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Die „Debatte“ über „Verhandlungen“ wird immer schlechter!

Es ist einigermaßen erstaunlich, wie viele in Politik und Medien mit der Behauptung, es werde im Ukraine-Krieg nicht verhandelt, weiter auftreten dürfen und leider auch noch gehört werden. Das ist deshalb so bedauerlich, weil die meisten dieser Protagonisten bei Lichte betrachtet nicht mehr als das zu bieten haben. Mit der Annahme, es werde nicht verhandelt, werden mehr oder weniger allgemein die ethischen oder anekdotischen Vorteile von Verhandlungen versus Kriegsführung vorgetragen. Das klingt so schön rund, friedlich und wohlmeinend, dass so mancher nicht zu widersprechen wagt. Leider auch viele Moderatoren nicht, die endlich mal fragen dürfen, ob denn wirklich nicht verhandelt werde.
Nun ist es natürlich bereits naiv, anzunehmen, bei so einer Eskalation sei eine operative Trennung von Kriegsführung und Verhandlung überhaupt noch möglich. Selbstverständlich ist es leider notwendig, beide Perspektiven eines Konflikts zugleich zu betrachten und auch zu betreiben. Genau das passiert aber – und zwar seit Ende des Kalten Kriegs.
Das ist auch nicht überraschend, es gibt inzwischen genug Klarstellungen, die beispielsweise dokumentieren, dass der gesamte Prozess der Nato-Osterweiterung stets von Verhandlungen und teilweise auch konkreten Vereinbarungen mit der russischen Seite begleitet war. Trotzdem sehen wir immer wieder das uralte Genscher-Interview mit seiner damaligen – und von ihm selbst zudem kurz danach relativierten – Einschätzung, es sei – zu dem Zeitpunkt – keine Nato-Erweiterung geplant. Was so ganz genau sagt uns ein vorhandener oder nicht vorhandener Plan aus diesem Moment der Zeitgeschichte?
Die Stiftung Wissenschaft und Politik hat nun eine sehr ausführliche Dokumentation vorgelegt (https://www.swp-berlin.org/…/2022A66_krieg_russland…), welche Verhandlungen alleine zum Ukraine-Konflikt beginnend mit 2014 bis heute statt gefunden haben und selbstverständlich auch weiter statt finden.
Die Einschätzung der Stiftung ist dabei vielleicht noch Meinungssache, die Tatsache existierender Verhandlungen ist es aber definitiv nicht! Man darf feststellen, dass alles andere eine falsche Tatsachenbehauptung ist und entsprechend sollten wir endlich damit umgehen.
Die bewertenden Argumente in dem Paper finde ich sehr schlüssig. Es ist schon lesenswert, welchen Einfluss insbesondere die Außenpolitik von Trump hatte, dessen Verhältnis zu Russland hoffentlich mal aufgeklärt wird. Ich vertrete an der Stelle persönlich die Meinung oder man nenne es Spekulation, dass es viel zu auffällig ist, wie Trump parallel die US-Interessen von Afghanistan bis Syrien zurück genommen hat und genau in der Phase Russland in seiner Außenpolitik immer aggressiver wurde. Das nur als Hinweis für diejenigen, die – vermutlich vollkommen zu Recht – darauf hinweisen, die russische Politik sei ohne die US-Politik nicht zu erklären. Es erscheint mir durchaus richtig, diesen Zusammenhang zu hinterfragen, aber man sollte das ergebnisoffen und auch langfristiger tun.
Solche Fragen wären tatsächlich eine Debatte wert. Man mag darüber streiten, ob richtig verhandelt wird, ob die Strategien stimmen, warum die Verhandlungen diesen Konflikt nicht verhindern konnten und welche Rückschlüsse daraus möglich sind, wie man nun aus der Eskalation wieder herausfinden könnte. Aber offensichtlich ist es viel einfacher, über die naive und realitätsfremde Frage zu streiten, ob man besser aufeinander schießt oder miteinander redet, um daraus gar abzuleiten, man solle dem besser irgendwie die Waffen entziehen, denn – logisch – dann werde weniger geschossen.
Wir sollten auf unsere Demokratie aufpassen und sie besser pflegen. Es ist unsere ausdrückliche Stärke, dass wir über Lösungen streiten können, statt wie in Autokratien davon abzuhängen, welche von meist mit der Zeit dysfunktionalen Strukturen vorgegeben werden. Wir lösen in unseren Demokratien aber kein einziges Problem, wenn wir nicht endlich wieder über Lösungen streiten, sondern schlicht nur noch über dummen Stuss, den wir auch noch „intellektuell“ nennen und mit größeren Auflagen besonders misslungener Bücher belohnen.

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