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Lindner spricht von Jahren der „Knappheit“

Krieg, Inflation, Lieferketten. Lindner spricht zurecht diese Kombination an. Dahinter steht das böse Szenario der Stagflation, steigende Preise und eine wirtschaftliche Stagnation, leider sogar eine bevorstehende Rezession. Wenn das Szenario „Gas“ nun hinzu kommt, was leider immer wahrscheinlicher wird, lässt sich das nicht mehr verhindern.
Die deutsche Industrie hat deutlich gemacht, was Gas für sie immer noch bedeutet: 30% des industriellen Energiebedarfs wird über Gas gedeckt, davon mehr als die Hälfte als Prozesswärme. Das sind industrielle Prozesse, die oft weder unterbrochen, noch herunter geregelt werden können, die auch nicht mal so eben auf andere Energieträger umzustellen sind. Der größte Gasverbraucher, die BASF hat das deutlich gemacht: Man könne in den vielen komplexen Anlagen bei bis zu 50% Ausfall der Gaszufuhr noch intern umverteilen und einen Notbetrieb aufrecht erhalten, ab 50% müsse der ganze Standort runter gefahren werden.
Die Rezessionsgefahr ist weltweit gegeben, alleine die massiv gestiegenen Energiepreise sprechen bereits dafür. In Teilen Europas und hier insbesondere in Deutschland kommt eine Energieknappheit hinzu und das wird vermutlich unser Szenario noch etwas stärker belasten als in anderen Ländern.
Hinzu kommt nun aber der Druck auf die Notenbanken und das Thema lässt Lindner leider aus. Es ist unstrittig, dass die Notenbanken in diese Situation hinein ihre expansive Geldpolitik kaum fortsetzen können, aber als Instrument gegen die Inflation sind sie ein stumpfes und zudem zweischneidiges Schwert: Die Ursachen dieser Art der Inflation können sie kaum bekämpfen, eine Verschärfung der Rezessionsrisiken aber sehr wohl erreichen. Die Notenbanken sollten also weder als Verursacher, noch als Alleinverantwortliche für die Inflation hin gestellt werden. Wenn die nun übertreiben, riskieren wir nicht nur eine tiefere Rezession, sondern auch noch eine Verschärfung der ohnehin ungelösten Finanzkrise.
Was Lindner und die anderen in dem Beitrag zitierten wohl zu erkennen beginnen: Wir reden vom Übergang einer Wohlstands- zu einer Mangelverwaltung. Wir reden deshalb von Belastungen, die sich nicht mehr durch staatliche Maßnahmen oder viel Notenbankgeld verbergen lassen. Es ist gut, dass diese Erkenntnis reift. Aber es ist zu befürchten, dass die Reaktionsmuster sich nicht so schnell ändern, denn keiner will seiner „Klientel“ so schnell etwas zumuten. Die Äußerungen deuten nämlich die nun kommenden Verteilungskämpfe an und die waren schon bei der Wohlstandsverteilung sehr hart, in der Verteilung von Mangel wird es gewiss nicht leichter.
Die Inflation wird sich nicht schnell bändigen lassen, der Krieg als weiterer Preistreiber, vor allem bei der Energie, wird nicht schnell enden. Die Lieferketten werden belastet bleiben, ihre Regeneration verläuft schleppender als erhofft, geopolitische Unsicherheiten kommen auch hier als Belastung hinzu und Corona ist auch nicht vorbei. Die Notenbanken können dieses Mal nicht einspringen, sie sind gefesselt in der Bewältigung der Vergangenheit, sonst droht eine Verschärfung der Finanzkrise – nichts brauchen wir weniger.
Es ist daher gut, dass Lindner offen von „Knappheit“ spricht, denn das ist es im Ergebnis und er sagt auch ehrlich, dass es so kommen wird, sich also nicht verhindern lässt. Das ist so und es sollte auch so kommuniziert werden. Ferner sollten diese vielen Aussagen, es gehe jetzt ausschließlich darum, die Folgen für die finanziell Schwächsten abzufedern, nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben.
Das ist leider nicht so schnell zu erwarten. Wenn die Gewerkschaften davon sprechen, meinen sie gerne alle ihre Mitglieder, der Arbeitsminister alle Arbeitnehmer und Rentner, der Finanzminister zuletzt beispielsweise alle Autofahrer und bei der sozialen Absicherung überforderter Haushalte ist er bisher nicht gerade als treibende Kraft aufgefallen.
Das geht nicht mehr. In einer Mangelwirtschaft gibt es keine Ressourcen für alle. Alle werden Einbußen hinzunehmen haben und die notwendige Umverteilung muss sich endlich auf wirklich finanzschwache Haushalte fokussieren, sonst überdehnen wir die Möglichkeiten des Staats. Das ist zudem keine Katastrophe, sondern vielleicht sogar eine längst fällige Übung?
Es ist aber zu befürchten, dass wir jetzt zwei Dinge tun, die in unserer Kultur so bevorzugt werden: Erstens die Suche nach Schuldigen und zweitens eine Gerechtigkeitsdebatte.
Also genau das, was uns überhaupt nicht weiter bringt.

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