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Versteht Merz Karneval oder Politik nicht?

Der Auftritt von Marie-Agnes Strack-Zimmermann anlässlich der Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ war auch Karneval, primär aber Politik. So wie Karneval grundsätzlich auch Politik ist. Muss man nicht mögen, sollte man aber wissen und entsprechend damit umgehen. Als Rheinländer fällt mir das wohl leichter, beide Aspekte übrigens, denn die Karnevalszeit eignet sich hervorragend zum Reisen, das Wetter ist im Rheinland meist trüb und auch sonst verpasst man nicht viel. Dass man in meiner Heimat dadurch zunächst als humorlos gilt, kann man im persönlichen Umgang korrigieren, geht auch ohne Pappnase, Rheinländer und Humor ist mehr als Karneval – und nein, Karneval ist auch, aber nicht gleich Humor.
Zum Umgang zählt, dass über Geschmack nicht gestritten wird. Handlungshinweise wie gesagt, muss man nicht mögen und so weiter. So wird also von witzig intelligent bis zu deftig derb zugelangt. Grenzen gibt es zunächst mal kaum, was oft dazu führt, dass diese gelegentlich nachträglich eben doch diskutiert werden. Das finde ich vom Prinzip übrigens gar nicht schlecht, wenn man es zeitlich begrenzt und hinterher wieder einfängt. Dieses Einfangen kann übrigens ausgesprochen witzig oder sogar wertvoll sein, so manches Gerichtsverfahren, das jemand, der sich beleidigt fühlte, anstrengte, hat entweder den einen oder den anderen Aspekt belegt. Konsequenz ist übrigens, dass man sich klugerweise sehr gut überlegt, ob man sich beleidigt zeigt, obwohl man das sehr oft zurecht ist, denn die Beleidigung diesseits des justiziablen ist nun mal ausdrücklich eines der Stilmittel. Sofern man es für jenseits des justiziablen hält, kann und sollte man dem nachgehen – zum wichtigen Zweck des Einfangens. Falls dem nicht so ist, gilt die Nummer des Beleidigten als Lachnummer.
So viel für alle, die da nicht aufgewachsen sind.
Friedrich Merz ist zumindest in der Nähe aufgewachsen. Aber wohl nicht nah genug, denn sein General, der das gewiss nicht ohne Anweisung macht, wählt also den Weg des Beleidigten. Kein kluger Weg. So streitet das Land nun, ob es angemessen ist, ausgerechnet diesen unstrittig groß gewachsenen Merz als Zwerg zu bezeichnen. Wie den Kanzler übrigens auch. Und den Putin gleich mit. Wenn eine Frau, der mangelndes Selbstbewusstsein nicht zu unterstellen ist, für Männer, deren Gardemaß das mal begründen und mal auch nicht, so macht, ist das zumindest nicht unintelligent. Das mit dem „Flugzwerg“ zu verlängern, macht es noch schlauer. Welcher Flug wohl gemeint sein mag, der des Hochzeitsgasts, der des ewigen Kandidaten, der des großen Vorsitzenden? Welche Bilder sich da zugleich in einem Begriff bilden mögen, die Wortschöpfung war gewiss klug gewählt. Bitte jetzt nicht darauf abheben, hier werde das Ressentiment gegen kleine Männer bedient. Denn erstens ist das eben nur teilweise nachweisbar und zweitens gehören nach Beleidigungen die Ressentiments zum Sortiment des Verfahrens – das hatte ich oben vergessen. Und nebenbei: Gerne liest man auch in Kommentaren zur Ressentiments herablassendes über die Frisur von Strack-Zimmermann. Dazu möchte ich als Mann anmerken, dass diese nicht typisch für „bestimmte“ Frauen ist, ich selbst sehe jeden Morgen vor der lästigen Bändigung des Unkrauts ziemlich genau so aus.
Natürlich ist es Merz überlassen, ob er es für klug hält, genau die Debatte, die Strack-Zimmermann vermutlich haben wollte, nun selbst zu fördern. Vielleicht übersieht er das, vielleicht glaubt er, sie für sich gestalten zu können. Zumindest geben sich viele seiner Anhänger „aufrichtig“ empört, so was übel beleidigendes darf man dem Friedrich doch nicht antun, dann auch noch von einer Frau mit der Frisur und so weiter. Aber muss Merz diese Art von Anhängern überhaupt noch von sich überzeugen?
Das führt zur eigentlich interessanten Frage, die sich natürlich auf der politischen Ebene befindet: Was bezweckt Strack-Zimmermann damit? Sie ist bekanntlich politisch so gerade eine Stufe unter einem Regierungsmandat. Das gibt ihr Freiheiten, die sie ziemlich weit nutzt. So waren ihre Auftritte bisher bezüglich des Kanzlers nur dann überraschend, wenn sie dem auch mal gute Arbeit attestierte. Das passte zur Rolle der FDP als Opposition mit Regierungsbeteiligung, die sich bereits für kommende Wahlen anderweitig positioniert – bekanntlich in Richtung der Union. Bei der verteidigungspolitischen Linie hat Strack-Zimmermann diese gewünschte Allianz der Zukunft meist bedient.
Wie drastisch sie hier ausgerechnet den von ihrem Parteichef Lindner umworbenen Oppositionsführer angreift, ist doch wohl die eigentliche Überraschung. Manche sagen ihr nach, sie agiere so, weil sie keine politische Karriere mehr erreichen könne. Aber auch für eine nicht-Karriere muss sie Merz nicht angreifen, wenn sie das nicht für wichtig hielte. Vielleicht ist das insofern Ausdruck einer Strömung in der FDP, die mit der Anbiederung an rechtskonservative Politik nichts anfangen kann?
Wie auch immer hat sie genau dieses Positionierungsthema der FDP damit ordentlich aufgemischt. Das muss man mit so einem kurzen Auftritt in dieser Wucht erst mal hinkriegen, alleine das verdient – unabhängig von ihrer Motivation und auch ihrer gewiss nicht unstrittigen Rhetorik in der Kriegsfrage – Respekt. Da Merz glaubt, den Ball nun spielen zu müssen, statt ihn liegen zu lassen, kann das noch interessant werden. Wenn Merz es weiter provoziert, muss Lindner sich dazu äußern. Vielleicht wird bald klar, ob das in der FDP eine Außenseiterposition oder mehr ist. Insofern könnte Karneval vielleicht seine Berechtigung haben.
Humorlos verreisen kann man während der Zeit natürlich trotzdem.

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