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Der Exot im Energiesektor ist nicht Deutschland, sondern Frankreich

Das unten folgende Chart wurde ausgerechnet von einem Italiener, deren eigene Energieversorgung auf französische Importe angewiesen ist und deshalb seit Anfang 2022 durchhängt, als Vorbild für ein modernes Energiesystem gepostet. Es ist mir in vielen Foren von Kernkraft-Begeisterten begegnet, die sich leider zunehmend in eine Vollversorgung mit Kernkraft hinein steigern und daraus ausgerechnet eine Konkurrenz zu Erneuerbaren machen. Das ist energietechnisch Unfug!
Ich habe eine sehr enge Beziehung zu Frankreich, viele Freunde dort, liebe das Land, mein Sohn studiert gerade dort. Deshalb finde ich nicht alles in der französischen Politik richtig. Insbesondere die französische Kernenergiepolitik ist energietechnischer Unfug. Kann man nur politisch werten und das wird besser verständlich, wenn man die Idee heranzieht, eine europäische Flotte an Kernwaffen ohne die Amerikaner aufzubauen – unter französischer Kontrolle versteht sich.
Dasselbe findet sich in der Industriepolitik Frankreichs, zentral organisiert, große Unternehmen, die alles kontrollieren und ihrerseits natürlich vom Staat gelenkt werden. Das ist keine Kritik von mir, es ist eine politische Entscheidung der Franzosen, die dort über alle Systeme von den alten Feudalstrukturen bis zur heutigen Republik so gewollt ist. Man darf politische Entscheidungen akzeptieren, sollte an der Stelle aber erkennen, dass der energiepolitische Exot nicht Deutschland ist, wie so oft dargestellt, sondern viel mehr Frankreich. Zudem: Wenn man ein Monopol schafft, sowohl technisch als auch unternehmerisch, sollte man höllisch aufpassen, dass es auch liefern kann. Das ist bekanntlich seit 2022 nicht der Fall – was auch Italien übrigens spürt.
Der Atomausstieg Deutschlands, den ich in der Geschwindigkeit für einen Fehler halte, wird immer als Sonderweg bezeichnet, was zwar stimmt, aber verkennt, dass damit nur ein kleinerer Teil einer Energieversorgung betroffen ist. Deutschland ist vom Erzeugungsmix viel näher an der Normalverteilung als Frankreich, das ist trotz des Ausstiegs so. Aber auch das war eine politische Entscheidung, die man akzeptieren darf und die man gerne politisch anfechten sollte, aber nicht mit falschen Tatsachenbehauptungen.
Fakt ist: Kernenergie ist nicht regelbar. Wenn man mehr als ein Drittel und in modernen Energiesystemen mit heutigen Erneuerbaren eher nicht mehr als ein bis zwei Zehntel damit produziert, wird man dauernd Überschussenergie haben, die man entweder vernichten oder exportieren muss. Frankreich tut letzteres. Das ist ökonomisch für ein Land teuer und funktioniert nur, wenn die Nachbarn diesen energiepolitischen Unfug nicht mit machen, sondern ausnutzen. Wenn das aber dazu führt, dass Länder wie Italien ihre eigene Energieversorgung vernachlässigen und zu einem chronischen Importeur werden, führt das auf Ebene des Gesamtsystems zu Fehlentwicklungen.
Es ist halt nicht mit einer Zeile und einem Chart getan, Energiesysteme sind etwas komplexer, aber auch kein Hexenwerk. So ab 20 Seiten mit vielleicht einem Dutzend Charts kann man das schon darstellen und auch verstehen. Dann erkennt man übrigens, dass die klugen Länder in Kernenergie und Erneuerbaren keine Konkurrenten sehen, sondern Partner – und dass die Planung mit der Optimierung Erneuerbarer beginnt, um diese – auch! – mit Kernenergie zu ergänzen. Das ist nämlich billiger und sicherer so herum, führt zu robusten dezentralen Strukturen, die nur Vorteile haben. Daher wird in der Kernenergie auch versucht, kleinere und breiter verteilte Anlagen zu bauen.
Eine große Herausforderung moderner Energiesysteme ist nämlich der Transport weit größerer Energiemengen als bisher, die in einer zunehmend elektrifizierten Gesellschaft/Industrie anfallen. Das geht mit reinem Netzausbau nicht und es widerspricht der bisherigen zentralen Produktion durch Großkraftwerke. Wer also über moderne Energiesysteme spricht, wird stets Netzausbau und Dezentralisierung berücksichtigen. Die monokausale Diskussion über die Produktion von Energie ist vollkommen falsch, denn hier besteht in den selteneren Fällen ein größeres Problem.
Übrigens gehört nebenbei bemerkt gerade Frankreich genau zu diesen seltenen Fällen. Die Franzosen sind von all dem meilenweit weg, sogar ihre Kernenergie ist komplett veraltet, technisch und strukturell. Ein Irrweg und Auslaufmodell, man sollte es nicht dauernd als Vorbild nennen, das ist peinlich. Es ist vielmehr absehbar, dass sie es nicht in den Griff bekommen werden, sie haben politisch nämlich die Größe ihres Irrwegs nicht akzeptiert.
Die Ziele eines modernen Systems sind klar: Ausbau Erneuerbarer als Priorität, alle weiteren Planungen danach. Parallel Ausbau von Netzen und Dezentralisierung, um die Transportmengen zu reduzieren. Dann erst Planung von Grundlast- und Reservekapazitäten. Das kann man mit Gas machen, wie Deutschland es plant, muss dann aber klären, wo das herkommen soll. Das wird man übrigens immer – auch – mit Gas machen müssen, weil nur damit Spitzenlastproduktion möglich ist, in Frankreich auch nicht anders. Das kann man – auch – mit Kernkraft machen, wie andere, aber nur in der Grundlast und man muss dann mit dieser teuren, derzeit zu zentralen und enorm schwierig beherrschbaren Technologie umgehen – von Beschaffung bis Entsorgung. Wenn man auf diesen Wegen scheitert oder nicht schnell genug voran kommt, bleibt man auf der Kohle hängen. Das ist leider weltweit fast überall so, auch in Deutschland. Die Gegner von Kernenergie blenden das gerne aus.
Das ist die „Grundgleichung“ der Energieplanung und eine Konkurrenz zwischen Erneuerbaren sowie konventionellen Kraftwerken besteht nur, wenn man als Geschäftsmodell in letzterem positioniert ist. Leider vertreten viele Menschen diese Interessenlage, ohne sie tatsächlich zu haben. Wir brauchen als Backup für Erneuerbare Gas- und/oder Kernkraftwerke, die Kohle muss endlich weg, das ist alles vollkommen unstrittig. Man kann wissenschaftlich fundiert ausrechnen, was diese Sektoren liefern können und müssen. Es gibt eigentlich keinen Grund, daraus einen politischen oder gar gesellschaftlichen Streit zu machen. Der lohnt nur für politische oder wirtschaftliche Nutznießer – das sind aber nicht mal viele. Trotzdem führen fast alle einen Streit, der keine tatsächliche Berechtigung hat.

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