicht bekannten Verzögerung zum Peak der Infektionen die Sterbefallzahlen weiter steigen und auch noch kein Ende zeigen (Bild 5).
Dieses Muster sehen wir wenig überraschend leider auch in den Vergleichszahlen der Industrieländer (Bild 6). Hier erkennt man eher einen Zusammenhang zur Dauer der Omicron-Welle, in der Spanien weiter zurück liegt. Omicron findet demnach seine Opfer wie seine Vorgänger, aber es erzeugt sehr schnell hohe Infektionszahlen, die vermutlich auch schneller wieder sinken, während die Sterbefälle mit längerem Zeitabstand folgen. Wann und wo die enden, bleibt also noch länger abzuwarten, als wir das bei den oben genannten Fragen eines Bruchs der Pandemie sowie der Plateaus bei den klinischen Belastungen zu tun haben.
Die spannende Frage ist natürlich, ob daraus bereits Prognosen abzuleiten sind und wie die für die einzelnen Ländern ausfallen könnten. Dazu sind drei Langzeitvergleiche interessant, die leider noch nicht für alle Länder verfügbar sind. Die Bilder 7, 8 und 9 zeigen dies für UK, Spanien und Deutschland. Hier sind die jeweils schädlichsten Wellen gemessen an den Sterbefällen, die Winterwellen 2020/2021, als Normierung gesetzt worden. Die Infektionen, Hospitalisierungen, ICUs und Sterbefälle werden in diesen Charts also alle auf 100% um diesen Peak gesetzt. Danach sehen wir die Abweichungen der Einzeldaten zu diesem Maximum.
Man erkennt als sehr gute Nachricht, dass sich nach dieser schädlichsten Welle im Trend grundsätzlich eine Entkopplung von Infektionszahlen und klinischen Folgen ergeben hat. Es gab also tendenziell in den folgenden Wellen eher mehr Infektionen bei eher weniger klinischen Verläufen. Diese Trends, die vermutlich die beste Prognose für die weitere Entwicklung erlauben, fallen aber erneut sehr unterschiedlich aus: Wir sehen das in UK mit stärker Ausprägung als in Spanien, während das in Deutschland bedeutend geringer ausfällt. Leider sind diese Daten für die USA noch nicht verfügbar, ich würde hier eine nochmals schwächere Ausprägung erwarten.
Hinter diesem Vergleich stehen parallel die Varianten von Sars-Cov-2, denn diese Wellen sind vom Wildtyp, Alpha, Delta und jüngst Omicron erzeugt worden. Dabei wissen wir aus klinischen Feldstudien, dass bis zu Delta die Gefährlichkeit des Virus eher zugenommen hat, während Omicron die erste Variante mit einem Rückgang ist. Die Trends in der Auswirkung der Wellen auf klinische Daten können also nur durch eine gewachsene Immunität in der Bevölkerung erklärt werden – und die fällt nun mal sehr unterschiedlich aus, was die Differenzen in all diesen Darstellungen erklärt und Prognosen so schwierig macht.
Aus UK wissen wir aufgrund von Feldstudien, dass dort bis zu 95% der Bevölkerung entweder durch Impfungen oder durch Vorinfektionen einen Schutz gegen Sars-Cov-2 aufgebaut haben. Dabei ist natürlich anzumerken, dass UK dies mit einer der höchsten Sterbequoten unter den Industrieländern bezahlt hat. Es geht hier nicht um eine Bewertung der besten Pandemie-Strategie, die Boris Johnson kaum für sich beanspruchen kann, sondern um die Frage einer möglichen Prognose, die aktuell für UK am besten aussieht.
Inzwischen liegen zwar viele Feldstudien aus Südafrika, Israel, UK und den USA vor, die der möglichen Schutzwirkung von Vorinfektionen und Impfungen nachgehen, aber das Bild ist leider noch zu unklar. Offensichtlich schützen Vorinfektionen und ältere Doppelimpfungen kaum noch gegen die Infektion, aber die Wirkung gegen schwere Verläufe kann noch nicht bewertet werden. Booster-Impfungen haben demnach durchaus auch gegen Omicron noch eine gute Effektivität gegen die Infektion, vor allem aber gegen schwere Verläufe. Diese Daten- und Studienlage ist aber noch zu kurz, die untersuchten Fallzahlen oft zu gering, um daraus zu viel abzuleiten.
Dennoch lohn ein Blick in das letzte Bild 10, das die Struktur der Impfungen in diesem Ländervergleich darstellt. Hier erkennt man, dass UK und Dänemark sowohl bei der Impfquote der früheren Doppelimpfungen als auch bei den Boostern sehr deutlich vorne liegen. Es liegt sehr nah, dass dies die in den beiden Ländern klinisch offensichtlich handhabbaren Omicron-Wellen begründet. In Spanien, der Nummer 3 in den bisherigen Verläufen, sind die Doppelimpfungen vorbildlich gelaufen, aber die sind dort auch schon älter und beim Boostern haben die Spanier erst sehr spät und auch noch nicht sehr gut nachgezogen. Deutlichen Rückstand haben die USA sowohl bei den Doppelimpfungen als auch bei den Boostern.
Wenn man die vorläufige Studienlage und die sich andeutenden statistischen Muster zusammenbringt, kann man grob vermuten, dass Vorinfektionen und Doppelimpfungen zwar einen grundsätzlichen Schutz bieten, die Booster-Impfungen aber der entscheidende Parameter zur Begrenzung der Omicron-Welle sind. Wenn sich das bestätigt, werden die USA noch länger auf den Omicron-Peak zu warten haben und vielleicht sogar im Langzeitvergleich den Trend brechen, dass die Folgewellen stets moderater verlaufen sind als ihre Vorgänger: Dort könnte es über die Winterwelle 20/21 hinaus gehen. In UK und Dänemark wird das nicht passieren, es dürfte sogar sehr wahrscheinlich unter den letzten Wellen verbleiben. Das wird in Spanien knapp und hängt sehr von der Booster-Kampagne ab. Dort könnte die Omicron-Welle noch höhere Schäden als die letzte Delta-Welle erzeugen, den Winter 20/21 wird es aber nicht mehr erreichen.
Für Länder mit schlechteren Impfquoten ist das so ungefähr die Landkarte, die es zu betrachten gilt. Wir sehen für Deutschland, dass bereits die gerade überwundene Delta-Welle in Ländern mit besserem Impfschutz gar nicht stattgefunden hat. Für Omicron müssen wir daher ebenfalls erwarten, dass die Folgen hier höher ausfallen. Hoffnung macht jedoch die vergleichsweise besser gelaufene Boost-Kampagne. Wir sollten dennoch damit rechnen, dass wir die Belastungen der letzten Welle, also die Situation aus November/Dezember 2021 nochmals sehen werden.
Wie man das bewertet, bleibt jedem überlassen. Wir hatten im bisherigen Winter, das zeigen diese Daten sehr deutlich, viel mehr Schäden mit der Delta-Welle als viele andere Länder mit guten Impfquoten. Das musste bereits nicht sein! Wir werden sehr wahrscheinlich in zwei Monaten dasselbe Fazit zur Omicron-Welle zu ziehen haben. Daran sollten wir uns messen. Zugleich ist es Unfug, zu behaupten, Omicron werde uns umwerfen. Das wird nicht passieren.