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Ist die Energiewende technisch und ökonomisch möglich?

Eine in der NZZ kommentierte Studie verneint dies. Das ist, sorry, eine typische Schrottstudie mehr. Da ich zugleich Ökonom und Aufsichtsrat in einem Energieunternehmen bin, darf ich an der Stelle den Ökonomen empfehlen, solche Studien zu unterlassen. Das ist ganz ähnlich zur Bewertung eines Gas-Embargos. Wer die Energiewende bewerten möchte, muss das bis zu einer aufwendigen, konkrete Planungen umfassende Simulation tun. Das gehört in die Hände von Ingenieuren!
Zwei typische Grundsatzfehler machen die hier exemplarisch genannte Studie zu energetischem Abfall: Man nimmt gerne die Durchschnittserträge von Anlagen – in dem Fall Solarpanels – aus dem Feld. So ein Durchschnittswert ist technisch aber nicht existent. Im Feld werden Anlagen der letzten 30 Jahre betrieben. Die stammen aus komplett unterschiedlichen technologischen Generationen. Wir haben inzwischen teilweise eine Vervielfachung der Leistungswerte. Hinzu kommt die heute wesentlich bessere Planung, welche Anlagen an welchen Standorten wie platziert werden müssen, um die Ausbeute zu optimieren. Wer also mit Durchschnittswerten rechnet, liegt meilenweit von den Ertragswerten heute neu geplanter Anlagen entfernt und hat den Ersatz von Altanlagen gleich mit unterschlagen.
Der zweite Grundsatzfehler besteht darin, beim Verbrauch ebenfalls Durchschnittswerte anzunehmen. Das ist nicht geringerer Unfug, denn auch hier existieren Durchschnittswerte nicht. Selbst ähnliche Verbraucher, wie insbesondere die privaten Haushalte, haben durchaus unterschiedlichen Energiebedarf und sie setzten dafür ebenfalls Technologien ein, die mehrere Jahrzehnte alt sind. Bei der Industrie ist das ähnlich, wobei hier die Verbrauchsunterschiede signifikant sind.
Tatsächlich setzt die Energiewende voraus, dass möglichst viele Verbraucher elektrifiziert werden, um den durch Erneuerbare Energien erzeugten Strom möglichst effizient nutzen zu können. Dort, wo Prozesswärme mit sehr hohen Temperaturen erforderlich ist, müssen auch zukünftig Gase/Kraftstoffe verwendet werden. Auch bei Gewichtsproblemen, wie bei Flugzeugen oder schwerer Last, kann es notwendig bleiben, Kraftstoffe einzusetzen.
Vieles spricht dafür, dass Europa diese Kraftstoffe – grüner Wasserstoff beispielsweise – dauerhaft aus Regionen importieren muss oder sollte, bei denen Platz und Ausbeute Erneuerbarer Energien besser sind. Hinzu kommt das Thema der Stromspeicherung, das beispielsweise durch solche Importe, aber auch durch den bereits erkennbaren technologischen Fortschritt bei Stromspeichern unterschiedlichster Konzeption zu lösen ist. Nicht zuletzt fehlen derzeit die Stromnetze, um insbesondere die volatilen Energiemengen aus erneuerbarer Erzeugung großräumig besser verteilen zu können.
Es gibt für die Energiewende insofern vor allem einige offene Grundsatzentscheidungen, namentlich zu den Netzen – braucht Genehmigungen -, zur Elektrifizierung von Verbrauchern – kostet Geld – und zur Frage zukünftiger Importe – bringt neue Abhängigkeiten, wobei die nur existierende ersetzt. Richtig ist zudem, dass es bei einigen Technologien wie der Produktion von Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen sowie bei der Stromspeicherung nicht unerhebliche Ineffizienzen gibt, die nach derzeitigem Stand der Technik in der Planung „weh“ tun.
Daher müssen alle konkreten und seriöseren Planungen momentan mit Annahmen arbeiten, welche Importquoten tragbar sind, welche Technologien Netze/Verbraucher zukünftig unterstützen und welche Effizienzsteigerung wir bei Produktion/Speicherung erwarten können. Das macht solche Planungen natürlich stets angreifbar, da sie eben nicht einfach nur den Status quo perpetuieren, sondern unter Energiewende ein umfassendes Reformprogramm auf allen Ebenen vorsehen.
Genau das ist aber das wissenschaftliche Ergebnis dieser so unterschiedlichen Planungen: Es ist machbar, aber es erfordert Bewegung auf mehreren Ebenen zugleich. So lange man aber nur ein Segment, beispielsweise nur die Verbraucher, so festschreibt, wie sie heute aufgestellt sind, kommen wir aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nicht heraus. Richtig ist, dass diese multiple Transformation mit unterschiedlichem Tempo geplant werden kann, wobei jede Beschleunigung zusätzliches Geld kostet.
Anders ausgedrückt: Es ist eine Frage des umfassenden Willens, keine der Machbarkeit. Wer behauptet, es gehe nicht, sagt die Unwahrheit. Wer mit dem Preis argumentiert, rechnet falsch, denn er müsste den Preis der Fortsetzung bisheriger Energieversorgung dagegen halten. Spätestens an der Stelle gibt es hoffentlich gerade ein Aufwachen, so dass der Wille sich endlich weiter entwickelt. Immerhin erkennen wir jetzt, dass der Preis fossiler Brennstoffe stetig steigen wird und dass er auch eine politische Komponente hat, deren Folgekosten uferlos sind.

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