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Die ökonomische Idee von Preisanreizen taugt nicht für eine Energiewende

Die optimistischen Berichte über die Energiepreisentwicklung kann ich immer weniger nachvollziehen. Positive Aspekte sehe ich immer weniger und das hat viel mit Wahrnehmung sowie Bewertung zu tun. Ich will dem daher mal ein paar andere Perspektiven widmen, auch wenn ich mir damit keine Freu(n)de machen werde.
Richtig ist, dass wir eine weitere Entspannung aus der Phase sehen, als noch von Gasmangellagen die Rede war. Die Märkte scheinen Europa inzwischen zuzutrauen, die russischen Lieferungen im Jahr 2023 durch andere Lieferanten, Fuelswitch und Einsparungen zu substituieren. So ganz ist das aber in den Preisen immer noch nicht abgebildet, denn wir sehen hier zunächst mal eine Rückkehr auf das ca. vierfache langjährige Niveau. Bewertungen von kurzfristigen Preisen, die in den Medien gerne genutzt werden, lasse ich mal aus, die nutzen nichts, um die Versorgungslage insgesamt zu bewerten.
Experten erhoffen eine weitere Halbierung dieses Niveaus, was sich ungefähr aus den Zusatzkosten von LNG-Infrastrukturen gegenüber Pipelinegas ergibt. Dann hätten die Märkte ungefähr das alte Preisniveau plus den deutlich höheren Infrastrukturkosten. Eine gute Nachricht kann ich darin nur erkennen, wenn ich Betreiber einer Pipeline bin und dadurch erwarten darf, auch langfristig zu doppelten Preisen bei ursprünglichen Kosten liefern zu dürfen. Die norwegische Equinor, ehemals Statoil, wird das sicher ganz toll finden.
Für die Verbraucher in Deutschland heißt das übrigens noch keinesfalls das Ende der bereits festgestellten Preissteigerungen, denn wir haben bisher nach vorläufigen Daten im Mittel eine Verdopplung gesehen. In Einzelfällen ist das wegen des Chaos um die staatlichen Eingriffe deutlich unterschiedlich, es reicht von Verbrauchern, die sogar Preissenkungen gesehen haben bis zu solchen, die Vervierfachungen und mehr hinzunehmen hatten. Immerhin könnte es, nochmalige Halbierung dieser Börsenpreise vorausgesetzt, dabei ungefähr bleiben. Aber wenn die nicht recht bald eintritt, haben wir auch bei den Endpreisen noch Druck nach oben. Auch hier lautet die Nachricht also: Keine Entwarnung, lediglich die Hoffnung, dass es nicht noch teurer wird.
Es ist interessant, wie schnell wir uns an signifikant andere Preise gewöhnen. Der Ärger über die Spritpreise ist kaum noch wahrnehmbar, obwohl die Preise sich vom Ölpreis entkoppelt auf einem höheren Niveau festgesetzt haben. Leider muss man erwarten, dass die Oligopole der Erdölraffinerien nun erfolgreich unsere Zahlungsbereitschaft getestet und ganz offensichtlich erweitert haben. Auch das ist natürlich für Shell, BP, Total etc. eine sehr gute Nachricht, keine Frage. Beim Gas wird eine Verdopplung vielleicht auch bald zur neuen Normalität.
An der Stelle hadere ich sehr mit der europäischen Politik, namentlich auch mit den Grünen und sogar mit der EE-Branche, in der ich ein Mandat trage. Es gibt aus meiner Sicht zu viel, ich nenne es mal „positives Interesse“ an hohen Energiepreisen. Die einen verfolgen damit die Idee von Sparanreizen und Klimazielen, die anderen schlicht höhere Margen in ihrem Geschäftsmodell. Ich halte das für einen strategischen Fehler, der für Europa große Nachteile mit sich bringt und den Klimazielen überhaupt nicht dienlich ist!
Die hohen Kosten für fossile Energieträger mögen Sparanreize erzeugen und neue Energien attraktiver machen. Das ist aber nur ein Effekt. Ein anderer ist, dass die Transformation der Energieerzeugung dadurch immer teuer wird. Da es nun mal Dekaden dauert, die fossilen Energien zu substituieren, fließen dadurch Billionen an Mitteln in die Kassen von Erzeugerländern und Energiekonzernen, die diese nur reicher und mächtiger machen. Bereits das macht für Europa keinen Sinn. Es kann nicht sein, dass wir hohe Preise in dem Bereich brauchen, um klug zu handeln. Entsprechende ökonomische Modelle, die in Preisanreizsystemen das allerbeste Mittel sehen, nutzen wenig und führen zu falschen Ergebnissen, wenn wir von Märkten sprechen, die aus technischen Gründen nicht in der Lage sind, diese Anreize agil umzusetzen. Da müssen wir andere und schnellere Wege finden!
Ebenso sehe ich die Haltung vieler Grüner oder der EE-Branche sehr kritisch, die insbesondere in dem misslungenen Strommarktdesign nun eine willkommene Förderung Erneuerbarer sehen. Da dieser eskalierte und bestenfalls auf eine Verdopplung rückkehrende Gaspreis weiter den Strompreis dominiert, werden natürlich EE-Produktionen immer lukrativer. Das gilt aber übrigens für alle Erzeugungsformen jenseits von Gas, auch die besonders schädliche Kohleverstromung ist derzeit eine Lizenz zum Gelddrucken. Wollen wir das? Macht das Sinn?
Zudem ist zu fragen, welche Folgen diese Preise haben. Die höheren Erträge Erneuerbarer sind nur ein Faktor, ein weiterer ist die Tatsache, dass für Verbraucher nun die Elektrifizierung, die aber eine ganz zentrale Säule einer klugen Energiewende ist, ebenfalls viel zu teuer wird. Ein weiterer Punkt: Die ganz großen Profiteure der Sache sind diejenigen, die Anlagen im Bestand haben und nun einen Mittelzufluss erleben, ohne auch nur eine KWh sauberen Strom mehr zu liefern. Warum finden wir einen Markt so toll, der das tut? Mein Mandat profitiert auch davon, ich „darf“ das also sagen.
Zugleich ruft so etwas natürlich einen Run auf neue Projekte hervor, das klingt zunächst mal positiv, ist aber – auch hier werde ich vermutlich als „Nestbeschmutzer“ beschimpft – ohne auch nur einen einzigen Vorteil, es hat NUR Nachteile. Der Grund ist sehr einfach: Es fehlte in der Vergangenheit weder an finanziellen Mitteln, noch an Ertragsaussichten, um Projekte zu realisieren. Dieser Markt braucht schlicht nicht mehr Geld und wenn in solche Märkte trotzdem Geld geradezu mit Eimern gekippt wird, gibt es nur Fehlentwicklungen.
Ich behaupte, dass wir KEINEN einzigen Wind- oder Solarpark mehr sehen, weil nun mehr Geld in diesem Markt ist, der EINZIGE Effekt ist, dass die Projekte immer teurer werden. Besitzer von Grundstücken, die Pacht verlangen, Hersteller von Anlagen, Spezialisten für den Bau spezifischer Infrastruktur – sie alle haben ein perfektes Buffet für Preiserhöhungen und die führen keinen einzigen Millimeter zu mehr Menge. Die durchführbare Menge an neuen Anlagen wird seit Jahrzehnten NUR durch die erteilten Genehmigungen bestimmt und ich stelle an der Front mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und tatsächlich beginnenden Verachtungsgefühlen für unser politisch/administrativ hoffnungslos verkrustetes Land fest, dass sich bezüglich des Aufwands, der Dauer und auch der Anzahl an Genehmigungen trotz dieser enormen Herausforderungen des Jahres 2022 genau GAR NICHTS geändert hat.
Wenn Politik irgendwas bewegen will, dann geht es NUR darum, an der Stelle endlich etwas zu verändern. In einem Markt Barrieren zur Mengenausweitung stehen zu lassen und ihm zugleich immer mehr Geld zuzuführen, ist ein klassischer Kardinalfehler, der in besseren Lehrbüchern übrigens zu finden ist!
Ich muss leider prognostizieren, dass wir noch viele Jahre enorme Mittelverluste für fossile Energien erleiden werden. Zugleich werden hohe Strompreise die Elektrifizierung bremsen und dadurch die Transformation verlangsamen, was den Abfluss in fossile Energien nochmals verlängert. Profiteure sind die Lieferanten von fossilen Energien und insbesondere die Energiekonzerne, die auf allen diesen Ebenen spielen, von der Exploration fossiler Energien bis zu Erneuerbaren Energien. Ich sehe nicht, dass dieser gewaltige ökonomische Aufwand die Produktion Erneuerbarer in der Menge maßgeblich fördert, im Ertrag passiert das gewiss, mehr sauberen Strom sehen wir dadurch nicht.
Europa braucht eine Politik, die zugleich billigere fossile Energien UND trotzdem deren Substitution zum Ziel hat. Ferner braucht Europa eine Politik der besonders billigen Strompreise. Das ist also in beiden Feldern genau das Gegenteil dessen, was gerade tatsächlich passiert und von Teilen der Politik sogar beabsichtigt ist.
Die bestehenden Märkte geben eine wünschenswerte Entwicklung nicht, definitiv jedenfalls nicht schnell genug her. Wenn man die alleine mit Preisanreizsystemen wie es im Lehrbuch steht „beglückt“, haben wir weitaus mehr Fehlentwicklungen als wünschenswerte Effekte. Nebenbei bemerkt ist es ein vollständig asoziales Unterfangen, denn die Verteilung von Nutzen und Lasten dieses sinnlos teuren, ineffizienten und langsamen Transformationsprozesses könnte kaum asymmetrischer sein.
Die sogenannte Energiekrise, die korrekt bewertet eine drohende und bisher nicht eingetretene Verknappung in der Erdgasversorgung war oder ist, wäre in der Tat eine Chance, endlich so etwas wie eine „Energiewende“ zu beginnen. Wenn das nicht strategisch viel klüger aufgestellt wird, dürfte diese Krise leider nur eine (sehr große) Chance für (sehr) wenige sein und die Energiewende nicht wirklich entscheidend beschleunigen.

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