Vorträge über Defizite in der demokratischen Entwicklung der Ukraine sind ohne diese einzuordnen aus meiner Sicht höchst problematisch. Das wird gerne an der Causa Asow oder anhand noch existierender Oligarchen-Geflechte getan.
Es ist unstrittig, dass die Ukraine aus einem russisch dominierten, korrupten und mit faschistischen Strukturen versehenen System aufgebrochen ist. Diese Strukturen sind nicht von heute auf morgen weg. Sie sind auch nur schwer zu bewerten. Niemand kann von außen einfach sagen, wo dieser Prozess steht, erst recht nicht, in dieser Kriegssituation.
Ganz ähnliche Debatten haben wir zu Polen und Ungarn, teilweise auch zu den baltischen Staaten – bis heute. Mit Blick auf unsere eigenen politische Entwicklungen oder die in Frankreich, Italien, den USA müssen wir ohnehin überall hinsehen.
Wenn nun aber der Urheber dieses korrupt/faschistischen Systems, nämlich Russland, die Ukraine überfällt, um genau diese Strukturen wieder zu etablieren, ist es gänzlich unangemessen die Ukraine darauf hinweisen, dass sie da noch einiges aufzuräumen hat oder ernsthaft in Frage zu stellen, ob an der Stelle demokratische Werte, „Nebensächlichkeiten“ wie das Völkerrecht, die Ächtung von Krieg als Macht-Instrument oder schlicht das Recht auf staatliche Integrität auf dem Spiel stehen.
Es gibt eine ganze Reihe von essentiellen Grundwerten, die gegen Russland verteidigt werden. Wer das mit Zweifeln an den demokratischen Verhältnissen in der Ukraine schwächt, hat entweder den Überblick verloren oder macht sich aus welchen Gründen auch immer letztlich halt doch das Nazi-Narrativ Putins zu eigen.