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Ist Finnlands Kernkraftprogramm ein gutes Geschäft?

Lesenswerter Bericht über das bei uns so oft diskutierte AKW-Programm in Finnland. Was da unkommentiert steht und überhaupt nicht zum Titel passt: Geplant waren vier Jahre Bauzeit bei Kosten von drei Milliarden. Die Realität: 18 Jahre Bauzeit, neun Milliarden Kosten.
Der finnische Betreiber, der in dem Interview das macht, was man salopp ausgedrückt „dicke Hose“ nennen darf, wird tatsächlich viel Geld damit verdienen, denn er hat das Kraftwerk zum Festpreis von drei Milliarden eingekauft und bringt es nun Dank Merit Order in ein europäisches Stromsystem ein, bei dem es eine Lizenz zum Gelddrucken ist. Kann man so stehen lassen.
Der andere Teil der Geschichte betrifft den Hersteller Areva aus Frankreich, der auch dort die AKW-Technologie maßgeblich verantwortet. Areva wäre nämlich ohne Hilfe des französischen Staats an der Sache Pleite gegangen. So subventioniert Frankreich also den finnischen Ertrag mit AKW-Strom, der durch das europäische Strommarktdesign auch noch explodiert.
Nun kann man daraus eine AKW-Erfolgsstory basteln, mit diesen drei Milliarden kalkulieren und behaupten, Kernenergie sei eine günstige sowie ökonomisch attraktive Erzeugungsform. Rechnet man das mit den neun Milliarden, sieht es ganz anders aus. Bewertet man es ohne Merit Order ebenfalls.
Tatsache ist, dass die derzeit zugelassene AKW-Technologie weder ökonomisch ist, noch technisch gut beherrschbar. Diese primär in Frankreich favorisierte Technologie bereitet bekanntlich auch dort erhebliche Probleme. Daher haben Betreiber gar kein größeres Interesse mehr an dieser Technologie, sofern sie nicht ihr einziges Geschäftsmodell ist. Klar ist nämlich, dass ohne staatliche Hilfen keiner mehr in den Bereich einsteigen will. Das gilt für Frankreich wie für Finnland und ist auch in UK oder den USA nicht anders.
Ein nicht zufällig meinen Namen tragender prominenter Kernphysiker namens Hans Joachim Specht, siehe Wikipedia, hatte im persönlichen Gespräch mal die Industrie im Verdacht, dass sie die einmal zugelassene Technologie für mehr als 40 Jahre unbedingt im Markt halten will, weshalb sie keine Innovation betreibe. Er hatte als Wissenschaftler auch die undankbare Aufgabe, Forschungsmittel einzuwerben und wusste gewiss, was er da sagte.
Seine Meinung kann ich hier nur weiter geben: Diese Technologie war schon veraltet, als sie genehmigt wurde, was nie hätte passieren dürfen. Sie ist ineffizient, teuer, schwer beherrschbar, nicht skalierbar und erzeugt zu viel Abfall. Es gibt weitaus bessere Konzepte in der Wissenschaft, die teilweise auch bereits prototypisch verfügbar sind.
Ich bin sehr dafür, diese Konzepte weiter zu erforschen und ein großer Befürworter, Kernenergie in einem modernen Energiemix vorzusehen. Es ist in der Tat technologiefeindlich, dieses Segment generell auszuschließen. Aber in der vorliegenden Form ist Kernkraft alles andere als eine moderne Technologie. Diese vielen Milliarden sollten nicht in den Bau bereits konzeptuell veralteter Kraftwerke, sondern in die Erforschung komplett neuer investiert werden. Vorher sollte auch nichts mehr genehmigt werden, sonst wird die Industrie sich an dieser Evolution nicht beteiligen. Es ist nämlich kein Selbstläufer, dass „der Markt“ Innovationen schafft, er kann ganz im Gegenteil genau das verhindern.
Interessanterweise wird man mit dieser Meinung in Deutschland nicht selten zum Ökoterroristen erklärt und wenn man zugleich Erneuerbare Energien ausbauen möchte, gar zum Dogmatiker.

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