Wenn Precht sich mit der Manipulation von Meinungen mal tiefer befassen wollte, könnte er bei seinem Kooperationspartner Lanz beginnen. Der neigt ohnehin bis zur Unerträglich dazu, seine „Fragen“ mit Statements zu mischen, die dann gerne unwidersprochen im Raum stehen bleiben. Bei Twitter wurde zurecht zerrissen, wie er in der Sendung vom 09.11. zu einem wissenschaftsfernen Monolog zur Anpassungsfähigkeit des Menschen bei Veränderungen seines natürlichen Umfelds ansetzte, um in dem Fall genau genommen nicht mal eine Frage zu stellen.
Wie fast immer reagierten seine Gäste eher konziliant auf ihn selbst – man mag sich mit ihm leider nicht wirklich anlegen. Ich hätte ihm gerne ins Gesicht gesagt, dass zu der von ihm „Anpassungsfähigkeit“ genannten Methodik Verrecken, Migration und Massenmord zählen. Aber Klartext gegenüber dem Moderator findet in der Sendung eher selten statt.
Precht ist kein Philosoph und Lanz kein Journalist. Sie sind beide mittelmäßig informierte Meinungsmacher mit einer leider gut funktionierenden, aber intellektuell widerlichen Dialektik, auf die zu viele Menschen hereinfallen. Dabei fällt zudem auf, dass sie sich besonders gerne solcher Meinungen bedienen, die sich gut vermarkten lassen.
Wenn man relevante Systemkritik üben möchte, sollte man an genau dem Punkt übrigens anfangen, denn von Social Media inzwischen sogar ausgehend rollt diese Pest an Echokammer-Meinungskampagnen durch unser gesamtes medial/politisches System und wird dabei immer dominanter.
Ich zitiere dazu exemplarisch aus meiner letzten Vorlesung:
– These der Kommunikationsforschung: Durch das stark wachsende Informationsangebot der neuen Medien sinkt die Bereitschaft (und in der Folge auch die Kompetenz?) zur Nutzung von Informationen.
– Algorithmen in Suchmaschinen und Sozialen Medien bilden „Echokammern“ mit sehr schnell geprägten, sehr engen und kaum noch aufzulösenden Meinungen.
– Politik und Medien sind diesen Effekten unterworfen, zugleich spiegeln, nutzen und verstärken sie diese aber auch.
-> Dialog oder gar wissenschaftlicher Diskurs finden dadurch nicht ausreichend statt. Demokratische Entscheidungsprozesse verlieren an inhaltlicher Substanz, obwohl das allgemeine Verständnis genau das Gegenteil annimmt.
Precht ist in diesem System kein Kritiker, sondern Produzent (und Nutznießer), Lanz ist Multiplikator (und Nutznießer) und einer der wenigen verbliebenen Kuratoren, das öffentlich-rechtliche System, ist Versager.
[Hinweis: Ich füge nur ein Bild der Sendung hinzu. Wer sie sehen möchte, findet sie leicht in der ZDF-Mediathek. Ich will das nicht mit Reichweite durch Verlinkung belohnen, indem ich die kritisierten Algorithmen auch noch darauf aufmerksam mache.]