Die Bedeutung und die aktuelle Rolle der Notenbanken für die Inflation werden überwiegend viel zu einfach dargestellt. Derzeit dominieren diejenigen, die bereits seit 15 Jahren eine galoppierende Inflation aufgrund der „Gelddruckerei“ erwarten und nun endlich mal eine zu sehen bekommen.
Tatsächlich haben die Notenbanken seit der Finanzkrise maßgeblich dazu beigetragen, das Finanzsystem vor einer Implosion zu retten und in der Realwirtschaft eine Deflation zu verhindern. Das dabei geschöpfte Geld ist zu einem großen Teil vom Finanzsystem selbst absorbiert worden, in Sachwerte geflossen und hat in der Realwirtschaft die Nachfrage bei einem Überangebot der globalen Märkte gestützt. Ergebnisse waren Sachpreisinflation und Nullinflation der Verbraucherpreise.
Die wesentlichen Versäumnisse dieser Phase liegen nicht in den Notenbanken, sondern in der Politik der Regierungen – quer durch alle parteipolitischen Lager übrigens. Strukturelle Defizite wurden nicht behoben, sondern mit dem billigen Geld überdeckt und die dringend erforderliche Reform des Finanzsystems ist nicht erfolgt. Für die Gesellschaften sind Vor- und Nachteile dieser Phase gemischt. Steigende Wohnkosten und Vermögensspreizung sind die Nachteile, Arbeitsplatz- und Kaufkrafterhalt die Vorteile.
Mit der Corona-Krise hat sich dieses Bild dann verändert. Hier wurden insbesondere durch FED und EZB die Bilanzen der Notenbanken nochmals ganz erheblich ausgeweitet, in einem Tempo, das zuvor nicht gesehen wurde. Das ist aber keine Entscheidung der Notenbanken alleine gewesen, es waren erneut die Regierungen, die diese gigantischen Rettungspakete aufspannten, dafür massiv expansive Staatshausalte auflegten und die von den Notenbanken finanzieren ließen. Diese jüngeren Mittel sind dadurch aber nahezu direkt in die Realwirtschaft und hier in den Konsum geflossen, um die Nachfrage zu stützen. Das traf post-Corona bekanntlich auf einen Einbruch des Angebots – und so wurde nun beginnend Mitte 2021 tatsächlich die Verbraucherpreisinflation ausgelöst. Die lächerlich simplen alten ökonomischen Modelle hatten endlich eine kurze Gelegenheit, auch mal zu funktionieren.
Die systemischen Versäumnisse rächen sich nun aber. Weder Staatshaushalte, noch Finanzsystem erlauben es, das geschöpfte Geld wieder zu reduzieren. Zudem ist es jetzt eine Situation der Stagflation, gegen die eine restriktive Geldpolitik sogar kontraproduktiv wirken kann. Es wäre nun wichtig, primär das Angebot zu stärken, statt die Nachfrage zu dämpfen. Soweit man das erkennen kann, wird genau das versucht, denn die Zinserhöhungen sind gemessen an der Inflationshöhe sehr maßvoll und was von den meisten übersehen wird: Die weit wichtigere Frage der Notenbankbilanzen wird noch verhaltener angegangen. Bei der FED stagniert die, bei der EZB wächst sie weiter.
Nun ist die Situation in den USA und in Europa denkbar unterschiedlich. Die USA werden das Problem vielleicht bald im Griff haben. Hier ist tatsächliche die Wirtschaft etwas überhitzt, aber viele Preise haben bereits ihren Zenit gesehen und die Energiepreiskrise wirkt dort aufgrund der Selbstversorgung anders. Das dürfte durch eine koordinierte Handlung von Notenbank mit maßvollen Zinserhöhungen, stagnierender Bilanz und einem nicht expansiven Staatshaushalt zu handhaben sein.
In Europa hingegen wirkt die Energiepreiskrise als massive Beschleunigung der Inflation. Wir sehen leider, dass wir bei den übrigen Inflationsursachen ähnlich wie in den USA den Zenit wohl ebenfalls gesehen haben, aber die Sache mit den Energiepreisen nicht in den Griff bekommen. Das nun bei der Notenbank ursächlich zu sehen und von der mittels einer restriktiven Geldpolitik eine Lösung zu verlangen, hat mit den kausalen Ursachen und Wirkungsketten wenig zu tun. Die EZB kann ihre Bilanz gar nicht verkürzen, das würde die Schuldenkrise wieder sichtbar machen und hätte auf die Realwirtschaft nicht mal einen sinnvollen Einfluss. Auf unser Hauptproblem, die Energiepreise hätte es gar keine Wirkung, denn hier sollten die Ökonomen mal aufhören, mit einfachen Marktmodellen zu argumentieren: Die Energiepreise sind nicht nachfragebedingt, sondern systemischer Natur.
Europa müsste also noch gezielter als die USA das Angebot stützen und vor allem diese Energiepreise bändigen. Dass unseren Regierungen nicht mehr einfällt, als mittels Gießkannenprogrammen viele Hundert Milliarden in die Nachfrage zu stecken, ist leider zur Behebung dieser systemischen Störung vollkommen ungeeignet, sondern droht sogar kontraproduktiv exakt diese Energiepreiskrise zu verschärfen.
Die ganze Rhetorik um Zinserhöhungen ist übrigens überwiegend Nebel, das erinnert sehr an unsere drei Kernkraftwerke. Es geht um das Gesamtpaket aus Zinsen, Notenbankbilanzen und Fiskalpolitik der Regierungen. In den USA kann man das insgesamt als Pause expansiver Geldpolitik attestieren und es könnte dort bald gelingen. In Europa ist hingegen alles weiter expansiv und – was schlimmer ist – kaum den systemischen Ursachen entsprechend.
Wie in den Jahren seit der Finanzkrise werden Symptome mit viel Geld zugedeckt, die systemischen Problem werden dabei perpetuiert und leider kommen neue hinzu. Die Verantwortlichkeiten für diese Politik liegen primär bei den Regierungen, nicht bei der Notenbank.