Desertec war ein vollkommen logisches Konzept, in den Wüstenregionen Afrikas die dort perfekten Bedingungen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien zu nutzen. Heute führen die Europäer mit einigen der damals geplanten Regionen Einzelverhandlungen über singuläre, oft sehr kleinteilige Projekte und nicht selten leider sogar über Gaslieferungen.
Ein gesamteuropäisches Projekt existiert nicht, weder vor der Haustüre Europas, noch innerhalb, denn alle Pläne der EU und auch viele der nationalen Regierungen sind bei Lichte betrachtet nicht viel mehr als numerische Vorgaben für Wind- und PV-Anlagen sowie ein paar Netzkapazitäten. So etwas wie ein „Realisierungsplan“, der gar so komplizierte Fragen wie Netzausbau oder Stromspeicherung inkludiert, ist nicht in Sicht. Wir haben faktisch leider nicht mehr als rein politische Willensbekundungen, die durch ein paar numerische Ziele bei der Energieproduktion oder den CO2-Emissionen konkretisiert werden. Der politische Wille ist das eine, seine Erfüllung ist harte Arbeit, die nicht von selbst passieren wird.
Der Chef der Munich-Re, Torsten Jeworrek, bringt es in einem FAZ-Interview auf den Punkt. Er sagt glasklar, was bei Desertec wissenschaftlich analysiert wurde: Mit Solarstrom aus der Sahara ließen sich die Energiekrise und der Klimawandel meistern. Die Munich-Re war an dem gesamteuropäischen Projekt beteiligt. Da das Interview hinter der Pay-Wall liegt, erlaube ich mir ein wesentliches Zitat:
„Wieso ist Desertec letztlich gescheitert?
Die wirtschaftlichen (sic!!) Konzepte lagen vor, aber letztlich ist Desertec politisch gescheitert. Die Desertec-Repräsentanten sind in Europa von Land zu Land gereist, um politisches Buy-In zu kriegen. Das war abstrakt immer positiv, ist faktisch aber ins Leere gelaufen. Frankreich hatte seinen Atomstrom, Spanien wollte Strom lieber nach Marokko exportieren, als von dort zu importieren, Deutschland hat sich politisch zurückgezogen, und dann wurde irgendwann der Stecker gezogen.“
So ist das in Europa: Partikularinteressen der Einzelstaaten, die nicht selten zudem von einer nationalen Wirtschaftslobby bestimmt werden. Mein persönlicher Hoffnungsfunke ist übrigens genau diese treibende Kraft. Viele Gespräche mit Unternehmen in ganz Europa bestätigen, dass die Energieversorgung inzwischen fast überall Chefsache ist. Wenngleich öffentlich viele kurzfristige opportunistische Töne anklingen, die fossile Energieversorgung wieder sicherzustellen oder deren Preisexzesse staatlich abzufedern, lese ich aus den meisten Gesprächen die klare strategische Erkenntnis: Wir müssen unsere eigenen Ressourcen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien ausschöpfen und uns diejenigen vor unserer Haustüre sichern.
Wenn diese Krise eine chancenreiche Kraft hat, dann diese Erkenntnis, die sogar endlich ökonomische, politische und ökologische Ziele strategisch vereint.
Die große politische Falle ist eine sinnfreie Debatte über die falsche Frage, ob man Kernenergie oder Erneuerbare planen sollte, die daraus also eine Alternativentscheidung macht. Die Gewinner so einer Stillstandsdebatte werden weiter die fossilen Energien sein und es darf vermutet werden, dass aus deren Lobby so manche Stimme finanziert wird, die uns in diese Falle locken will. Immerhin erkenne ich bei den meisten Gesprächen, dass die Unternehmen sich darauf nicht einlassen wollen, weil sie die Falle erkennen. Keiner will ernsthaft auf Kernenergie als strategische Säule setzen und selbst die Befürworter erkennen, dass die Debatte keinesfalls die Entwicklung lähmen darf.