derspecht

Warum sind Precht-Fans nur so feige?

Öffentlich gab es wenig Kritik an meiner Bewertung und die daraus entstandenen „Dialoge“ sprechen leider für sich. Aber unvermindert kommen nicht öffentliche Zuschriften, meine Kritik sei substanzlos. Kann ich ehrlich gesagt nicht erkennen, aber bitte, eine Leserin fragte nach sehr konkreteren Beispielen, hier meine Antwort.
Nehmen wir sein Büchlein zum BGE. Da hat er sich der zuvor bereits sehr breit ausgeführten These angeschlossen, die Digitalisierung führe zu einer größeren Automatisierung und massenhafter Arbeitslosigkeit. Das wurde nun in der Tat vorher breit und lange diskutiert. Er hat an der Stelle aber gar nicht erkannt, was damals schon das wesentliche Thema war, nämlich KI und die dadurch zu erwartende Automatisierung von Arbeitsprozessen jenseits der industriellen Fertigung. Darauf ist er erst viele Jahre später gekommen, wobei er da am BGE kein Interesse mehr hatte. Wäre schon angemessen gewesen, sich zu revidieren oder das einzuordnen. Spielt das BGE nun keine Rolle mehr oder nicht?
Das ist auch so ein Punkt: Autoren von Rang schaffen so etwas wie ein Gesamtwerk, führen also Gedanken weiter, greifen sie auf, entwickeln sich, revidieren sich auch mal, zitieren frühere Werke und ordnen sie neu ein. Precht ist einer, der besonders viele Bücher publiziert und die lassen davon nichts erkennen, es gibt nicht mal Versuche, frühere Werke irgendwie aufzugreifen und weiter zu entwickeln. Er greift Themen und Gedanken auf, wirbelt sie mal kurz und erratisch durch seine Medienmaschine und lässt sie auch genauso bereitwillig wieder fallen. Da ist keinerlei Stringenz erkennbar und das ist für einen mit dem Anspruch, Philosoph zu sein, eine vernichtende Feststellung!
Aber zurück zum BGE: Analytisch hat er da sehr viel von Straubhaar übernommen, ohne diesen zu zitieren. Das ist der nächste Punkt: In der Wissenschaft wären das alles Plagiate, weil er nutzt, aber nicht zitiert. Wenn Politiker das in der Doktorarbeit machen, schreit das Volk, wenn ein Volksautor das als gängige Praxis macht, wird es gefeiert. Verstehe ich nicht.
Weiter zum BGE: Bereits zum Zeitpunkt des Buchs wurde primär eine sogenannte „Robotersteuer“ diskutiert, finde den Begriff ziemlich daneben, es geht darum, Automatisierungsgewinne irgendwo bei Unternehmen abzuschöpfen und gerade mit KI ist der „Roboter“ kein guter Begriff mehr. Straubhaar hat dazu auch Ideen vorgelegt. Insbesondere in der Schweiz gab es aber eine Initiative von einigen, das über eine Finanztransaktionssteuer zu machen. Bis zu ziemlich haltlosen „Berechnungen“ über deren mögliches Aufkommen. Da hat Precht plump und unkritisch abgeschrieben, der eigentlichen Lösung seines Themas ca. 1-1/2 Seiten gewidmet, erneut ohne zu zitieren. Übersehen hat er da schon, dass viele darauf hingewiesen hatten, eine Finanztransaktionssteuer sei letztlich eine Verbrauchssteuer und dass eine solche als Refinanzierung für ein BGE so etwas wie der sich selbst am Schopf hoch ziehende neue Flieger wäre – also Blödsinn im Ansatz, um das mal zu übersetzen. Kann man ja anders sehen, aber wenn man sich der Idee anschließt, indem man sie abschreibt, kann man sich wenigstens mit der bereits existierenden, gut begründeten Kritik daran auseinandersetzen.
Warum er hingegen die „Robotersteuer“, die bis heute die substanziellste und best begründete Refinanzierung ist, gar nicht berücksichtigte, ist gänzlich unklar. Wer das Thema anfasst, muss doch zur in Fachkreisen primär bevorzugten Lösung wenigstens ein Wort verlieren, wenn ich mindestens den Anspruch habe, dem Leser zusammenzufassen, was es zum Thema so alles gibt. Insofern macht er ohnehin nicht mehr, als abzuschreiben, aber nicht mal das wirklich gut.
Später hat er zur Digitalisierung und zur KI weitere Bücher gemacht und sich dabei an sein BGE-Büchlein wohl gar nicht mehr erinnert. Über eine Finanztransaktionssteuer, die er dort so auf´s Schild gehoben hatte, hat er sich auch nie wieder geäußert. Dieses Thema war also mal schnell aktuell platziert, danach hat es den Denker Precht verlassen. Das geht aber nahtlos so weiter, es ist wirklich in allen Fällen so.
Sein neustes Büchlein zu den Medien, das Unding, das er mit Welzer gemacht hat, greift allgemeine Ressentiments über die „Systemmedien“ auf, finde ich wirklich populistisch, aber vor allem fehlt jede Substanz. Er beschreibt da nicht mal die Veränderungsprozesse in den etablierten Medien selbst auch nur näherungsweise richtig und übersieht vollständig, dass diese nicht ursächlich oder gar maßgeblich für die Meinungsbildungsprozesse sind, sondern Folge von der weit wichtigeren Digitalisierung der Medien mit ganz neuen Formaten wie Search und SocialMedia. Er verwechselt hier also Ursache und – zudem nebensächliche – Wirkung, beschreibt aber diese Wirkung nicht mal richtig und dokumentiert nebenbei bemerkt erneut, dass er von Digitalisierung keinerlei Ahnung hat.
Zu seinen jüngsten Aktivitäten, sich der „neuen Weltordnung“ anzunehmen, ganz erstaunt festzustellen, dass in Asien und Afrika Prozesse in Gang gekommen sind, die sich der Dominanz „des Westens“ entziehen etc. – ich mag es jetzt gar nicht mehr fortsetzen, inhaltlich ist das natürlich ein weiteres sehr dickes Brett, das er anfasst und er macht es genauso dilettantisch wie in allen anderen Fällen. Wer sich beispielsweise nur Münkler zu demselben Thema anhört, erkennt sehr schnell, dass Precht nicht mal das Thema wirklich erfasst hat.
Aber jetzt mag ich wirklich nicht mehr und will einen anderen Autor dagegen halten: Wer die Werke von Harari liest, kann daraus Wert ziehen, denn der macht sogar ganz überwiegend rein strukturell dasselbe wie Precht, er fasst den Stand von Forschung, Wissenschaft und Literatur zu sehr wichtigen Fragestellungen zunächst mal zusammen. Diese analytischen Teile seiner Bücher sind ganz großartig und sehr lesenswert. In einigen der angesprochenen Themen habe ich selbst so etwas wie Kompetenz und lese sehr viel, ich war überrascht, was ein Militärhistoriker da zusammentragen kann und hätte selbst nicht nur nichts vermisst, ich habe ein paar Quellen und Gedanken entdeckt, die selbst mir neu waren. Größtes Kompliment!
Zudem hat Harari die angenehme Kultur, sich nicht mit fremden Federn zu schmücken, sondern deutlich zu machen, was und von wem er zitiert. Dass er wissenschaftlich geschult ist, erkennt man auch am Aufbau seiner Bücher, die stets mit der Analyse beginnen und dann einen Meinungs- und Lösungsteil daraus entwickeln.
Erst hier wird er eigenständig, wobei diese analytischen Teile eine durchaus eigene Leistung darstellen, das sei nicht klein geredet. Mit diesen Bereichen seiner Werke kann ich dann weniger anfangen, aber er gibt mir als Leser eine exzellente Struktur und die Chance, mich mit Analyse, also Tatsachen und Meinung dieses Autors gezielt auseinanderzusetzen.
Vielleicht ist Harari daher immer noch kein großer Denker mit prägendem Einfluss. Das kann nur die Nachwelt beurteilen. Aber er ist ein sehr empfehlenswerter Autor und wer an Precht gut findet, dass er wichtige Themen ausgräbt und gut zusammenfasst, der sollte sogar ganz besonders klar Precht wegwerfen und Harari lesen. Denn Prechts unsägliche Oberflächlichkeit und seine vielen Lücken, Fehler und unbegründeten Meinungen kann man nicht erkennen, wenn man selbst so etwas wie Orientierung sucht.
Das ist übrigens die einzige und keineswegs positive Wirkung dieses Volksverklärers. Er spricht Leute an, die Orientierung suchen und führt sie ins Nirwana seiner unsauberen Recherche und daraus nicht mal trennbaren, weil unbegründeten und textlich nicht sauber getrennten Meinung.

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