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Die Mediennutzungstrends sind seit Dekaden stabil – leider

Demnächst mal wieder Vorlesung über Mediennutzung. Schön, mal keine Strommärkte zu recherchieren. Nicht schön, sind die unveränderten Trends.
Das Format „Zeitung“ stirbt. Seit 1990 von 30 Millionen Auflage fast auf ein Drittel zurück gegangen und das wird auch durch E-Paper nicht kompensiert – deren Zahl in den verbliebenen etwas mehr als 10 Millionen enthalten ist. Da die meisten Redaktionen immer noch viel mehr von der gedruckten Zeitung als von digitalen Angeboten leben, bleibt der Trend für die sogenannte „freie Presse“ düster. Bei vielen Verlagen zudem Kipppunkte bereits überschritten oder in der Nähe, denn die Kosten für Papier und Logistik sind enorm. Können die nicht mehr refinanziert werden, wird das gedruckte Produkt bilanziell negativ und ohne dieses kippt das ganze Geschäftsmodell – immer noch!!. Nicht gut, aber leider seit Jahren absehbar, digitale Transformation nicht gelungen, digitale Erneuerung nie versucht.
Das Format „Fernsehen“ wird folgen. Lineares Fernsehen wird immer älter. Nur noch Pro7 hat einen Altersdurchschnitt bei den Zuschauern unter 50. Die Öffentlich Rechtlichen liegen über 60. Ein zu schnell alterndes Produkt, um aus den Erkenntnissen der Medienwissenschaft noch eine Wende erwarten zu können. Der Fernsehkonsum der Jüngeren sinkt dazu zu dramatisch und es zeigt sich erneut eine heute nicht mehr überraschende Erkenntnis: Nicht die Jüngeren ahmen das Mediennutzungsverhalten der Älteren später nach, es ist genau umgekehrt.
Der Trend der Formate entfernt sich vom langen Text, was mir persönlich richtig Sorgen macht, denn es ist in der Kommunikationswissenschaft unstrittig, dass komplexere Sachverhalte nur über dieses Format vermittelbar sind. Das bedeutet ohnehin die Nische für alles, was mal Zeitung war. Kurze, dialogorientierte Formate gewinnen bei Text, aber noch stärker legen Audio und vor allem audiovisuelle Formate zu – dabei beginnt das Metaverse erst, da gibt es noch zu wenige Daten, aber die Logik dieser Entwicklung liegt auf dem Tisch. Vielleicht sogar eine Hoffnung für die komplexeren Sachverhalte, das mag hier wieder besser gelingen.
Dass sich diese Trends in den Bilanzen der Unternehmen abbilden, ist eine Tautologie, gehört aber zur Analyse hinzu, denn die Geschäftszahlen bedeuten zweierlei: Erstens reagieren die nur mit Verzögerung auf nachhaltigere Trends, sind also ein Beleg für deren Bedeutung. Zu spät sichtbar, wenn es beispielsweise um Strategien für Medienunternehmen oder Medienpolitik geht, das wird leider oft falsch eingeordnet. Zweitens sind diese Zahlen aber stets ein Fundament für die Verstärkung von Trends, denn dort, wo das meiste Geld verdient wird, fließen auch die meisten Dollars in die weitere Entwicklung. Was man hier also sieht, ist sowohl relevant, als auch längere Zeit sehr stabil.
Wer in dem Bereich Entscheidungen zu treffen hat, ist aber oft bereits tot, sobald er diese Zahlen sieht. Ich lasse die Bilanzzahlen daher mal weg, das macht einen überzeugten Europäer und Demokraten leider depressiv. Die Plattformökonomie hat uns nicht nur hier, aber hier ganz besonders im Griff – und das ist ein US-Thema sowie zunehmend eines der Chinesen. Inzwischen informieren sich 55% aller Menschen über 14 Jahre täglich in Plattformen, der Anteil hat sich in fünf Jahren um die Hälfte erhöht, bei den Älteren sogar deutlich stärker. Dazu muss man wissen, dass sich nur noch insgesamt 67% dieser Gruppe überhaupt täglich in den Medien informieren, ein Drittel gibt allenfalls noch Unterhaltung an, ein bedenklicher Trend für sich. Die Plattformen sind also mit Abstand das dominierende Informationsmedium geworden, Trend ungebrochen steigend.
Daher lautet das fatale Fazit: Journalismus hat kein Geschäftsmodell mehr. Der privat finanzierte läuft in eine Existenzkrise, der staatlich finanzierte erreicht die Gesellschaft nicht mehr.
Keine Freude bei diesem Fazit, zumal das nur ein Update einer Vorlesung ist, die ich jetzt fast schon zehn Jahre halte und erneut nur feststelle: Leider alles noch richtig, wir laufen weiter in dieselbe Richtung. Seitdem ich diese Vorlesung das erste Mal zusammengestellt habe, wünsche ich mir, dass ich sie eines Tages wegwerfen und komplett neu aufsetzen muss.
Passiert nicht, ist auch nicht absehbar.
 

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