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Akademische Grade, Expertentum und Profis – Strompreise sind keine Meinungssache

Meine letzten Beiträge zu Herrn Prof. Sinn und zum europäischen Stromhandel wurden in zahlreichen Kanälen geteilt, dafür mein Dank, zumal dadurch das Spektrum an Diskussionen zu den Themen breiter wird und genau daran, insbesondere an Gegenrede, substanzieller Kritik und gutem Diskurs bin ich sehr interessiert.

Zu Sinn kam aber nichts zustande und das ist sowohl bedauerlich, als auch bezeichnend. Die Gegenrede bestand tatsächlich ohne jede Ausnahme aus Hinweisen auf den akademischen Grad dieses „Top-Ökonomen“, den man ohne entsprechende eigene Qualifikation nicht zu kritisieren habe. Hinzu kamen Vorwürfe, ich hätte mich im Ton vergriffen, was man selbstverständlich so sehen kann, aber auch hier war auffällig, dass ebene jene Tonalitätspolizisten sich bei der eignen Wortwahl weniger zurückhaltend zeigten. Zum Inhalt von Sinn kam gar nichts, kein einziges Argument, kein Versuch, seine Ausführungen zu verteidigen. Ich bedaure das ausdrücklich, denn inhaltliche Auseinandersetzungen sind immer wertvoll, für mich, für jeden Leser, aber sie werden leider seltener.

Es erinnert sehr an die Corona-Zeit, als nach ein paar Monaten Meinungslager gebildet waren, zwischen denen kein Austausch mehr möglich war. Statt dessen werden nur Narrative mit Triggerworten ausgetauscht, teilweise sogar ohne jeden Kontextbezug. Die Medien spielen dabei eine unheilvolle Rolle, denn sie bedienen genau diese Trigger, um Aufmerksamkeit zu erzielen, was sie als ihr Geschäftsmodell betrachten. Dabei gehört zu einem funktionierenden Geschäftsmodell laut einschlägiger Fachliteratur ein Leistungsmodell, welches einen Kundenbedarf erfüllt. Aber vielleicht ist unser Bedarf, uns zu empören und nicht mehr zu informieren?

So auch bei den Strompreisen und Importen. Sogar zum Sinn-Beitrag wurden dazu die gängigen Narrative vorgebracht, obwohl es nur unter erheblicher Dehnung des Kontextes irgendwie nachvollziehbar war, auf dieses Thema zu schwenken. Da hört man dann die vielen Geschichten von den teuersten Preisen in Deutschland, die den Erneuerbaren zuzuschreiben sind, die eine De-Industrialisierung zur Folge haben, vom günstigen französischen Atomstrom, der zudem viel sicherer ist.

Dazu habe ich die beigefügten Charts in die jeweiligen Debatten eingebracht, die ich hier zusammenfasse. Das ist zum einen die Strompreiskarte Europas im laufen Jahr, die zeigt, dass wir in Deutschland preislich im Mittelfeld liegen, dass Frankreich etwas teurer ist und dass die Skandinavier, also die Stromsysteme mit den meisten Erneuerbaren mit Abstand die günstigsten Strompreise haben. Nach Erwartung der Profis an den Strombörsen, die Futures handeln, in denen ihre Preiserwartung für die Zukunft feststellbar ist, wird das so bleiben: Skandinavien mit Abstand am billigsten, Deutschland im Mittelfeld und – ups – Frankreich eher deutlich steigend.

Dafür gibt es einen einfachen Grund: Die Betriebsrisiken des französischen Stromsystems sind den Profis zu hoch, wer sich da für 2024 jetzt schon Preise sichern möchte, muss einen Aufpreis zahlen. Ansonsten sind die EE-Systeme im Norden billiger, weil dort die fossilen Kraftwerke durch den EE-Ausbau eine wesentlich geringere Rolle bei der Preisbildung haben. Da sind Deutschland und Frankreich noch längst nicht – obwohl beide genug Ressourcen dafür hätten. Die Kernenergie spielt bei der Preisbildung bisher keine größere Rolle, nicht mal mit deren Anteil in Frankreich. Jetzt spielt deren Betriebssicherheit jedoch in die Risikobewertung hinein.

Die tatsächlichen Produktionskosten finden sich weniger in den Preisen, sondern – leider ist das Markt-Design so – in den Bilanzen der Erzeuger. In der Energiewirtschaft selbst ist längst unstrittig, dass Kernenergie ohnehin die teuerste Stromproduktion ist, weshalb der größte Betreiber Europas, die französische Kernenergieindustrie chronisch pleite ist. Der Staat und das Markt-Design sorgen aber dafür, dass dies bei den Preisen nicht ankommt – und so ist in Frankreich, wo wir derzeit von den Produktionskosten bis zur Versorgungssicherheit tatsächlich die größten Probleme in ganz Europa haben, Ruhe im Karton, während Deutschland über Erneuerbare und sichere Versorgung streitet – mit Hinweis auf das Vorbild Frankreich.

Vollkommen verquere Debatte, aber die bringen alle nichts. Was sind schon Stromprofis, die an den Börsen so was lächerliches wie ihr eigenen Geld einsetzen, was bedeuten schon von Wirtschaftsprüfern zertifizierte Bilanzen von Energieunternehmen, was ist schon ein Aufsichtsrat, der so was zu lesen hat – gegen Facebook-Stromexperten, denen zudem akademische Grade und der ganz feine Ton so faktenbasiert wichtig sind.

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