ölverbrauch

Mit China kann man reden

Das statistische Bundesamt hat heute bekannt gegeben, dass der Export Deutschlands in die Regionen außerhalb der EU rückläufig ist. Das Amt weist zudem darauf hin, dass die Werte in Chart 1 nicht preisbereinigt sind. Da die weltweite Inflation seit Q4/21 angestiegen ist, wäre die Kurve preisbereinigt also noch flacher bzw. noch stärker rückläufig.
Daraus werden jetzt prompt panikartige („Einbruch“) Meldungen gemacht, die sofort in ein Geschrei über die Sanktionen, Russland bis zu Nord Stream II weiter gedreht werden.
Unfug. So wichtig ist Russland nicht, auch, wenn viele das gerne anders darstellen (wollen). Außerdem beinhalten diese Daten vielleicht auch eine gute Nachricht, wenngleich sie natürlich zunächst mal bedeuten, dass wir in der Tat weniger einnehmen.
Das zweite Chart zeigt, was tatsächlich der übergeordnete Treiber ist: Der Ölverbrauch der Welt ist (leider) immer noch ein präziser Indikator für die Weltwirtschaft. Die braune – für Statistiker eine fast schon geistreiche Farbwahl – Kurve zeigt den Verbrauch und hier sehen wir die Trends der letzten Jahre: Bis Ende 2019 ein eher bereits flacher werdendes Wachstum, massiver Einbruch durch Corona, teilweise Aufholeffekte nach der Wiederöffnung, Rückgang seit Q4/22 insbesondere durch die Schließungen in China. Lassen wir den Ausblick mal weg, der ist sehr unsicher. Die EIA erwartet eine Erholung der Weltwirtschaft, die kommen kann oder auch nicht.
Der Ukraine-Krieg findet in diesen Trends gar nicht statt. Dass er keinen Einfluss hat, will ich nicht behaupten, aber wesentlich ist er offensichtlich nicht. Tatsächlich sind seit zwei Jahrzehnten vor allem China und der durch die initierte Aufbruch weiterer asiatischer Volkswirtschaften der Motor der Weltwirtschaft – und damit auch ganz besonders der deutschen Exportwirtschaft.
China meldet aber immer schlechtere Zahlen – und die sind hier der wesentlich wichtigere Effekt als Russland. Die Corona-Politik Chinas war 2020 noch ein großer Wettbewerbsvorteil, aber sie wurde nicht genutzt. Es zeigt sich halt auch hier, dass nationalistische Politik für keine Nation nützlich ist. Xi hat ausländische Impfstoffe zugunsten der eigenen zurück gewiesen. Die funktionieren aber nicht gut und die Produktion konnte auch nicht ausreichend skaliert werden. Nun setzt er seine Schließungspolitik fort – sie dürften in Wuhan halt mehr erlebt haben, als bekannt wurde und fürchten vielleicht zurecht, dass sie sich einen Zusammenbruch ihres Gesundheitswesens bei einer miesen Impfquote und schlecht wirkenden Impfstoffen nicht leisten können.
Es gibt weitere Gründe, weshalb China erstmals seit Jahrzehnten nun Probleme bekommt. Es ist zu komplex, um hier alles zu erläutern. Die wichtige Immobilienwirtschaft hat hausgemachte Probleme, die Versuche, eine autonome Binnenwirtschaft aufzubauen, wurden überzogen. Die Wirtschaftspolitik der USA als Antwort auf die chinesische Expansion zeigt auch Wirkungen. Die nationalistische Politik, insbesondere gegenüber Taiwan, hat Reaktionen der unmittelbaren Nachbarn hervor gerufen. Viele in der Welt prüfen ihre Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu China. Ergebnis ist eine deutlich steigende Arbeitslosigkeit, insbesondere bei den Jüngeren, die oft immer noch keine guten Abschlüsse haben und nun nicht mehr so einfach durch ein Wachstum an Fertigungsstätten aufgesogen werden. Die Arbeitslosigkeit beträgt regional wieder mehr als 20% bei den jüngsten Arbeitnehmern. China ist immer noch ein Land mit zwei Gesichtern, ein technologisch hoch modernes Land mit enormer Dynamik und ein Schwellenland mit fehlender Infrastruktur zugleich.
Eine ganz zentrale Frage steht nun kurz bevor: Xi will im Herbst eine Bestätigung seiner Macht. Viele Beobachter gehen davon aus, dass seine zuletzt nationalistische Politik und seine teilweise harten Maßnahmen gegen die eigene Hightech-Industrie damit zusammenhängen. Das kann aus meiner Sicht niemand wirklich bewerten, aber die interessante Frage ist trotzdem, wie er handeln wird, wenn die Wahl erreicht ist. Bleibt er bei diesem Kurs oder bewegt ihn die Versorgungslage seines riesigen Volks, denn China kann es sich schlicht nicht leisten, so fortzusetzen. Sie brauchen Fortschritt und Wachstum, sonst drohen sehr schnell sogar wieder existenzielle Versorgungsnöte in Teilen der Bevölkerung. Das Land ist enorm schnell enorm weit gekommen, aber es ist offensichtlich auch fragiler, als gedacht.
Das erklärt diese Daten weit mehr als Russland oder die Sanktionen. Die schlechte Nachricht ist, dass es zunächst nicht nach Besserung aussieht. Für die Sanktionen bedeutet das übrigens, dass sie nochmals weniger wichtig werden. Das Chart zeigt, was es für den Ölpreis bedeutet: Die Produktion ist inzwischen wieder über dem Verbrauch, die Lager steigen wieder. Der Ölpreis reagiert darauf auch schon, er sinkt trotz der Verschärfung der politischen Lage mit Russland. Hätte Europa nicht dieses dämliche Gasproblem und seine noch dümmere Regulierung der Energiemärkte – das Thema könnten wir immer gelassener sehen.
Für die Exporte wird es aber zunächst mal weiter nach unten gehen und die Inflation wird sich auch nicht erholen. Wir profitieren vom sinkenden Ölpreis nicht, da er auf unsere Verbraucherpreise nicht ausreichend durch schlägt, der Gaspreis wird uns noch lange beschäftigen, bei den Lieferketten ist keine schnelle Entspannung in Sicht und China als Motor wird weiter stottern. Vermutlich werden viele also weiter auf die Sanktionen schimpfen und das große Bild nicht sehen.
Das aber hat auch positive Aspekte: Der Kollaps der Welt wegen Energie- und Rohstoffmangels ist mal wieder verschoben – von unserem europäischen Gasproblem abgesehen. Vor allem aber: Mit Xi kann man ziemlich sicher bald wieder reden. Eine Fortsetzung dieser Trends kann nicht in seinem Interesse sein. Man dürfte mit ihm über kooperative Lösungen reden können und ja, auch über das Klima, denn er ist kein Klima-Leugner.
Diese Daten sagen nämlich auch: Mit China gibt es Einigungspotenzial. Das wird nicht schnell gelingen, denn es sollte keine Fortsetzung der bisherigen Handelsstrukturen mit dem Land zum Ziel haben. Aber es muss keinesfalls – was viele befürchten oder gar fordern – zu einer Eskalation wie mit Russland führen.
Dieses geopolitische Thema ist weitaus wichtiger als Russland. Wenn es im nächsten Jahrzehnt – das sollte als zeitlicher Horizont klar sein – gelingt, mit China eine Einigung über einen neu gestalteten Welthandel zu erzielen und sie dabei auch bei einer ökologischen Wirtschaftspolitik zu unterstützen, die sie nach meiner Einschätzung selbst wollen, könnten die Krisenjahre ab 2020 sich doch noch auszahlen. Das Thema Russland wäre damit übrigens auch zu erledigen, als Nebeneffekt.

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