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„Technologieoffenheit“ ist nicht Marktwirtschaft, sondern ein Zerrbild derselben

Gerne werden in Öffentlichkeit und Medien Begriffe wie „Marktwirtschaft“, „der Markt“, „Verbote“ und ordnungspolitische Grundsätze insbesondere zur Rolle des Staats, meist in dem Sinne, der solle sich „raus halten“, mehr oder weniger grob falsch verwendet. Die Spitze dieser – grob falschen – Anwendung ist das, was sich „Technologieoffenheit“ nennt sowie die angeblichen Eigenschaften, die diesem Begriff angedichtet werden.
Da ich als Ökonom mit einem Lehrauftrag versuche, jungen Menschen genau diese Begriffe grundsätzlich zu vermitteln, bin ich teilweise fast schon verstört, wie widerspruchsfrei das von Politikern, Ökonomen und auch Journalisten geäußert werden darf – was leider dazu führt, dass viele es als Kommentatoren in den sozialen Medien genauso falsch weiter drehen.
Ich will hier ausdrücklich gar nicht die zuletzt diskutierten Inhalte zum Thema machen. Ob man dieses sogenannte „Verbrenner-Verbot“, der Begriff ist bereits falsch, also überhaupt braucht, ob es so inhaltlich in Ordnung ist, ob die Frist passt oder bezüglich der jetzt diskutierten Wärmewende, ob das zu rasch kommt, ob es umsetzbar ist, wie es sozial gestaltbar ist etc. – das sind inhaltlich Fragen, Themen und Bedenken, die selbstverständlich zu diskutieren sind.
Das möchte ich aber von der formalen Begriffsklärung ausdrücklich trennen, denn es ist gänzlich inakzeptabel, wenn dabei wissenschaftlich klar definierte Begriffe grob falsch verwendet werden. Das wird zudem natürlich für eine primitive politische Agenda getan, weil man gerne die uralte Lagerbildung zwischen der „Marktwirtschaft“ verpflichteten Parteien und den „Staatswirtschaftlern“ wiederbeleben möchte. Damit schaltet man aber leider nur das kritische Denken ab und reduziert die inhaltliche Debatte auf reine Sprechblasen, die sich zwischen rechts und links erschöpfen, die vor allem aber so unsäglich falsch sind, dass es mal einer Korrektur bedarf.
Zur grundsätzlichen Klarstellung daher zunächst der Hinweis, dass immanenter Bestandteil der Theorie der Marktwirtschaft die Rolle des Staats als Regulierer ist. Das ist in der ordoliberalen Lehre, auf die man sich in Deutschland politisch i.W. stützt, in der Wissenschaft ist das inzwischen breiter aufgestellt, sogar besonders weit gefasst, weil hier insbesondere Aufgaben wie der soziale Ausgleich betont werden, weshalb man auch von „sozialer Marktwirtschaft“ spricht. In jüngerer ordoliberaler Lehre kommt die Aufgabe der ökologischen Ziele hinzu, weshalb der Begriff der „sozial ökologischen Marktwirtschaft“ entstanden ist. Es gibt also gar keinen methodischen Zweifel an der Aufgabe, nein der Pflicht des Staates, zu regulieren. Das wird übrigens auch in der neoliberalen Auslegung nach US-Prägung nicht negiert und weltweit nehmen alle Regierungen aller Parteien immer und stets diese Aufgabe wahr. Ob gut oder schlecht, richtig oder falsch, ist stets zu diskutieren, aber das grundsätzlich in Frage zu stellen, worin viele stumpfe Kommentare sich verlieren, ist grober Unfug.
Die Geschichte der Marktwirtschaft ist insofern auch eine der Regulierung und das wird so bleiben. Dabei gilt in der ordoliberalen Lehre die Erkenntnis, dass der Staat Märkte in Form von besonders klaren „Leitplanken“ zu definieren hat, sich ansonsten aber insbesondere als Akteur an den Märkten raus zu halten hat. Diese Trennung zwischen Staat und Marktakteuren ist dabei besonders hervorzuheben und es wird Wert darauf gelegt, dass die allenfalls in begründeten Ausnahmen durcheinander kommen darf. Unter „Leitplanken“ versteht man dabei insbesondere die Setzung von Zielen und von Grenzen bei deren Umsetzung. So entsteht überhaupt erst das, was sich „Markt“ nennt, ein solcher existiert also erst durch die Vorgaben des Staats. Als gute Regulierung gilt, den Markt in diesem Sinne möglichst präzise abzugrenzen, ihm aber bei der Umsetzung der gesetzten Ziele, also bei den konkreten Wegen, so wenig wie möglich vorzuschreiben.
Eine besondere Rolle nimmt dabei innerhalb von Märkten die freie Preisbildung ein. Hier gilt in der Theorie, dass der Staat in diese nicht eingreifen sollte, dass Angebot und Nachfrage über Preise frei verhandeln sollten. Das führt übrigens in der Gesetzgebung sogar zu expliziten Festlegungen, was der Staat in dem Bereich alles nicht tun darf und was Marktteilnehmer ebenfalls zu unterlassen haben.
Kritisch werden daher asymmetrische Besteuerungen, Subventionen oder direkte Preiseingriffe des Staats gesehen. Ebenso werden unmittelbare Regulierungen von Technologien oder ähnliche konkrete Vorgaben bewertet. Die Wirtschaftshistorie ist voller Eingriffe dieser Art und die haben sehr oft Wirkungen gezeigt, die weder gewollt, noch irgendwie wertvoll gewesen sind.
Dies klargestellt, kann man die jüngsten Debatten nun recht einfach einordnen: Das sogenannte „Verbrenner-Verbot“ ist tatsächlich eine Fortsetzung der Regulierung von Emissionen, die vollkommen korrekt schon immer Teil der Aufgabe von Staaten war und zudem von allen Regierungen aller Parteien wahrgenommen wurde. Rein ordnungspolitisch ist daran grundsätzlich genau gar nichts zu kritisieren. Das gehört sogar im ordoliberalen Sinne zu den „sauberen“ Regulierungen, weil damit Ziele gesetzt werden und die Wege frei bleiben. Es ist explizit eben KEINE Regulierung von Technologie und keine Vorgabe, WIE das zu erreichen sei. Das gilt für die vorliegenden Entwürfe zum sogenannten „Heizungs-Verbot“ genauso. Diese Begriffe sind falsch und die vorgelegten Gesetze sind mit der ordoliberalen Lehre formal – inhaltlich bewerte ich das hier wie gesagt nicht – vollkommen konform, ja sogar ordnungspolitisch vorbildlich gemacht. Das ist explizit die Idee, die Lösung dem Markt zu überlassen und wenn man den Begriff schon meint, setzen zu müssen: Es ist technologieoffen.
Was hingegen die reine Lehre eher „stört“, sind genau die Eingriffe, die jetzt passieren sollen, um angeblich besonders „marktwirtschaftlich“ zu agieren und in Technologien nicht einzugreifen, sondern das „dem Markt“ zu überlassen. Namentlich die Ausnahmen für E-Fuels führen zu ganz besonders detaillierten Definitionen, welche Technologien und sogar Verwendungsketten nun als Ausnahme ebenso emissionsfrei genannt werden sollen. Genau dasselbe wird passieren, wenn die Ideen, bei den Heizungen irgendwelche Mischformen von Erdgas und H2 durchzudrücken, in die ersten Gesetzestexte tröpfeln sollten.
Es ist ganz offensichtlich festzustellen, dass hier dedizierte Technologien in dem Sinne reguliert werden sollen, diese zu erhalten. Ich will das inhaltlich gar nicht bewerten, das mag sogar richtig sein und es ist gewiss richtig, das zu diskutieren. Dazu wäre es aber zwingend (laut Theorie!), diese Ausnahmen (!) von der reinen Marktlösung zu begründen, beispielsweise durch eine ökologische oder ökonomische Gesamtrechnung, um die Vorteile aufzuzeigen UND um zu begründen, dass der Markt diese ansonsten nicht erreichen wird. Das muss man – gemäß der reinen Lehre!! – nämlich tun, weil Ausnahmen vom Grundsatz, Technologie eben nicht zu regulieren, durch solche Vorteile zu begründen sind.
Das passiert aber nicht, es gibt keine einzige nachvollziehbare Begründung, es wird i.W. behauptet, es sei marktwirtschaftliche geboten, diese Technologien als Ausnahmen zu regulieren – und das ist schlicht falsch. Ebenso ist es falsch, zu behaupten, die explizite Regulierung einer Technologie sei technologieoffen, das genaue Gegenteil trifft zu. Was gemäß der Thoerie fehlt, ist eine Begründung für das, was gemäß der reinen Lehre nämlich gar nicht passieren sollte.
Bezüglich der sogenannten „Verbote“ gilt derselbe Etikettenschwindel. Zunächst ist der Begriff bewusst emotionalisierend, die marktwirtschaftliche Theorie spricht hier schlicht von Regulierung. Diese kann durch Ziele, Normen, Gebote und Verbote erfolgen, was ohnehin nicht trennbar ist, denn letztlich erfasst Regulierung immer die Definition von Erwünschtem, was zugleich ein „Verbot“ von Unerwünschtem umfasst. Auch die E-Fuel-Ausnahme enthält ein Verbot, denn sie schließt Technologien, die von der Definition nicht erfasst werden, aus, „verbietet“ diese also. Jede Norm – und davon gibt es Tausende – ist zugleich sowohl ein Gebot als auch ein Verbot. Das ist von der kausalen Wirkung gar nicht trennbar, weshalb es den Begriff des „Verbots“ an der Stelle in der Wissenschaft gar nicht gibt.
Der Etikettenschwindel geht aber viel weiter, denn solche klaren Vorgaben wie die Regulierung von reinen Zielen am Beispiel von Emissionen gelten in der Theorie sogar als „Goldstandard“ für die effizienteste Art des staatlichen Eingriffs. Wenn Politiker oder Ökonomen nun aber fordern, das sei beispielsweise über Preiseingriffe, Besteuerung, CO2-Zertifikate etc. besser regelbar, so kann man das selbstverständlich diskutieren, sollte aber nicht behaupten, das sei besonders „marktwirtschaftlich“, denn gerade in Verbindung mit Preiseingriffen ist das nach der reinen Lehre eine marktwirtschaftliche Sünde, die einer ganz besonderen Begründung bedarf.
Dasselbe gilt übrigens auch für die Forderung, der Staat könne nicht einfach nur Vorgaben machen, er habe sich auch darum zu kümmern, dass und wie die umzusetzen seien. Das geht ebenfalls über zu viele Lippen, bei denen das doch wundert. Auch hier sei klar gestellt: Das kann man thematisieren und niemand wird widersprechen, dass wir von staatlicher Regulierung auch die Verantwortlichkeit erwarten dürfen, deren Machbarkeit und Folgen vorher zu prüfen. Aber rein marktwirtschaftlich ist diese Argumentation erneut grob falsch, denn genau diese Umsetzung ist Aufgabe des Marktes und die Erfahrungswerte bestätigen übrigens, dass die besseren Resultate zu erwarten sind, wenn der Staat das dem Markt tatsächlich überlasst.
Abschließend ein Exkurs, der aus meiner Sicht zur Lehre des ordoliberalen Modells zwingend dazu gehört und den ich selbst nie auslasse: Insbesondere in der jüngeren Lehre ist vollkommen klar, dass alleine schon wegen der Globalisierung und des damit festzustellenden Wettbewerbs von Volkswirtschaften staatliche Eingriffe und Maßnahmen erforderlich sind, die das ordoliberale Modell nicht mehr erklärt.
Das ordoliberale Modell beschäftigt sich überwiegend mit der Beschreibung einer primär abgeschlossenen Ökonomie, die zusätzlich so etwas wie Außenhandel betreibt. Dieses Modell ist schon lange nicht mehr in der Lage, die tatsächlich entstandene Vernetzung der Weltwirtschaft sowie die daraus abzuleitende Wettbewerbssituation im Kern zu erfassen. Das Modell ist nicht mal in der Lage, so etwas wie den Euro-Raum zu erfassen, außer festzustellen, dass so verschiedene Volkswirtschaften unter einer Währung nicht funktionieren, was natürlich Quatsch ist, denn sie funktionieren offensichtlich. Man mag meinen, sie funktionierten „schlecht“, aber selbst dieses Attribut ist kaum möglich, weil auch das nicht definiert ist, das ordoliberale Modell kommt hier schon an seine Grenzen. Globale Erklärungen leistet es erst recht nicht, obwohl die Weltwirtschaft offensichtlich auch irgendwie „funktioniert“. Schwierigere Fragen, wie komplexe Transformationsprozesse insbesondere für die ökologischen Herausforderungen oder selbst solche Dinge, wie das moderne Geldsystem sowie das daraus entstandene Finanzsystem werden ebenfalls nicht ausreichend erklärt.
Das wiederum erkennen viele Ökonomen nicht, wenn sie die Digitalisierung, die Finanzkrise, den Klimawandel oder auch nur einzelne Fälle wie Viessmann mit ordoliberalen Modellen erklären wollen. Damit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich hiermit dieses Modell nicht auf´s Schild als hervorragend geeignete Theorie für reale Politik heben wollte. Ich habe es nur grundsätzlich erklärt, weil es so grob falsch verwendet wird. Wer es sich auf die Fahnen schreibt oder als Bürger meint, es möge Politik bestimmen, sollte es nicht dauernd mit Füssen treten.
So schlecht ist es nun auch wieder nicht!

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