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Scholz muss (sich) entscheiden

Deutschland hat wohl zwei Regierungen und eine Verwaltung dazwischen. Während an der Energie- und der Außenfront Habeck und Baerbock offensichtlich den Kampf aufgenommen haben, steht das Team Lindner für allgemeine Verhinderung von allem, was weh tun könnte. Dazwischen verwaltet der Kanzler die anämischen Leistungen seines Teams und lässt sich mal von der einen, mal von der anderen Seite einnehmen. Seine Ansagen darf man leider erst für voll nehmen, wenn es zum Vollzug kommt. Davon jedoch ist bisher nichts zu sehen gewesen, nichts!
Die Impfpflicht ist nun dahin. Der Schaden ist groß, denn es geht nicht um die Impfpflicht, sondern um die Impfungen und deren Ruf ist nun ramponiert. Derweil haben wir uns an Sterbezahlen gewöhnt und die Krankenhäuser melden weiter „weiche Triage“ (https://www.spiegel.de/…/corona-60-prozent-der-kliniken…). Der Gesundheitsminister darf nun twittern, dass er weder die Lage, noch deren Zukunft ab Herbst gelassen einschätzt, aber die Mittel fehlen ihm weitgehend. Ob Scholz der Sache seine Unterstützung entzogen oder Lauterbach dieses elende Spiel in der Ampel falsch eingeschätzt hatte, bleibt unklar, das Ergebnis ist umso desaströser. Punktsieg für Team Lindner. In der Öffentlichkeit leider kaum noch wahrgenommen, weil die Ukraine alles überstrahlt. Das kann sich im Herbst für uns alle wieder ändern und für jeden einzelnen, der vielleicht vorher auf ein gut funktionierendes Krankenhaus angewiesen ist, auch schon früher. Vom Personal im Gesundheitswesen redet ohnehin niemand mehr, geklatscht wird auch nicht.
An der Energiefront sieht man Habeck täglich mehr das Stress- und Arbeitspensum an. Er hat bei Lanz klargestellt, dass er die Regierung nicht in einem Dilemma sehe, weil das Ziel klar sei: Vollständiges lösen von russischen Energielieferungen, so schnell wie möglich. Man darf ihm glauben, dass er in keinem Dilemma steckt, aber die Regierung? Während das Team Habeck nun versucht, in Monaten zwei Jahrzehnte Versäumnisse aufzuarbeiten, um zunächst mal so etwas wie Kontrolle vor allem über den Gasmarkt zu erlangen, blockiert das Team Lindner leider alles, was in die Richtung Energiesparen gehen könnte. Das heikle Thema, wie man unsere Gesellschaft im Rahmen der notwendigen Energiewende dazu bringen kann, das Sparen auch mal als Baustein zu sehen, war bereits im Wahlkampf mehr als schwierig. In der nun nicht entstandenen, sondern nur offensichtlich gewordenen geopolitischen Lage ist es nicht mehr akzeptabel, dass dieser Punkt immer noch sakrosankt ist.
Wir brauchen schnelle Lösungen und alles, was sofort geht, ist sofort erforderlich. Leider braucht diese Gesellschaft dazu auch Verbote und es fällt mir keinesfalls leicht, das zu sagen. Aber ein Tempolimit ist schlicht evident und es ist auch falsch, die Energiepreise breit zu subventionieren. Die Preise müssen hoch sein und sie müssen auch bezahlt werden, um über den Preisdruck ebenfalls Einsparungen zu erzeugen. Die Subventionen müssen den finanzschwachen Haushalten gelten und nur diesen. Wir haben einen Krieg in Europa, wir führen immer noch einen Krieg gegen unsere Umwelt, es geht nicht mehr mit weichen Maßnahmen, es geht nicht mehr mit viel Zeit für Umdenken und Dialog.
Es kann nicht sein, dass Team Habeck an allen Fronten kämpft, um die russischen Energielieferungen zu substituieren, während Team Lindner in die Gesellschaft signalisiert, es gehe so weiter wie bisher. Es kann nicht um vollständige Substitution gehen, die Einsparungen gehören dazu. Das lässt sich auch nicht verwalten, diese strategische Grätsche ist unmöglich, zumal wir natürlich auch mit Sanktionen von der russischen Seite rechnen müssen, wenn wir verantwortlich rechnen wollen. Es werden derzeit gewiss Optionen für Rationierungen, vor allem beim Gas, geplant. Niemand weiß, ob es notwendig wird, es könnte durch Russland erzwungen werden, es sollte aber auch durch uns möglich werden. Jeder jetzt eingesparte Kubikmeter Gas hilft dabei. Alles, was jetzt in die Speicher geht und nicht verbrannt wird, hilft uns, schneller handlungsfähig zu werden.
Einen ähnlichen Graben in der Regierungsperformance sehen wir zwischen der Außen- und der Verteidigungsministerin. Während erstere Klartext spricht und im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch danach handelt, scheint letztere momentan bereits überfordert, sich selbst zu verteidigen (https://www.spiegel.de/…/ukraine-krieg-christine…). Was sie sagt und bis ins Parlament kommuniziert, ist teilweise nur noch peinlich. So hat sie ein Ranking der Waffenlieferungen an die Ukraine rechnen lassen, das Deutschland auf den vorderen Plätzen sieht, Bewertungsmaßstab: Das Gewicht! Nun teil sie mit, aus Bundeswehrbeständen sei nichts mehr lieferbar, das müsse direkt aus der Rüstungsindustrie erfolgen. Die aber, eine der stärksten der Welt, nebenbei bemerkt, hat längst Vorschläge erarbeitet, wie man in enger Koordination mit dem Verteidigungsministerium vor allem die Geschwindigkeit der Lieferungen an die Ukraine erhöhen kann. Die Idee lautet, eben doch Bestände der Bundeswehr jetzt zu nutzen, um diese dann schnell durch neue Produktionen oder beschleunigte Wartungsarbeiten zu ersetzen.
Lambrecht hat natürlich ähnlich wie Habeck das Thema mit vielen Dekaden der Versäumnisse. Mit den gut 50 Milliarden Etat steht die Bundeswehr weltweit keineswegs so schlecht dar, wie sie ihre eigene Leistungsfähigkeit einstuft. Es liegt gewiss nicht am Geld, Länder wie Israel schaffen mit weit weniger eine Verteidigungsleistung, die weit höher ist. Gleichwohl hat Scholz zugesagt, das Geld zu erhöhen. Das ist geopolitisch nun mal leider angezeigt und richtig, aber passiert es? In der konkreten Planung des Bundeshaushalts ist die Erhöhung auf 2% des BIP nicht ersichtlich. Wurde das übersehen oder vergessen? Wer hat an der Stelle interveniert und den Finanzminister erinnert. Scholz, der es zusagte, Lambrecht, die zuständig ist? Auch das unverschämterweise so genannte „Sondervermögen“ von 100 Milliarden wackelt. Das liegt auch an der Idee, es damit zu verbinden, ein Loch ins Grundgesetz zu bohren und eine generelle Klausel zur Schuldenbremse einzuarbeiten, die mit dem vorliegenden Thema nichts zu tun hat. Das ähnelt sehr dem Vorhaben „Impfpflicht“ und ist als Änderungsvorhaben an nichts geringerem als dem Grundgesetz ziemlich unsicher.
Was also wird Scholz hier tatsächlich liefern? Was wird die Verteidigungsministerin, die das nun so „elegant“ an die Industrie weg delegieren möchte, der Ukraine liefern? Will der Finanzminister diese Mittel wirklich bereitstellen? Werden also im Ergebnis tatsächlich mehr Mittel für die Bundeswehr bereit gestellt und falls ja, wie sollen die eingesetzt werden? Sowohl kurzfristig für die Ukraine als auch mittelfristig als Antwort auf die nun erkannte Bedrohung Europas.
Das kann Scholz nicht weiter verwalten, er muss (sich) entscheiden, sonst erleben wir in der Doppelkrise aus Pandemie und Krieg eine Regierungskrise. Falls wir die nicht schon haben!?

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