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Blackout statt Lichtblick – eine vertane Chance

Nachdem Vince Ebert mich auf seinen SocialMedia-Kanälen gesperrt hat, habe ich die paar Stunden investiert, sein Buch zu lesen. Bisher hatte ich nur auf seine Posts reagiert und dazu gleich vorab ein extra Service für seine Fans: Er postet regelmäßig Statements mit dem Hinweis, mehr dazu sei in „Lichtblick statt Blackout“ zu lesen. Das aber stimmt nicht, man braucht das Buch gar nicht, denn er zitiert stets die vollständigen Auszüge zum jeweiligen Thema und ja, das geht in seinen kurzen Posts vollständig. Mehr findet sich nämlich im Buch tatsächlich nicht.
So hat es mich auch nicht weiter gebracht als die bisherige Lektüre seiner SocialMedia-Beiträge. Es ist tatsächlich recht schnell „rezipiert“, wenn man die vielen uferlosen Passagen quer liest, in denen er recht ausnahmslos gängige populistische politische oder pseudogesellschaftskritische Klischees bedient. Wenngleich er stereotyp wiederholt, kein „Klimaleugner“ zu sein, arbeitet er sich rein quantitativ in diesem Pamphlet ausgesprochen länglich an Bildern von Weltverbesserern, verblendeten Klimaaktivisten und großen Teilen der Politik, die diesem Trends blind folgt, ab. Besonders deutlich wird er, wenn er jüngere Menschen adressiert und seine eigene „Boomer“-Generation (die auch meine ist) oder die seiner Eltern glaubt, dagegen beschützen zu müssen.
Merkwürdig ist seine Sicht auf die Gesellschaft, denn er sieht diese „Klimaaktivisten“ wohl in so etwas wie einer dominierenden Mehrheit, die gesellschaftlich bestimmend ist und über die stärkste Lobby verfügt, uns alle quasi komplett zu verblenden. Dass es in seiner Wahrnehmung auch andere politische Kräfte und darauf basierende Lobbys gibt, kann nach dem Buch jedenfalls nicht vermutet werden. Sein „Lichtblick“ wird eher als etwas seltenes und den allgemeinen Wahnsinn korrigierendes dargestellt.
Rein strukturell ist das Buch ziemlich wirr. Es behauptet zwar, anfangs Mythen aufzudecken, um dann mit Fakten und Wissenschaftlichkeit die tatsächliche Situation zu bewerten und es schließt mit einem angeblichen Lösungsteil. Das klingt alles durchdacht, geht aber bereits strukturell komplett daneben, weil er es letztlich an keiner Stelle im Buch lassen kann, sich an seinen Feindbildern doch wieder abzuarbeiten.
Ich fühlte mich sehr an Corona erinnert, an die nicht wenigen Stimmen und Quellen, die sich mit dem Anspruch von Fakten und Wissenschaftlichkeit schmückten, ohne dem auch nur näherungsweise gerecht zu werden. Was vollkommen unstrittig an diesem Buch ist: Rein quantitativ gibt es zunächst mal schlicht nur sehr wenige Faktenbehauptungen oder Hinweise auf angebliche wissenschaftliche Erkenntnisse. Es ist für mich daher nicht nachvollziehbar, weshalb man Ebert abnimmt, er habe hier ein Sachbuch oder gar ein wissenschaftliches vorgelegt.
Tatsächlich sind die sehr wenigen Passagen nach meiner Erinnerung vollständig auf seinem SocialMedia-Profil präsentiert und dort auch ausreichend kommentiert worden, leider von vielen Mitstreitern, die er ebenfalls gesperrt hat. Daher lohnt es kaum, diese dürftige sachliche „Substanz“ nochmals ausführlicher zu kommentieren. Er arbeitet mit korrekten Ausführungen beispielsweise über physikalische Gesetzmäßigkeiten wie Energiedichte, die schlicht keinerlei Zusammenhang zum Thema haben. So mag man über Energiedichte im Zusammenhang mit Mobilität sprechen, ein weites Feld und für viele Anwendungen bekanntlich schwierig, aber so tief steigt Ebert an keiner Stelle ein. Da führt „Lichtblick“ wohl den einen oder anderen Leser hinters Licht, denn es bleibt der Eindruck, es handle sich um eine relevante Information beispielsweise für die Frage, wie Strom produziert wird.
Dann arbeitet er mit Tatsachen, bei denen ich eher schon misslungene Satire vermuten darf, so beispielsweise bei dem Hinweis, dass sich irgendwann auch die Sonne erschöpfe oder der Entropie, die er etwas sachfremd so beschreibt, dass „nützliche“ Energie sich stets in „nutzlose“ verwandle. Das sind ebenfalls physikalische Tatsachen ohne jeden Wert für den Kontext. Ein solcher wird auch nicht versucht, diese Passagen sind in der wie erwähnt wirren Struktur des Buchs beliebig platziert und fallen aufgrund dessen auch nicht wirklich besonders auf. Immerhin gelingt Ebert damit ein gewisser Überraschungsfaktor, denn man weiß als Leser eigentlich nie, was nun als nächstes wohl kommen mag.
Angreifbar wird der geringe Sachanteil des Buchs dann schließlich bei der Nutzung hoffnungslos veralteter oder ganz offensichtlich tendenziöser Quellen, die er nicht selten der US-Atomlobby entnimmt. Da werden vollkommen undifferenzierte – und veraltete – Berechnungen über Materialbedarfe vorgelegt, aus denen eigentlich nur abzuleiten ist, dass Stahlbeton ein sehr schwerer Baustoff ist. Auch richtig, aber was sagt uns das?
Was Ebert ausgesprochen gerne macht: Er widerlegt irgendwelche Pläne oder Irrtümer, die es gar nicht gibt. Dabei widerspricht er sich übrigens sehr häufig, er hat wohl seine wirre Struktur nicht wirklich im Griff. So lästert er länglich mühsam darüber, dass niemand im Zusammenhang mit Erneuerbaren Energien die Notwendigkeit von Stromspeichern beachte, was in der Tat verantwortungslos wäre, aber schlicht nicht stimmt, um dann einige Seiten später über das Power-To-Gas-Konzept in ein paar dürren Sätzen hinwegzugehen, die in der Substanz lediglich bedeuten, dieses Verfahren sei ineffizient. Das ist übrigens die einzige Stelle, an der er sich über Effizienz äußert, wie merkwürdig.
Den Höhepunkt erreicht das Buch dann mit dem selbst ernannten Lösungsteil. Nachdem er seitenweise die Klimabewegung in einen großen Topf von verwirrten Dogmatikern steckt, deren konkrete Pläne nur teuer – was er übrigens an keiner Stelle begründet, bei ökonomischen Fragen ist er für seine Verhältnisse sehr vorsichtig –, hysterisch, verantwortungslos und undurchführbar sind, kommt er zum Höhe- und Schlusspunkt des Buchs: Mit der wiederum überraschenden Einleitung, er sei Vertreter einer optimistischen Haltung und gegen diese Panikmache – erneute Erinnerung an Corona – sondert er in Form von genau sieben Spiegelstrichen mit jeweils einem Textumfang von einem Twitter-Beitrag seinen voller Hoffnung, Optimismus und Glauben an die Kraft der menschlichen Erfindungsgabe einzigen (!) wirklich konstruktiven Beitrag ab. Hier erfährt der Leser nun also, wie der zuvor seitenweise denunzierte Klimairrsinn einer besseren Zukunft zugeführt werden könnte, hier soll wohl der Lichtblick kommen.
Nun, über diese durchaus interessante, ja sogar ein Buch werte, so eingeleitet und verkürzt abgesondert aber erbärmliche Aufzählung erfährt der Leser, dass es Projekte mit synthetisch hergestelltem Fleisch, plastikfressenden Bakterien, neuen Reaktortechnologien und nicht zuletzt der Kernfusion gibt. Das füllt nicht mal eine komplette Buchseite, die mit der Bemerkung endet, die gute Nachricht sei, dass wir nichts radikal ändern müssten, sondern einfach nur mehr von den positiven Dingen, die wir ohnehin schon tun.
Tatsächlich ist die gute Nachricht, dass man an der Stelle das Buch hinter sich hat. Es folgen noch die Quellen, aus denen er zitiert, wobei mein Favorit ein Focus Online Beitrag des sehr breit aufgestellten Wirtschaftsjournalisten Oliver Stock ist, der sich dort über die Frage des titelgebenden Blackouts äußert.
Das Buch ist für mich vor allem eine vertane Chance. Dass ein Verlag mit ausgesprochen professioneller PR und ein Autor mit diesem Kommunikationstalent sich zutrauen, ein kritisches Buch über die Klimapolitik sowie eine wie auch immer zu definierende Energiewende zu machen, ist nicht selbstverständlich und es hätte einen Platz verdient, den es leider keineswegs erreicht und vermutlich auch nicht erreichen möchte. Eine kritische Würdigung, die auch und gerade in Deutschland wieder Raum für eine Diskussion über Energieerzeugung inklusive der Kernkraft schafft, wäre dringend geboten.
Ich würde einigen Kritikpunkten über dogmatische Politik, fehlende Pläne im Detail, eher vom Himmel fallende politische Vorgaben und Ziele ohne eine angemessene Hinterlegung nämlich keineswegs widersprechen. Ich bin nicht mal Gegner der Kernkraft. Es ist aber völlig deplatziert, daraus so ein Zerrbild der tatsächlichen Entwicklung zu zeichnen, diese gar als alles dominierend darzustellen und dann dauernd diesen wissenschaftsfernen Dissens zwischen Kernenergie und Erneuerbaren zu bemühen.
Meine Versuche, in diese Richtung unter Eberts Profil zu diskutieren, sind vollständig gescheitert. Er selbst antwortet überwiegend gar nicht oder nur mit fein geschliffenen Ausweichsätzen. Seine Fans sind in der Tat Dogmatiker der anderen Seite, da ist man bereits Kernkraftgegner, wenn man den Sinn von Erneuerbaren verteidigt oder diese maßlose Überschätzung von Kernenergie zurecht rücken möchte. Mit Kernkraftgegnern oder als solche erkannte wird dort nicht diskutiert, das sind Ökofaschisten, die den Untergang der deutschen Industrie beabsichtigen – und vieles mehr.
Schaut man sich sein Publikum und die Aussagen an, für die er den größten Beifall erntet, so muss man hier überwiegend ein rechtspopulistisches Forum feststellen, das wie in vergleichbaren Corona-Blasen von Meinungsfreiheit, Wissenschaftlichkeit und Fakten fabuliert, ohne zu erkennen, dass genau das nicht stattfindet.
Da ich Ebert und seinem Verlag eine sehr professionelle Vorgehensweise attestieren kann, ist das wohl Absicht. Daher erlaube ich mir zu wiederholen, dass ich ihn bezüglich Energiefragen für einen fachlichen Stümper halte und publizistisch für einen Schmierfinken. Die Eigenschaften dieser Begriffe sehe ich als erfüllt an. Kommunikativ ist er ein großes Talent und ausgesprochen professionell. Dazu gehört leider auch, dass und wie er Konfrontationen aus dem Weg geht.

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