Das statistische Bundesamt hat heute die Handelsbilanz Deutschlands für 2021 veröffentlicht und der Titel „China 2021 im sechsten Jahr in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner“ wird von den Medien übernommen. Das ist aber nicht ganz richtig. Tatsächlich kann man die Zahlen auch anders interpretieren.
Im Bild sind die Top 20 der Handelspartner nach Exporten und Importen gelistet. Nimmt man deren Summe, trifft es zu, dass China an Platz eins steht. Nun muss man aber speziell zu China sagen, dass deren Exporte zu einem nicht geringen Teil letztlich auf Produktionsverlagerung deutscher Firmen beruhen. Es wird halt seit mehr als zwanzig Jahren so manche Produktion aus dem Inland in billigere Produktionsstandorte weltweit verlagert, wobei China bekanntlich immer noch ganz vorne liegt. Die von dort bezogenen Vorprodukte oder oft auch fertigen Endprodukte, die mit der Herstellermarke und einem versteckten Label „Made in China“ versehen direkt an die Endkunden gehen, tauchen in der Regel als Importe aus China in der Handelsbilanz auf. Man kann das aber nicht mit Exporten chinesischer Unternehmen vergleichen, die eigene Produkte auf den Weltmärkten vertreiben. Leider kann die Handelsbilanz diese Unterschiede nicht auflösen, so dass es bei dem qualitativen Hinweis bleiben muss: Chinas Exporte sind nicht mit denen der USA, Japans oder Deutschlands zu vergleichen.
Was aus Sicht Deutschlands ferner bei dieser Statistik immer deutlich zu kurz kommt, ist die Bedeutung des europäischen Binnenmarkts und hier insbesondere des Euro-Raums, mit dem sogar ohne Währungsschwankungen Handel betrieben werden kann. Summiert man diese Länder zu einer gemeinsamen Handelsbilanz auf, so ist die EU der bei weitem größte Handelspartner Deutschlands und der Euro-Raum trägt hier den überwiegenden Anteil. Die überragende Bedeutung der EU und des Euros für das exportorientierte Deutschland kann nicht oft genug betont werden und so wäre meine Wahl der Überschrift eine andere: „Die EU und der Euro-Raum bleiben die wichtigsten Handelspartner Deutschlands“.
Betrachtet man einzelne Länder, so wäre der wichtigste singuläre Handelspartner unverändert die USA. Wegen der genannten besonderen Rolle Chinas als „Fabrik“ für viele Industrien weltweit, sind die Daten der USA anders zu bewerten, zumal wir hier den höchsten Exportwert und insgesamt einen Handelsbilanzüberschuss sehen. Aus aktuellem Anlass gerade in diesem Zusammenhang noch der Hinweis, dass Russland hier bei den Exporten knapp vor Schweden auf Platz 14 und bei den Importen vor dem nahezu abgestürzten UK auf Platz 12 liegt – mit insgesamt vergleichsweise kleinen Summen.
Leider engen ökonomische Verhältnisse politischen Entscheidungsraum ein, ob man das mag oder nicht, spielt keine Rolle. Das gilt selbstverständlich auch für China, deren Bedeutung als Handelspartner nicht klein geredet sein soll, sie ist nur anders einzuordnen. Als einzelnes Land liegen sie auf Platz zwei, als Region nach Europa und Nordamerika auf Platz drei – bei, das muss erwähnt werden, den größten Wachstumsraten.
Die mit Abstand größte Bedeutung hat jedoch Europa und da das für die meisten Europäer gilt, sollte genau das mehr politische Bedeutung gewinnen, zumal die Europäer eines oft vergessen: Noch ist die EU der größte Wirtschaftsraum der Welt. Er sollte entsprechend auftreten, denn keine größere Volkswirtschaft der Erde kann auf funktionierende Handelsbeziehungen zur EU verzichten.
Die Europäer sollten sich bei aller Freude über nationale Identitäten nicht dauernd auseinander dividieren lassen. Dazu gibt es tatsächlich keine äußeren Gründe, die liegen einzig im Inneren.